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Jörn Kunst: „Wir binden die Personen ein, die später das Portemonnaie aufmachen sollen“

Jörn Kunst: „Wir binden die Personen ein, die später das Portemonnaie aufmachen sollen“
Foto: © Welcome Investment

Ist das Kunst? Ja, das ist Jörn Kunst, Geschäftsführer von Welcome Investment, im Gespräch mit Creative City Berlin

Welcome Investment ist eine neue Crowdinvesting-Plattform aus Berlin, auf der die Nutzer entscheiden, welches Unternehmen zum Crowdinvesting zugelassen wird. Eine neue Art der Beteiligung? Welche konzeptionelle Überlegung steckt dahinter? Wir sprachen mit Geschäftsführer von Welcome Investment, Jörn Kunst.

 

INTERVIEW  JENS THOMAS

 

CCB Magazin: Hallo Jörn, Welcome Investment ist im April 2014 mit dem ersten Crowdinvesting-Projekt gestartet. Im Gegensatz zu anderen Crowdinvesting-Plattformen tritt die Crowd auf Welcome Investment als Entscheider auf. Nicht das Portal, sondern die Nutzer entscheiden, welche Unternehmen in die Finanzierungsphase kommen. Was wollt ihr damit erreichen?

Jörn Kunst: Auf den aktuellen Crowdinvesting-Plattformen müssen sich Startups mit einer Art Businessplan bewerben. Das wollen wir nicht und gehen einen anderen Weg: Wir binden die Personen in den Bewertungsprozess mit ein, die später auch das Portemonnaie aufmachen sollen. Wir prüfen zum Schluss nur noch die rechtlichen Rahmenvoraussetzungen und schließen die notwendigen Verträge mit den Startups ab.

CCB Magazin: Wie genau kann die Crowd auf Welcome Investment entscheiden, welche Startups in die Finanzierungsphase kommen?

Jörn Kunst:Zuerst muss das Startup unseren allgemeinen Voraussetzungen entsprechen, damit es sich bei uns listen kann. So schließen wir zum Beispiel Unternehmungen aus dem Bereich Gold- und Silberminen und auch die aus, die Immobilien mit dem eingesammelten Geld finanzieren möchten. Stimmen die Voraussetzungen, kann sich das Startup auf Welcome Investment registrieren und das Projekt anlegen. Ist das Projekt fertig, wird es freigeschaltet und es geht los - ab dann kann die Crowd für das Projekt voten, alles ohne Kosten und wenn notwendig, mit voller Unterstützung auch von unserer Seite. Erst wenn ausreichend Votes erreicht wurden, kann das Startup auch zum Crowdinvesting zugelassen werden.

CCB Magazin: Viele Crowdinvesting-Plattformen sehen den Selektionsprozess durch ein eigenes Team im Vorfeld als eine Art Qualitätssicherung. Was hast du dem entgegenzusetzen?

Jörn Kunst:Eine funktionierende Qualitätssicherung durch einzelne Personen gibt es meiner Meinung nach nicht. Und ob die Entscheider die notwendigen Fachkenntnisse haben, die vielfältigen Konzepte bewerten zu können, darf stark angezweifelt werden. Wenn dem so wäre, würde es keine Insolvenzen von Unternehmen geben, die zum Beispiel über VC-Gesellschaften, Banken, Business Angels usw. finanziert wurden. Ich sehe das so: Durch die Selektion im Vorfeld wird sehr vielen guten Startups die Möglichkeit genommen, sich über Crowdinvesting finanzieren zu können. Und das Voting-Verfahren ist auch eine Qualitätssicherung: Kommt eine ausreichende Anzahl an Votes zusammen, ist die anschließende Finanzierungswahrscheinlichkeit sehr groß. Letztendlich muss das Produkt auf dem Markt angenommen werden und das wird bereits über das Voting festgestellt. Zugleich ist die Voting-Phase eine wunderbare Möglichkeit für Startups, erstes Feedback zu erhalten. Dadurch ist ein sehr früher „Proof of Concept“ der Geschäftsidee möglich. 

