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Von der Stadt ins Dorf

Von der Stadt ins Dorf
Foto: © Architektengemeinschaft Holzmarkt

Die Holzmarktgenossen: am Holzmarkt wird ein naturnahes Ufer entstehen und damit ein Rastplatz für Biber und Otter.

Das Holzmarktprojekt will kreative Köpfe auf einer Fläche an der Spree zusammen bringen. Welche Idee steckt hinter der Holzmarkt-Genossenschaft? Und wer finanziert den Bau des Künstlerdorfes in Zukunft? Creative City Berlin traf Mario Husten und Simon Wöhr von der Holzmarkt-Genossenschaft.

 

Interview Larissa Krause

 

CCB Magazin: Nach langer Diskussion um das alte Bar 25 Club-Gelände fiel im letzten Herbst der Hammer: Die Holzmarkt-Genossenschaft erhielt mithilfe der Stiftung Abendrot  ihr altes Grundstück wieder zurück. Es war ein langer Kampf um die 18.000 Quadratmeter Fläche direkt am Fluss. Was habt ihr genau geplant?

Simon Wöhrl: Der Holzmarkt ist ein Quartier, viel mehr als nur ein Club. Im Herzen ein Dorf für Kreative und Gewerbetreibende, wo es einen Bäcker geben soll, aber auch Ateliers für Künstler. Es wird einen Park geben und es soll der Bürgerentscheid von 2008 umgesetzt werden, was bedeutet, dass wir das Spreeufer zugänglich machen wollen für alle. Dann gibt es den Club, um mehr Leben zu schaffen, ein Restaurant und ein Hotel. Das Gründerzentrum, das im Nordteil entstehen soll, soll nachhaltige Unternehmen beherbergen und eng zusammen arbeiten mit dem geplanten studentischen Wohnprojekt, das 500 Studierenden mehr als nur Wohnraum anbietet. Und dann ist da noch der Kidzklub, in dem ungefähr 30 Kinder rund um die Uhr Platz zum Erleben und Erfahren haben werden.

CCB Magazin:Welche Idee steckt hinter der Holzmarkt-Genossenschaft?

Mario Husten: Wenn man fragt, was der Holzmarkt ist, dann ist das erst mal ein Vorschlag und ein Angebot. Später wird es ein Ort, an dem Leute wohnen, leben, arbeiten können, Spaß haben und zwar in einer lebenswerten Umwelt und mitten in der Stadt am Fluss. Die Idee wird sich wandeln, weil sie vom Grundgedanken Wandel und Entwicklung ermöglichen soll. Wir wollen dort anders handeln und miteinander umgehen. Wir denken nicht im Einzelnen. Wir denken in einer Gemeinschaft und für das Ganze zusammen.

CCB Magazin:Das heißt ihr wollt mit dem Holzmarkt Freiraum für die Gemeinschaft schaffen?

Mario Husten: Wir sagen, wenn Studenten nach Berlin kommen, haben Sie ein Problem. Sie finden keinen Wohnraum. Wenn sie Wohnraum finden haben sie ein zweites Problem: Sie dürfen in ihren Wohnung zwar wohnen, aber sich nicht ausleben. Sie dürfen zum Beispiel nicht gewerblich tätig sein. Bei uns sollen sie wohnen, arbeiten und studieren können. Bei uns können sie sich frei entfalten und neue Ideen denken.

CCB Magazin:Ein Rundum-Lebenskonzept also?

Mario Husten: Ja, wir denken den Prozess zusammen. Die Studenten sollen zum Beispiel die Möglichkeit haben, ihre Ideen im Gründerzentrum anzusiedeln und umzusetzen. Und auch in dem Gründerzentrum geht es nicht allein um Geschäftspläne oder um Geld, sondern darum, was ein Start-Up beitragen kann zu unserer Gemeinschaft. Ein Club gehört zum Holzmarkt, weil der einfach zum Leben für Studenten dazu gehört.

CCB Magazin:Das klingt alles sehr nach Bewegung und einem Prozess, der offen und frei ist. Wer darf alles mitmachen? Und wer entscheidet, welche Projekte sich ansiedeln dürfen?

Mario Husten: Im Gegensatz zu anderen Zwischennutzungsprojekten soll der Holzmarkt nicht durch einen Bretterzaun wahrgenommen werden. Der Holzmarkt soll ein öffentlicher Ort sein, in den man hineingehen kann. Wir nehmen den Bürgerentscheid und die Forderung „Spreeufer für alle“ ernst und schaffen ein Angebot, an dem die Bürger sich beteiligen können.

CCB Magazin:Bürger, Genossen, Investoren, Studenten usw. – das sind ja viele verschiedene Akteure, die an dem Holzmarkt beteiligt sind und die mitreden wollen. Wie kommt ihr zu Entscheidungen und wie ist der Holzmarkt strukturell aufgestellt?

Mario Husten: Wir haben die Holzmarkt-Genossenschaft gegründet, weil der Kern einer Genossenschaft ist, dass die Stimmen von den Kapitalrechten getrennt sind. Insofern hat dort das Geld und die Kreativität jeweils pro Person eine Stimme. Zusätzlich haben wir festgelegt, dass das Geld nur für die Errichtung des Holzmarktes verwendet wird und dass sich keiner bereichert an diesem Geld. Deswegen arbeiten wir mit Transparenz und Kostenkontrolle. Außerdem haben wir die Genossenschaft für urbane Kreativität als eine Investorengesellschaft gegründet und die hat wiederum ihren Sitz und Stimme in der Holzmarkt-Genossenschaft. Und dazu gibt es noch den Bürgerverein Mörchenpark, in dem sich sehr unterschiedliche Personen engagieren. Besonders für die Menschen aus der Gegend ist dieser eine sehr wichtige Plattform und Möglichkeit sich einzusetzen. 25 Euro kostet die Mitgliedschaft im Jahr und jeder kann sich im Internet ganz einfach anmelden.

