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Ramona Taterra und Sebastian Fäth: "Wir sind die großen 85 Prozent"

Ramona Taterra und Sebastian Fäth: "Wir sind die großen 85 Prozent"

Ramona Taterra mit Kamera am Boden

Berlin als Ort der Neuentdeckung, Berlin als Ort steigender Konkurrenz? Wie erleben Künstler in Berlin den Wandel der Stadt? Was bedeutet Berlin für sie als Standort, als Ort der Kunstproduktion und der ständigen Veränderung? Ramona Taterra und Sebastian Fäth sind beide Mitte 30 und beides Künstler, derzeit stellen sie unter dem Titel „Ortung“ ihre Arbeiten im Projektraum der Alten Feuerwache in Berlin Friedrichshain aus. Creative City Berlin traf die beiden zum Gespräch.

 

Interview Wencke Grothkopp

 

CCB Magazin: Der Titel eurer Ausstellung ist „Ortung“ – was bedeutet das für euch?

Sebastian Fäth: Der Ausstellungstitel rührt daher, dass jeder immer dabei ist, sich zu orten beziehungsweise zu verorten. Orten ist für mich also ein Zustand des Suchens und Untersuchens. In meinem Fall ist es eine Form von Selbstdefinition, Selbstfestlegung und das bewusste, offene und sensible Achten auf meine Umwelt, um zu einem Ergebnis, einer Selbstverankerung zu kommen: Da stehe ich, da bin ich - was auch immer das heißt - um Ruhe, Sicherheit, ein Fundament und eine Basis zu finden.

Ramona Taterra: Für mich geht es oft darum, innere Räume zu lokalisieren. Ich fand dieses Thema passend, da ich die Tendenz habe, in den Arbeiten in meinem größeren und kleineren Umfeld zu schauen und auszuloten, was eine Quintessenz oder Schnittmenge sein könnte, die nicht nur mich selber betrifft, sondern ganz im Gegenteil, die aus den Beobachtungen vieler Leute und deren Motivationen entsteht.

CCB Magazin: Ramona, du bist gebürtige Berlinerin, Sebastian, du kommst ursprünglich aus NRW und wohnst seit 2006 hier. Warum habt ihr euch für diesen Ort entschieden?

Ramona Taterra: Weil es meine Heimatstadt ist. Zwischendurch habe ich aber auch eine Weile in Bayern gewohnt. Ich mochte das sehr! Hätte ich das Geld, mir dort ein Haus zu kaufen, wäre ich schnell weg aus der Stadt. Ich weiß gar nicht, ob ich mich jemals FÜR Berlin entschieden habe. Ich war viel hier. Wenn man dann mal länger weg ist und wiederkommt oder länger woanders arbeitet, dann merkt man: das ist einfach meine Zuhause.

Quelle: Sebastian Fäth. 
 

CCB Magazin: Berlin als Ort des Zusammenlebens hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Wie nehmt ihr den Wandel der Stadt wahr?

Ramona Taterra: Die Entwicklung, die Berlin in den letzten zehn Jahren gemacht hat, ist einerseits spannend, weil ich eine Erinnerung an die Stadt habe, die gar nichts damit zu tun hat. Früher war Berlin eine kleine, ein bisschen verschlafene Stadt und hatte eher einen schlechten Ruf, war weniger interessant. Über die Jahre hinweg sieht man, was sich um einen herum verändert und da bleibt auch die Veränderung in sich selbst nicht aus.

Sebastian Fäth: Den Wandel merke ich ebenfalls. Ich bin zwar erst seit 2006 wohnhaft in Berlin, war aber seit 1996/97 regelmäßig hier, aufgrund meiner Bands und Freunde. Selbst dann habe ich es anders empfunden, wenn ich mich zurück erinnere: es ist ein massiver Unterschied zu dem, was jetzt passiert.

CCB Magazin: Was passiert jetzt?

Sebastian Fäth: Natürlich ist es toll, dass Berlin mittlerweile einen gewissen Stellenwert hat, ich bin mir aber nicht sicher, ob das Image der Stadt überhaupt stimmt: das aufgebauscht Schnelllebige. Ich würde mir aber wünschen, dass sich der Ruf von Berlin als Künstlermetropole auch qualitativ in den Arbeiten, die man in den Galerien sieht, manifestiert. Das ist böse gesprochen und das kann mir auch jeder, der sich unsere Ausstellung anschaut, um die Ohren hauen. Aber ich stecke viel Herzblut in meine Arbeiten. Damit meine ich nicht, dass andere das nicht tun würden. Doch ich habe es vor Jahren schon hin und wieder bei Galerieeröffnungen oder Gruppenausstellungen erlebt, dass die Bilder extrem schlampig waren, schlecht gehängt wurden und sich niemand wirklich um die Ausstellung gekümmert hat. Das war nicht sympathisch hingerotzt, sondern schlicht schlecht gemacht. 

