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Christian Rüsenberg und Robert Witoschek: Give me some noisy!

Christian Rüsenberg und Robert Witoschek: Give me some noisy!
Foto: © Noisy Academy

noisy Musicworld in Berlin-Friedrichshain war anfänglich nur ein Proberaumkomplex für Musiker. Mittlerweile ist es ein funktionierendes Netzwerk und eine Academy für Musikschaffende und Produzierende aus der ganzen Stadt. Creative City Berlin sprach mit Geschäftsführer Christian Rüsenberg und Projektleiter Robert Witoschek von noisy Musicworld über Musikerhabitus und kreatives Sein, alte Zeiten und neue Anforderungen an die Musikszene Berlins.

 

Interview Jens ThomaS

 

CCB Magazin: Herr Rüsenberg, mitten im Jahr der Musikkrise 2001 gründeten Sie die noisy Musicworld GmbH. Hatten Sie damals eigentlich nichts besseres zu tun? 

Rüsenberg: Nein, überhaupt nicht! Wissen Sie, für Musiker ist ja immer Krise, und wir haben uns damals einfach gefragt: Was fehlt Musikern in Berlin?

CCB Magazin:Was fehlt Musikern in Berlin?

Rüsenberg: Eine Anlaufstelle, immer ausreichend Proberäume und genügend Equipment. Daraus entstand die Idee zur noisy Musicworld. Anfänglich waren wir nur ein Proberaumkomplex, mittlerweile besteht noisy Musicworld aus vier Bereichen: den Proberäumen noisy Rooms, dem Equipmentkauf und -Verleih über noisy Store, Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten über die noisy Academy und dem Netzwerk noisy Careers.

CCB Magazin:Wie schwierig war es, ein solches Netzwerk aufzubauen und die unterschiedlichsten Kräfte zu bündeln?

Rüsenberg: Im Grunde mussten wir die unterschiedlichsten Kräfte gar nicht bündeln. Die Nachfrage war einfach da. noisy ist voll und ganz aus eigener Kraft und ohne öffentliche Mittel entstanden. noisy hat sich gewissermaßen selbst erschaffen, ohne Hilfe von außen. Mittlerweile arbeiten wir natürlich mit vielen Partnern zusammen, weil wir ein gewisses Niveau erreicht haben und den Ansprüchen an uns gerecht werden wollen.

CCB Magazin:Was sind die heutigen Ansprüche?

Witoschek: Der Standort Berlin gewinnt zunehmend an Bedeutung, die Musikindustrie erwirtschaftet jährlich bis zu eine Milliarde Euro Umsatz. Es fehlt in der Stadt aber an Anlaufstellen. Musiker suchen Proberäume, Orientierung und Beratung. Musiker wollen sich austauschen über das komplette Musikbusiness und über die Anforderungen, die heute an sie gestellt werden.

Der Standort Berlin gewinnt zunehmend an Bedeutung

CCB Magazin:Sind die Anforderungen Ihrer Meinung nach gestiegen?

Witoschek: Vieles ist heute anders als noch vor wenigen Jahren: Die Versorgungsindustrie der großen Plattenlabels ist weggebrochen. Die Verwertungs- und Vermarktungswege verändern sich, man kann, muss heute vieles selber machen. An vielen Stellen herrscht große Orientierungslosigkeit. Darum haben wir unser Netzwerk aufgebaut, das zugleich von der Community getragen wird.

CCB Magazin:Was meinen Sie mit Community, wer soll das alles sein?

Rüsenberg: Die Leute, die für noisy arbeiten, sind zu 99,9 Prozent selbst Musiker. Und die Musiklehrer und Dozenten, die bei uns tätig sind, kommen selbst aus der Szene, so wie Kölns Techno Legende und Producer Björn Torwellen, Rocco Weise von der Band Brokof und Bandcoach Jovanka v. Wilsdorf. Bei uns arbeiten Labelbetreiber, Musikmanager oder Produzenten unter einem Dach. Bei uns erzählt wirklich keiner etwas, was er nicht selbst erlebt hat.

CCB Magazin:Seit September letzten Jahres bietet noisy Musicworld zahlreiche Fort- und Weiterbildungen an, jährlich sind das bis zu 250 Seminartage. Wie kam es dazu?

