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Jörg Beckmann: „Das Crowdfunding war für mich ein Mittel, um endlich mal das zu machen, was ich wollte“

Jörg Beckmann: „Das Crowdfunding war für mich ein Mittel, um endlich mal das zu machen, was ich wollte“
Foto: © Jörg Beckmann

Jörg im Vordergrund, die Hose im Hintergrund: Jörg Beckmann brauchte eine wasserfeste und atmungsaktive Anzugshose, jetzt hat er eine - er hat sie selbst hergestellt. Finanziert hat er die Produktion über das Crowdfunding.

Jörg Beckmann ist studierter Wirtschaftswissenschaftler und hat die Hose an: Er war auf der Suche nach einer wasserfesten und atmungsaktiven Anzugshose, fand aber keine. Darum hat er sie selbst hergestellt. Finanziert hat er die erste Kollektion über Crowdfunding, jetzt soll die zweite Serie folgen, sein Label nennt er Slik 17. Wir trafen den Hosemacher im Betahaus, um mit ihm über Für und Wider des Crowdfundings als Finanzierungstool für eine textilhaltige Geschäftsidee zu sprechen.

 

INTERVIEW   JENS THOMAS 

 

CCB Magazin: Hallo Jörg, eine schöne Hose hast du an.

Jörg: Haha ja, das ist meine eigene Hose, die hab ich sogar selbst hergestellt!

CCB Magazin:Warum fertigst du Hosen an, es gibt doch schon genug Hosen auf dieser Welt?

Jörg:Ja bestimmt (lacht), aber es gab nicht die Hose, die ich brauche. Ich fahre unheimlich gerne Fahrrad, aber ich brauchte eine Hose, die zum einen aussieht wie eine Anzugshose, zum anderen wasserabweisend und atmungsaktiv ist. So etwas habe ich nicht gefunden. Darum hab ich sie selbst hergestellt.

CCB Magazin:Wie bist du vorgegangen? Du bist kein gelernter Designer, sondern studierter Kaufmann und arbeitest im Akustikbereich.

Jörg:Am Anfang war die Idee und ich habe nur zum Spaß recherchiert. Ich dachte mir, so etwas muss es doch geben. Dann sagte ich mir, man könnte die doch selbst herstellen. Also habe ich nach Herstellern gesucht und einen gefunden, der den passenden Stoff für mich hatte. Im Anschluss bin ich zu einer Näherei gegangen, zu einem Nähstudio in Neukölln, das ist ein EU gefördertes Projekt. Ich dachte mir, wenn ich schon mal etwas Eigenes herstelle, dann soll es auch für einen guten Zweck sein. In diesem Nähstudio werden Leute ausgebildet, die auf dem Arbeitsmarkt so keine Chance mehr haben.

Foto: © Slik17.

CCB Magazin:Was ist das Besondere daran, dass du Dinge in Eigenregie herstellst?

Jörg:Für mich ist das Selbstherstellen einer eigenen Hose eine Art Korrektiv für mein bisheriges Leben. Schon zuvor hatte ich ein Produkt ins Leben gerufen, einen Absorber, der einen Raum akustisch leiser macht und zum Einsatz kommt in Tonstudios und Meetingräumen. Dafür hatte ich mein bisheriges Berufsleben aufgegeben: Ich bin studierter Kaufmann und habe zunächst den klassischen Weg eingeschlagen: Ich habe ein paar Jahre bei BASF gearbeitet, dann beim Softwareunternehmen Steinberg in Hamburg, die Musiksoftware herstellen. Später bin ich nach Berlin gegangen zu einem Konkurrenzunternehmen, zu Native Instruments in der Schlesischen Straße. Das alles hat mich aber nicht erfüllt. Darum habe ich mich vor zwei Jahren selbstständig gemacht. Und die Hose war im Grunde nur noch letzte Konsequenz: Ich habe eine Marktlücke entdeckt und sie gefüllt. 