Ramona Taterra: Man könnte auch sagen, dass Berlin seit langem einen „Schrottruf“ hatte. Und vielleicht – so meine Theorie – wurde dieser Schrottruf zum Stilmittel. Es ist ja gerade so eine Spiralfahrt nach oben durch die weltweite Wahrnehmung Berlins. Dieser Magnetismus des „neuen“ beziehungsweise noch „bezahlbaren New Yorks“ lockt viele Menschen herbei. Ich wünschte nur, es würde nicht jeder versuchen, auf Gedeih und Verderb eine Kerbe ins Holz der Stadt zu schnitzen. Ich wünschte, die Dinge würden sich etwas langsamer entwickeln!

CCB Magazin: Die Mieten in Berlin sind in den letzten Jahren gestiegen. Nach Angaben der Berliner Zeitung soll es in Berlin mittlerweile rund 30.000 Künstler geben, viele haben trotz der rund 500 kommerziellen Galerien kaum Ausstellungschancen. Wandelt sich Berlin vom Ort der Anziehung und Neuentdeckung zum Ort der steigenden Konkurrenz?

Ramona Taterra: Berlin ist zweifelsohne keine so günstige Stadt mehr. Viele Künstler haben mittlerweile Schwierigkeiten, einen Arbeitsort zu finden oder sich einen zu schaffen, weil sich alles so sprunghaft verteuert hat. Der Raum, der in Massen da ist, hat sich durch diese Magnetkraft so verteuert. Doch während sich die Mieten für Gewerberäume wahrscheinlich verdreifacht haben, haben die Jobs in der Bar, im Geschäft oder als Handwerker keine Verdreifachung miterlebt. Das ist für viele einfach ein großes Problem.

CCB Magazin: Stellen die vielen zugewanderten Künstler auch für euch eine Konkurrenz für dar?

Sebastian Fäth: Ich habe noch nie mit jemandem konkurriert. Das ist ja kein Sport.

Ramona Taterra: Es gibt nicht wirklich einen Maßstab. Der eigentliche Maßstab beginnt bei Größenordnungen, an dem weder ich noch Sebastian sich befinden. Vorher ist es nur eine große Menge von Menschen, die es versuchen.

Sebastian Fäth: Die großen Galerien lachen sich doch über uns tot, die nehmen uns nicht wahr. Wir sind die großen 85 Prozent…

Ramona Taterra: Wir sind die graue Masse.

Sebastian Fäth: Ja. Und dann gibt es noch mal 10 Prozent, die mehr oder minder davon leben können sowie die 5 Prozent, die ganz oben sind.

Quelle: Ramona Taterra

CCB Magazin: Wie wird man denn wahrgenommen und kommt letztendlich zu den besagten 10 Prozent oder 5 Prozent?

Ramona Taterra: Ich glaube, einfach durch vieles Arbeiten, vieles Ausstellen und eine Art Lotteriegewinn, dass du zufällig im richtigen Moment dem richtigen Menschen über den Weg läufst. Das passiert natürlich nicht, wenn man nichts tut.

Sebastian Fäth: Des Weiteren ist der Besuch einer Kunstakademie immer noch unabdingbar, da die großen Galerien sich immer erst einmal die Akademieschüler anschauen. Außerdem kümmern sich die Professoren darum, dass man in einer Galerie unterkommt. Das ist der klassische Weg, aber es gibt natürlich auch Ausnahmen. Das Andere ist: harte Arbeit. Es ist nicht so, dass man einen Monat herumlungert und dann eine Eingebung oder einen Geniestreich hat. Von zwanzig Arbeiten ist vielleicht eine richtig geil und drei eventuell gut.

CCB Magazin: Ihr beide seid keine Vollzeit-Künstler, sondern habt wie so viele andere Künstler noch andere Jobs, mit denen ihr euren Lebensunterhalt bestreitet.

