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Die Zukunft macht Musik

Schwerpunkt Musik und Technologie

Die Zukunft macht Musik
Foto: © Music Tech Fest

Erst kam der Strom, irgendwann die E-Gitarren, dann Rechner, Laptops, Apps und der ganze Rest. Wie sieht die Musiktechnologie von morgen aus und wie verändert sie Arbeit und Leben? Das Music Tech Fest diskutiert diese Frage vom 27. – 30. Mai im Funkhaus Berlin und bringt Musiker, Hacker, Designer und Entwickler zusammen. Wir sprachen mit Organisator Matthias Strobel.
 

INTERVIEW  JENS THOMAS

 

CCB Magazin: Hallo Matthias, das Music Tech Fest ist ein dreitägiges Festival, auf dem sich Akteure an der Schnittstelle von Musik und Tech treffen. Was passiert da? Was ist euer Ziel?

Matthias Strobel: Mit dem Music Tech Fest wollen wir eine neue Plattform für Innovation schaffen und den kreativen Austausch unterschiedlichster Disziplinen aus allen denkbaren Feldern ermöglichen. Das Music Tech Fest ist keine Konferenz oder ein Festival im herkömmlichen Sinne. Es ist es ein gigantisches Kreativlabor für neue Musiktechnologien. Auf der einen Seite stellen Musiker, Hacker, Designer und Startups neue Instrumente, Software und Produkte vor. Auf der anderen Seite präsentieren Künstler in multi-sensorischen Performances und interaktiven Installationen neue Erfindungen. Gleichzeitig diskutieren Wissenschaftler mit Entwicklern und Branchenvertretern der Musikindustrie das Veränderungspotential von Zukunftstechnologien. Diese Vielseitigkeit ist es, die das Music Tech Fest in seiner Form einzigartig macht. 

Im Gespräch mit Creative City Berlin, Matthias Strobel. Foto: © Music Tech Fest

CCB Magazin:Erzähl doch mal, was genau bietet das Music Tech Fest in diesem Jahr?

Matthias Strobel: Seit Montag laufen bereits die #MTFLabs. Hier treffen sich verschiedene Menschen zu unterschiedlichen Themen, um gemeinsam eine Woche lang zu experimentieren und direkt an der Umsetzung von neuen kreativen Ideen zu arbeiten. Der offizielle Teil des Music Tech Fests geht von Freitag bis Sonntag: Auf zwei Bühnen präsentieren Künstler, Entwickler, Wissenschaftler und Pioniere elektronischer Musik drei Tage lang Innovationen aus den Bereichen Musiktechnologie und Klangkunst. Einen Raum des Funkhauses verwandeln wir in das #MTFJamcamp. Dort stehen traditionelle Instrumente und neue Erfindungen zur Verfügung, mit denen die Besucher zusammen mit bekannten Künstlern jammen können. Auch entwickeln Hacker aus unterschiedlichsten Materialien neue Musikinstrumente und Wege zur Interaktion mit Musik in einem 24stündigen elements14 Hackathon. In einem Trackathon produzieren zudem 12 Produzenten unter Betreuung von Ian Wallman, der normalerweise Remixe für Pop Künstler wie Beyonce macht, ein komplettes Album innerhalb von 24 Stunden. Am Sonntag laden wir dann eine kleine Auswahl an Kindern dazu ein, sich mit Musiktechnologien auseinanderzusetzen und unter Anleitung von Profis ihr eigenes Trauminstrument zu bauen. Auch Startups aus dem Music-Tech-Bereich sind Teil von Music Tech, um ihre Produkte oder Services vorzustellen. Alles endet am Sonntagabend mit einer Gunk(Geek+Punk)-Performance, bei der alle Teilnehmer auf ihren Instrumenten miteinander auf der Hauptbühne jammen.

Über 3D-Drucker ist heute jeder in der Lage, Produkte oder Prototypen herzustellen. Gerade Menschen mit Behinderungen können davon profitieren

CCB Magazin:Ein Schwerpunkt des Music Tech Fest liegt auf Bionik-Erfindungen, die es Menschen mit Behinderungen ermöglichen, musikalisch aktiv zu werden. Was kann man sich darunter vorstellen?

Matthias Strobel: Bionik bedeutet in erster Linie, von der Natur lernen und das Erlernte technologisch in unser Leben zu integrieren. Genau das machen wir in den „Body Labs“: Durch die Entwicklung der Sensortechnologie für praktische Anwendungen und die schnelle Rechenleistung heutiger Endgeräte bieten sich für die Herstellung von Musik faszinierend neue Möglichkeiten. So ermöglichen beispielsweise immer erschwinglicher werdende 3D-Drucker, ohne großen Kostenaufwand Hardwareteile zu produzieren. Dadurch ist praktisch jeder in der Lage, Produkte oder zumindest Prototypen herzustellen. Gerade Menschen mit Behinderungen können davon profitieren, da Zugangsbarrieren abgebaut und neue Möglichkeiten zur Kreation von Musik eröffnet werden. Die Ergebnisse der Body Labs werden, neben der Präsentation von bereits existierenden Projekten aus diesem Bereich, einen großen Teil des Music Tech Fests ausmachen. 

Musik und Musikproduktion sind oft auch Kopfsache. Foto: © Andrew Dubber.


CCB Magazin:Welche Chance haben diese Erfindungen, um im Anschluss in der Praxis zum Einsatz zu kommen?