Witoschek: Zunächst hatten wir die Idee, eine dreijährig staatlich anerkannte Berufsausbildung an den Start zu bringen: Aus der Musikschule heraus sollte eine Musikausbildungsstätte mit professionellem Ansatz entstehen. Nach längerer Marktanalyse haben wir aber gemerkt, dass sich das gar nicht eignet. Die Leute kommen eben nicht nach Berlin, um Popstars zu werden. In Berlin sind die meisten schon Musiker und wollen sich professionalisieren. In Berlin gibt es heute etwa 170.000 Personen, die sich vom Berufsbild her als Musiker bezeichnen, aber nur 80.000 sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Genau diese Leute sind unsere Zielgruppe: Musiker, die sich inhaltlich und technisch professionalisieren wollen. 

Die Leute kommen nicht nach Berlin, um Popstars zu werden

CCB Magazin:Aber lässt sich Erfolg überhaupt planen? Für viele bedeutet die dauerhafte Kalkulierbarkeit in der Kultur auch eine völlige Durchökonomisierung. Musik lebt von Gefühlen, die transportiert werden; manche Musiker mögen da noch so professionell aufgestellt sein und sich bemühen, entweder man hat das gewisse Etwas oder nicht.

Witoschek: Da muss ich uneingeschränkt zustimmen, das gewisse Etwas oder ein kreatives Sein lässt sich nicht einfach so erlernen. Wir wollen aus Musikern aber auch keine Manager machen, dann wäre man sicher nicht mehr glaubwürdig. Für viele ist der Spagat zwischen Künstlerethos und  Managerhabitus auch kein leichter. Zugleich verlangt es die Entwicklung des Musikmarktes heute ab, sich mit allerlei Dingen beschäftigen zu müssen: Wie gestalte ich meine Homepage? Wie schütze ich meine Werke urheberrechtlich, vor allem im Zuge der Digitalisierung? Wie arbeite ich ressourcenschonend und kann bei der Produktion Kosten sparen? Viele Musiker haben auf solche Fragen keine Antworten.

CCB Magazin:Seit diesem Jahr gibt es in Berlin das Musicboard zur Stärkung des Musikstandortes. Was versprecht Ihr Euch davon?

Witoschek: Anfänglich waren einmal 20 Millionen angedacht, jetzt ist es 1 Million. Abzüglich der Verwaltungskosten, die immerhin ein Drittel des Budgets ausmachen, ist das sicher nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber wir begrüßen es, dass der Berliner Senat mit dem Musicboard endlich eine Einrichtung schaffen will, um die Akteure in der Stadt zu unterstützen und zu vernetzen. Alle Schnittstellen der Wertschöpfungskette im Musikbereich finden sich prominent und zahlreich in Berlin wieder. Doch nach wie vor ist die Kooperation und Vernetzung in dem Bereich ausbaufähig. Hier sollte die Unterstützung durch das Musicboard ansetzen, um die noch enormen brachliegenden Synergiepotenziale zu wecken.

CCB Magazin:Der Soziologe und DJ Jan-Michael Kühn fordert, dass vor allem Flächen und Räume in Berlin bereitgestellt werden müssten, die günstig für subkulturelles Wohnen und Arbeiten zur Verfügung stehen.

Witoschek: Dafür ist das Musicboard aber nicht vorgesehen. Über das Musicboard sollte vor allem der Nachwuchsförderung entsprechende Bedeutung beigemessen werden. Die Musikszene Berlins braucht eine unbürokratische und zielgerichtete Förderung. Das kreative Potenzial dieser Stadt rekrutiert sich maßgeblich aus den vielen jungen Leuten, die hier leben und Monat für Monat nach Berlin strömen. Aber es ist richtig, dass vor allem auch Freiräume in Berlin erhalten bleiben müssen, Künstler dürfen nicht Opfer bürokratischer Hürden und Entscheidungen werden. Das wäre das Ende der Kulturmetropole Berlin.

CCB Magazin:Ich danke für dieses Gespräch.


Weitere Infos unter:  www.noisy-musicworld.com

Portfolio von noisy academy auf Creative City Berlin

Rubrik: Wissen & Analyse

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