Das Crowdinvesting verändert derzeit die gesamte Investmentbranche

CCB Magazin: Die Beteiligungsform auf Welcome Investment ist ein „partiarisches Nachrangdarlehen“. Was sind Vor- und Nachteile dieser Finanzierungsform, sowohl für Startups, die Investoren suchen, als auch für Investoren, die in Unternehmen investieren wollen?

Jörn Kunst:Die Beteiligungsform „partiarisches Nachrangdarlehen“ ist zunächst der Rechtslage in Deutschland geschuldet und als Vertragswerk leider sehr komplex. Der Vorteil für Investoren liegt in dem Vertrag darin, dass man langfristig an dem Gewinn und der Wertsteigerung des Unternehmens beteiligt wird. Und damit kommt das Darlehenskonstrukt einem klassischen Investment schon sehr nahe. Aber, jedes Investment über ein Crowdinvesting stellt Risikokapital dar und kann im schlimmsten Fall komplett verloren gehen. Wir informieren darüber auf jeder Projektseite, um die Investoren größtmöglich zu schützen. Der Vorteil beim partiarischem Nachrangdarlehen ist hingegen, dass Unternehmen keine Beschränkung im Kapitalbedarf haben. Daher eignet sich diese Form auch gut für die Kapitalsuche über 100.000 Euro. Auch ist das eingesammelte Geld „Eigenkapital ähnlich“, was die Aufnahme weiterer Gelder – auch über Banken, Fördereinrichtungen oder auch VC-Gesellschaften – möglich macht.

CCB Magazin: Der Crowdinvesting-Markt hat sich vor allem in den letzten Jahren dynamisch entwickelt. Die aktuellen Zahlen des Crowdfunding-Monitors von Für Gründer.de belegen, dass Startups seit 2011 über 22 Mio. Euro auf deutschen Plattformen einsammeln konnten. Im letzten Jahr wuchs der Crowdinvesting-Markt gegenüber 2012 sogar um 250 Prozent. Marktführend sind derzeit die Plattformen Seedmatch und Companisto, die mittlerweile einen Marktanteil von 80 Prozent haben. Wie siehst du diese Entwicklung?

Jörn Kunst:Seedmatch und Companisto machen ihren Job gut und bringen das Thema Crowdinvesting dadurch sehr gut in die Köpfe. Das Potential ist jedoch um ein Vielfaches größer und genau da setzen wir mit unserem offenen Ansatz an. Ich bin davon überzeugt, dass mindestens 50 Prozent der Unternehmen, die bei den beiden Wettbewerbern abgelehnt wurden, es wert sind, sich über Crowdinvesting zu finanzieren. Hinzu kommen all die Startups, die aus den Bereichen kommen, die im Vorfeld bei Seedmatch und Companisto bereits ausgeschlossen werden.

CCB Magazin: In welche Richtung wird sich der Crowdinvesting-Markt deiner Meinung nach weiter entwickeln?

Jörn Kunst:Das Crowdinvesting verändert derzeit die gesamte Investmentbranche. Wenn sogar die konservativen Banken beginnen, Pläne zu entwickeln, wie das Crowdinvesting als Proof of Concept für Bankenfinanzierungen genutzt werden kann, tut sich wirklich etwas. Ich sehe das Thema als Revolution in der Investmentkultur weltweit an. Und auch die Politik befasst sich derzeit mit dem Thema. Ich bin sehr gespannt, was dabei herauskommen wird. Mein größter Wunsch wäre, dass Möglichkeiten geschaffen werden, EU-weit oder sogar international nach Kapital suchen oder einheitlich investieren zu können. Grenzübergreifendes Crowdinvesting ist die Zukunft.

CCB Magazin: Jörn, vielen Dank für dieses Gespräch.


Das Profil von Jörg Kunst auf Creative City Berlin.

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