Matthias Strobel: Einige der Erfindungen, die auf dem Music Tech Fest präsentiert werden, sind zum Teil schon im Einsatz oder bereits auf dem Markt verfügbar. Andere Dinge werden vermutlich erst hier entwickelt. Das war in der Vergangenheit immer wieder der Fall. So konnte bereits eine Reihe von kreativen Köpfen durch das EU geförderte Projekt #MusicBricks an der Herstellung von neuen Prototypen arbeiten. Dazu hatten die Teilnehmer Zugang zu Research-Einrichtungen und wurden mit physischen und digitalen Interfaces ausgestattet, um zwei Jahre lang an Lösungen zu arbeiten, die über den eigentlichen Music-Tech-Bereich hinausgehen, aber Musik als Basis haben. Eines der Produkte, die aus dem MusicBricks-Projekt entstanden sind, ist Dolphin, ein gestengesteuerter Kopfhörer von der Firma Sohaner. Dolphin ist noch nicht auf dem Markt, existiert aber als Prototyp. Dolphin hat großes Interesse bei vielen Firmen aus komplett anderen Branchen geweckt. So sind beispielsweise Unternehmen aus der Landwirtschaft und Industriemaschinenherstellung daran interessiert, die Kopfhörer für ihre Arbeiter einzusetzen. So entstehen auch ganz neue Businessmodelle für die Industrien im Zuge von „Internet of Things“-Innovationen. 

CCB Magazin:Ein Vorwurf lautet aber, dass die „Internet of Things“-Industrie in erster Linie Arbeitsplätze vernichtet, indem Technologien in den Vordergrund rücken und der Mensch unwichtiger wird. Was wiegt mehr? Arbeitsplatzverlust oder die Enstehung neuer Jobperspektiven

Matthias Strobel: Das lässt sich pauschal nicht sagen, beides stimmt wohl. Wichtig ist vor allem, dass wir die künftigen Generationen auf die neuesten Entwicklungen vorbereiten und entsprechend ausbilden. Und an neuer Technologie führt kein Weg vorbei. Hier setzte ich zum Beispiel auch mit einem ganz eigenen und neuen Projekt an, der Creative Coding School, Deutschlands erster Workshop-Reihe, die sich auf die Weiterbildung im Bereich „Internet of Things“ konzentriert und sozial Benachteiligte in den Mittelpunkt rückt. 

An neuer Technologie führt kein Weg vorbei. Wichtig ist, dass wir künftige Generationen vorbereiten und ausbilden

CCB Magazin:Euer Festival findet in Berlin statt. Jahrelang war das Music Tech Fest ein Nomaden-Festival, das durch die Welt zog – ihr wart in London, Boston, Wellington, Paris, Umeå oder Ljubljana. Warum habt ihr euch diesmal bewusst für Berlin entschieden?

Matthias Strobel: Als europäische Hauptstadt für Musiktechnologien bietet Berlin einfach fantastische Voraussetzungen, um so viele Leute wie möglich an einen Ort zu bekommen. Zudem haben sich mittlerweile eine Vielzahl an Musikern und anderen kreativen Künstlern hier niedergelassen. Das Music Tech Fest wird aber auch weiterhin an anderen Orten stattfinden. Allerdings soll mit dieser Ausgabe der Grundstein für ein immer wiederkehrendes, jährlich stattfindendes Event in Deutschland gelegt werden. Ob das jedes Mal Berlin sein wird, steht noch nicht fest. 

CCB Magazin:Im Anschluss an das Festival treffen sich kommenden Montag weltweit führende Forscher und Wissenschaftler beim #MTFResearch zu einem interdisziplinären akademischen Symposium, um über den Einsatz von Zukunftsmusiktechnologien zu diskutieren. Welche Technologien sind für den Musikbereich in Zukunft sinnvoll und notwendig?

Matthias Strobel: Das lässt sich nicht so einfach auf ein paar Technologien herunterbrechen. Der „Musikbereich“ besteht aus zu vielen unterschiedlichen Teilnehmern. Jeder Bereich für sich wird sich neuer Technologien bedienen und damit neue Möglichkeiten schaffen. Ich sehe aber - wenn wir einmal von der eigentlichen Produktion, Darbietung und dem Konsum von Musik absehen - das größte Veränderungspotential gerade in der Blockchain: Die Idee des Blockchain ist durch die virtuelle Währung Bitcoin entstanden und lässt sich als dezentrales Buchungssystem verstehen. Über Blockhain können Künstler ihre Werke direkt und ohne jeglichen Mittelsmann verbreiten und werden dafür sofort entsprechend entlohnt. Jeder Song, der durch die Blockchain vertrieben wird, befindet sich auf dezentralen Servern und ist mit einem einzigartigen Code versehen. Durch diesen Code kann, beispielsweise bei einem Download, ein automatischer Prozess in Gang gesetzt werden, der eine Überweisung in einer Kryptowährung auslöst und dadurch unmittelbar alle am Song beteiligten Parteien entsprechend gerecht bezahlt - gleichzeitig behält der Urheber die volle Kontrolle über sein Werk und kann zu jeder Zeit nachvollziehen, wo es überall verfügbar ist. Ich denke, diese Technologie hat die Möglichkeit, die komplette Musikindustrie zu revolutionieren und für mehr Transparenz und eine gerechtere Machtverteilung zu sorgen. Jetzt kommt es „nur noch“ darauf an, dass alle Beteiligten verstehen, wie sie funktioniert. Und es muss sich natürlich eine gewisse Offenheit im Umgang mit gesammelten Daten entwickeln. Dann sind wir schon mal auf einem guten Weg.

CCB Magazin:Matthias, viel Spaß, und viel Erfolg!


Alle Infos zum Music Tech Fest gibt es hier.

Profil von Matthias Strobel auf Creative City Berlin 

Rubrik: Specials

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