Ramona Taterra: Ich bin jemand, der 30 - 40 Stunden pro Woche für andere arbeitet und 30 - 40 Stunden für mich. Das ist eine Konstante, ein großer Zeitraum, der mir sehr wichtig ist. Als Künstler weiß man nicht, ob man zu seinen Lebzeiten einen Durchbruch erreicht. Ich würde es nicht ablehnen, von meiner Kunst leben zu können. Aber ich betrachte meine Arbeit in erster Linie nicht als wirtschaftlich. Der Grund, warum ich mich künstlerisch ausdrücke, ist das dringende Bedürfnis nach dieser Form des Ausdrucks und der Konfrontation mit Anderen und auch für Andere. Es steht also nicht an erster Stelle die Frage, wie ich davon leben kann.

Sebastian Fäth: Als ich nach Berlin kam, habe ich fünf Jahre als Selbständiger versucht, von der Kunst zu leben, was mich fast in den Bankrott getrieben hat. Irgendwann muss man sich eben auch mal finanzieren. Ich persönlich habe keine Lust, mit 40 Jahren von Hartz IV zu leben. Darum habe ich mich für einen festen Job entschieden und es 1,5 Jahre nicht ins Atelier geschafft. Das ist eine logistische Sache, wenn du plötzlich 9 bis 10 Stunden am Tag arbeitest und außerdem ein Kind hast. Man hat einfach nicht genügend Zeit und es besteht die Gefahr, dass nach einem langen Arbeitstag einfach nur noch Scheiße bei herauskommt. Dann kommt es auf die Materialwahl an: für mich hieß das auf Zeichnungen umzusatteln, die ich Zuhause am Schreibtisch machen kann.

CCB Magazin: Seht ihr das als Bereicherung, nebenher noch etwas anderes zu machen oder überfordert euch das?

Sebastian Fäth: Tatsächlich sind die Pausen, die durch den Job kommen, manchmal sehr willkommen. Und das künstlerische Arbeiten – und da sind wir wieder bei der „Ortung“ – auch immer ein selbstreflexives Moment hat, ist es im Endeffekt egal, wie oft oder wie lange du im Atelier bist. Was zählt, ist das, was nachher auf der Leinwand ist.

Ramona Taterra: Ich würde sagen, ich bin ein Hybrid, mich überfordert es nicht. Vielleicht liegt es an dem glücklichen Umstand, dass ich als Selbstständige für einen Künstler arbeite und die handwerklichen Fähigkeiten, die ich dort erlerne, in abgewandelter Form durchaus für meine eigenen Sachen einsetzen kann. Es gibt Dinge, die man tut, weil man sie einfach tun möchte, oder? Ich finde das auch nicht schlimm, in der Woche für jemand Anderen zu arbeiten. Im Gegenteil: so erhalte ich Einflüsse von Außen und mumpfe nicht nur in meinem Atelier herum. Zugegeben: Ich hätte manchmal gerne mehr Freizeit.

CCB Magazin: Ein paar Fragen zu euren Arbeiten: Ramona, du stellst Bügelperlen aus, warum?

Ramona Taterra: (lacht) Ich habe das als Kind nie gemacht. Als Kind habe ich immer gezeichnet und gemalt. Vor 1,5 Jahren habe ich mit der Tochter einer Freundin gespielt. Sie schleppte eine Dose mit den Bügelperlen herbei und wollte mit mir basteln. Wir fingen an und wurden immer wilder. Ihre Eltern haben immer abwechselnd die Ergebnisse unserer Bastelwut gebügelt. Ich habe mir gedacht: Wie abgefahren! Einige Wochen später habe ich mir diese Perlen gekauft und das „Ihr sollt glücklich sein“- Gebot gemacht.

CCB Magazin: Sebastian, in deinen Arbeiten finden sich viele Naturthemen wieder, man sieht viele Tiere – ob tot oder lebendig – kämpfende Hirsche, Hähne, tote Bären, Zugpferde...

Sebastian Fäth: Es ist keine bewusste Entscheidung; sondern ich komme zu diesen Sachen. Es mag zwar auffällig sein, ist aber tatsächlich nicht beabsichtigt. Ich finde den Gedanken des Herauslösens wichtiger, das sieht man auch in den Zeichnungen: Sie werden zu Objekten oder Installationen. Das finde ich für mich interessant und spannend, denn viele der Dinge könnten auch gebaut sein. Ich mag Stille in den Arbeiten, eine ganz erhabene Ruhe – wie zum Beispiel der Bootsmann oder die Fährte.

CCB Magazin: Vielen Dank!


Näheres zu der Ausstellung und die damit verbundenen Veranstaltungen unter https://ortung2013.wordpress.com/

Sebastian Fäth: http://www.sebastianfaeth.de/

Ramona Taterra: https://taterra.wordpress.com/

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