Für mich ist das Selbstherstellen der eigenen Hose eine Art Korrektiv für mein bisheriges Leben

CCB Magazin:Du hast die erste Hosenproduktion über das Crowdfunding finanziert. Warum über das Crowdfunding?

Jörg:Zunächst hatte ich mir nur meine eigene Hose hergestellt, ein einziges Stück. Ich war so happy! Eines Morgens saß ich dann mit meinem Kollegen Julian in einem Café und meinte, „so guck mal hier, ich hab mir so ne Hose machen lassen, atmungsaktiv, schmutzabweisend, wasserabweisend, hautfreundlich. Die hält zig Jahre und hat einen ökologischen Fingerabdruck, die Fasern färben auch nicht aus. Was meinst Du?“ Julian guckte mich an und sagte: „Mensch, da machen wir eine Kollektion draus!“. Ja klar, aber wie? Schließlich wollte ich keine 10.000 € vorstrecken. Eine Option war, dass wir einen Businessplan schreiben und zur Bank gehen. Da gehört aber Marktforschung dazu, Finanzplanung. Julian und ich wussten auch beide wie lange so etwas dauert, weil wir das für unsere beiden Geschäfte bereits gemacht hatten. Dann fiel uns das Crowdfunding ein, wir haben recherchiert und sind auf Startnext gestoßen. Bis dato kannten wir nur Kickstarter aus den USA. Und Startnext fanden wir gleich interessant, weil sie keine feste Gebühren für erfolgreich finanzierte Projekte im Bereich reward based Crowdfunding nehmen. Jeder entscheidet also, was er geben will. Zudem war Startnext hier vor Ort in Berlin und nicht wie Kickstarter in den USA. Man hätte also mit dem Rad und der Hose vorbeifahren können.

CCB Magazin:Wie ging es dann weiter? Wie lief der Prozess des Crowdfundings ab?

Jörg:Zunächst haben wir uns gefragt: Will eine solche Hose überhaupt jemand haben? Dazu habe ich mich zunächst in meinem Freundeskreis umgehört und alle waren begeistert, alle wollten eine solche Hose. Dann sind wir zu Startnext gefahren und wurden „abgeklopft“. Wir mussten 12 Fragen beantworten, warum wir das machen wollen und mit welchem Ziel. Das fanden wir auch gut, denn so fragt man sich selbst noch einmal: Was wollen wir eigentlich damit? Im Grunde ist das auch ein Businessplan in klein. Und für die Crowdfunding-Plattform ist das so etwas wie eine Filterfunktion: Macht das Sinn, was die da wollen? Sollte man ein solches Projekt auf die Welt loslassen? Dann haben wir ein Video produziert, das hat den ganzen Tag gedauert. Da muss man sich noch mal überlegen: Was erzähle ich wie? Im Anschluss haben wir zwei Tage geschnitten, mit Titeleinblendung, haben alles hochgeladen und mussten zum Schluss noch Fans sammeln. 100 Fans brauchten wir auf Startnext in der sogenannten „Startphase“. Diese Startphase gibt es nur auf Startnext, erst danach beginnt das Funding. Beim Funding hatten wir eine Zielsumme von 12.000 € angestrebt. Eine Hose kostete 129 €, 100 Stück wollten wir produzieren.

CCB Magazin:Wer waren Eure Supporter?

Jörg:Unsere Fans waren anfänglich nur Leute aus unserem Bekanntenkreis, dann kamen noch Leute über Facebook, Twitter und der Startnext-Plattform. Als wir die Fans zusammen hatten, wurde es erst richtig spannend. Denn unverbindlich kann ja jeder sagen, „hey geil, Schulterklopfen und so, ich bin dabei“. Aber ob dann auch Geld fließt? Zunächst waren es auch nur fünf zahlende Freunde, doch danach kamen Leute, die wir schon gar nicht mehr kannten. Das fand ich total spannend. Schließlich hat uns auch noch Johnny Häusler vom Spreeblick-Blog gefeatured in einem Tweet. Das hat mich sehr gefreut. Im Anschluss kamen gleich nochmal 10 Bestellungen rein. An einem Donnerstagabend, als die Fundingphase auslief, waren es plötzlich 98 Hosen: Ich habe mit meinem Kollegen Julian telefoniert und gesagt, „ey, das kann doch nicht sein, wir haben gesagt 100 Hosen, jetzt sind wir bei 98“. Dann aber, plötzlich um halb 11, machte es zack, die 100te Hose. Das feiere ich bis heute.