CCB Magazin:Trotzdem hieß es letztens in einer Pressemitteilung der dpa, dass der Holzmarkt scheitert. Wie ist der aktuelle Stand?

Mario Husten: Unser Motto ist „Das Glas ist halb voll und nicht halb leer“ Wir haben in zwei Monaten 1,5 Millionen Euro gesammelt und das ist schon sehr toll. Klar fehlt da noch was, aber es ist ja nun nicht so, dass man mit 1,5 Millionen Euro nichts anfangen könnte. Insgesamt ist es aber unser Ziel, 4 Millionen Euro einzusammeln. Trotzdem geht es nun los, am 1. Mai ist erster Spatenstich. Da wird der Uferwanderweg das erste Mal begehbar sein und erstes Grün gepflanzt.

CCB Magazin:Ihr scheint gut organisiert zu sein. Dem Kultursoziologen Andreas Reckwitz zufolge seid ihr mit der Idee ein Dorf für Kreative zu schaffen am Puls der Zeit. Er behauptet, dass wir alle dauernd kreativ sein sollen und wollen und Kreativität auf das Vermögen verweist, dauerhaft dynamisch Neues hervorzubringen. Gleichzeitig stellt sich die Frage, welchen Wert die Kreativität dann noch hat. Gibt es für euch einen Widerspruch zwischen künstlerischer Freiheit und wirtschaftlichem Handeln?

Mario Husten: Wenn ich über den Holzmarkt spreche, würde ich kreativen Freiraum auch damit in Verbindung bringen, dass ich eine wirtschaftliche Verantwortung trage. Zunächst muss jeder für sich selber entscheiden wie er seine Kreativität definiert. Es gibt Menschen, die definieren sie als Freiraum und andere als etwas anderes. Womit ich ein Problem habe ist, wenn für Menschen aus Kreativität heraus ein Anspruch an die Gesellschaft wächst, wenn sich also Kreative hinstellen und sagen „ich bin jetzt Künstler und deswegen muss die Gemeinschaft was für mich tun“. Wenn sich jemand selbst verwirklichen will, dann soll er meiner Meinung nach auch für seinen Lebensunterhalt aufkommen. Viele Theaterhäuser sind aber auf die öffentliche Hand angewiesen, sonst könnten sie nicht überleben.

CCB Magazin:Die Koalition der Freien Szene, ein Zusammenschluss von künstlerischen Initiativen und professionellen Künstlern aus Berlin, fordert, dass künftig 50 Prozent der Einnahmen der angekündigten City Tax für die freie Kulturszene ausgegeben wird. Auch ihr unterstützt mit der Schaffung von Künstlerateliers auf dem Holzmarkt die freie Szene. Was sagt ihr zu solchen Forderungen?

Simon Wöhr: Ich würde die Forderung der Koalition der Freien Szene unterstützen. Ganz klar tragen Künstler zu dem Flair in Berlin bei. Die geben ja auch der Gemeinschaft etwas. Und dann können auch die etwas vom Kuchen abbekommen und subventioniert werden.

Mario Husten: Da ist die Frage, wer entscheidet über das Geld und wie kommen die Menschen an die Töpfe ran. Ich bin für ein bedingungsloses Grundeinkommen und zwar nicht, weil Leute kreativ sind, sondern weil es selbstverständlich sein sollte, dass Leute in einer Gemeinschaft nicht betteln müssen. Meiner Meinung nach sollten Subventionen nicht mit Geld gleich geschrieben sein. Ich wünsche mir Unterstützung in Form von Raum und der Schaffung von Gelegenheiten. Nicht in Form von bürokratischen Antragsformularen. Ich würde jetzt nicht sagen, dass Kunst und Kultur ein Marktplatz ist, aber trotzdem muss ein Künstler ein Angebot machen und es ist seine Entscheidung, ob er damit sein Lebensunterhalt verdienen kann oder nicht und welchen Wert seine Arbeit hat.

CCB Magazin:Das heißt es gibt bei euch eine Trennung zwischen Geld und Ideen?

Mario Husten: Ja, wir kreieren ein Gemeinschaftsgefühl, aber ohne politische Ideologie. Alles muss für die Gemeinschaft Sinn machen. Und das im preußischen Sinne „Jeder nach seiner Fasson“. Deswegen haben wir zum Beispiel Crowdfunding als Mittel benutzt, um zu schauen, ob der Mörchenpark überhaupt gewollt ist und um der ganzen Sache eine politische Stimme zu verleihen. Diese Kampagne war also mehr ein politisches Argument dafür, dass dieser Park gewollt ist.

CCB Magazin:Ein Dorf mitten in der Stadt und kreativer Wandel - für mich hört sich das so an, als wollt ihr Berlin ein Stück weit verbessern. Wie stellt ihr euch die Stadt in 20 Jahren vor?

Mario Husten: Was in 20 Jahren ist, ist nicht interessant als Ziel. Der Weg dahin ist interessant und muss Spaß machen. Ich hab keine Vorstellung davon wie es am Schluss sein soll. Hauptsache es ist bunt und man kann leben und Spaß haben.  Wir können die Welt nur im Kleinen verbessern und dann schauen wir mal was das Leben so bringt.


Weitere Infos unter: www.holzmarkt.de

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