CCB Magazin:Was passierte im Anschluss?

Jörg:Wir haben den Schnitt noch verfeinert und uns entschieden, zusätzlich eine Handytasche mit einzubauen. Das ist eine Stoffschicht mehr, wo man ein iPhone mit einem Display von 3,5 bis 4,5 Zoll reinpacken kann. Dann haben wir den Stoff bestellt und den Auftrag an die Näherei erteilt. Mittlerweile sind alle 100 Hosen bei den Leuten angekommen.

CCB Magazin:Warum überlegst du dir nicht, deinen bisherigen Job aufzugeben und es mit deinem Modelabel, Slik 17, zu versuchen?

Jörg:Das wäre natürlich eine interessante Sache. Julian und ich starten jetzt bald ein zweites Crowdfunding, um einerseits die vielen Interessierten zu bedienen, die das erste Crowdfunding verpasst haben, und um andererseits zu testen, ob die Nachfrage weiterhin ungebrochen ist. Läuft alles erfolgreich, schauen wir weiter. Eine Frage hierbei ist auch: Können wir eine größere Nachfrage nach den gleichen sozialen und ökologischen Kriterien weiter produzieren? Steigt die Nachfrage, steigen die Abhängigkeiten, will man dieser Nachfrage nachkommen. Vermutlich bräuchten wir einen Premium-Aufschlag für ökologisch standardisierte Hosen. Wer ausschließlich sozial und ökologisch produzieren will, bezahlt einen höheren Preis. 

Das Crowdfunding hat uns geholfen, einfach mal mit einer Idee loszulaufen

CCB Magazin:Das klingt so, als käme man beim Crowdfunding an Grenzen, um ein Business-Modell umzusetzen.

Jörg:Ja, so ist es. Das Crowdfunding hat uns vor allem geholfen, einfach mal mit einer Idee loszulaufen, ohne ein Risiko einzugehen. Für mich persönlich war es auch ein Mittel, um endlich mal das zu machen, was ich wollte: eine Hose. Aber das Crowdfunding schafft keinen Job und keine Arbeitsplätze. Es ist lediglich ein Mittel, um sich auszuprobieren und um seine Idee einmal zu testen. Sicher, vielleicht ergeben sich daraus neue Wege, neue Möglichkeiten. Man überdenkt sein eigenes Tun, mache ich wirklich das richtige im Leben? Es ist auch ein Marketinginstrument für eine Idee, an die man glaubt. Im Anschluss kann das auch eine Risikokapital-Anwerbung sein, will man beispielsweise einen Geldgeber von seiner Idee überzeugen, um das Geschäft wachsen zu lassen. Dann hat man aufgrund des Fundings den Beweis, dass die Idee durchaus Abnehmer findet.

CCB Magazin:Ihr wollt ein zweites Funding auf Startnext machen. Wie hoch wird die Auflage diesmal sein?

Jörg:Diesmal senken wir die Mindestmenge auf vermutlich 40 Hosen, damit die Produktion schneller starten kann. Nach oben setzen wir mengenmäßig keine Grenze. Und wir haben jetzt auch zwei Farben, grau und schwarz. Und wer weiß, vielleicht wird daraus doch noch ein Geschäftsmodell. Ausschließen darf man heute nichts.

CCB Magazin:Jörg, vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg.


Weitere Infos zu Slik 17
     
 

Rubrik: Innovation & Vision

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