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„Wir wollen Afrika auf die Weltkarte der globalen Tech-Community setzen“

„Wir wollen Afrika auf die Weltkarte der globalen Tech-Community setzen“
Foto: © AfrikaHackTrip

Foto: Das AfrikaHackTrip-Team

In den letzen Jahren ist in Ost-Afrika eine regelrechte Tech-Community und Kreativ-Szene entstanden. Ein Team von Designern und Entwicklern hat sich nun auf Spurensuche begeben und will einen Film darüber machen - AfrikaHackTrip lautet das Projekt. Finanziert wird es über Crowdfunding auf Indiegogo. Wir sprachen mit Gregor vom AfrikaHackTrip-Team.

 

INTERVIEW  JENS THOMAS

 

CCB Magazin: Hallo Gregor, ihr seid ein Team von Designern und Entwicklern aus Europa und wollt einen Film über die Tech Community und Kreativszene in Ost-Afrika machen. Why?

Gregor: Alles begann mit einem Tweet 2012, mit der Frage, ob wir nicht mal einen Trip durch die Afrikanischen Tech Hubs, also durch Coworking Spaces, Inkubatoren und ähnliches, machen wollen. Zuvor hatte ich einen Artikel von Erik Hersman über Hubs in Africa gelesen und eine Karte dazu gefunden. Ich war beeindruckt, wie sich die Szene Ost-Afrika entwickelt hat, ich aber gleichzeitig noch nie mit afrikanischen Designern und Programmierern zusammen gearbeitet habe - obwohl ich als freiberuflicher Programmierer tagtäglich in Projekten mit weltweit verteilten Teams arbeite. Dann haben wir den Trip geplant und sind auf Reise gegangen. Das war letztes Jahr im September/Oktober. 

CCB Magazin:Daraus soll nun ein Film werden. Was wollt ihr aufzeigen?

Gregor:Wir wollen Afrika auf die Weltkarte der globalen Tech-Community setzen. Die Geschwindigkeit, mit der sich die Tech-Industrien in Ost-Afrika entwickeln, ist enorm – und das Momentum wird sich nicht verlangsamen, wenn die Leute in Ost-Afrika unsere Standards erreicht haben. Die großen Konzerne wie Samsung, Google und IBM haben das erkannt und profitieren schon jetzt von der hohen Zahl an jungen, gut ausgebildeten Fachkräften. Man spricht auch von “Neo-Kolonialismus” — auch dem wollen wir mit unserem Film entgegenwirken. Wir wollen vermeiden, dass Talente künftig nur noch den großen Konzernen zu Gute kommen. Darum wollen wir den Austausch auf der Community- Ebene etablieren, generische Lösungen & Technologien austauschen und Ressourcen teilen. 

Die Geschwindigkeit, mit der sich die Tech-Industrien in Ost-Afrika entwickeln, ist enorm

CCB Magazin:Wie würdest du die Kreativ-Szene und Tech-Community in Ost-Afrika beschreiben? Wie unterscheidet sie sich von der aus Europa oder auch gezielt von der aus Berlin? 

Gregor:Zunächst ist die Community in Ost-Afrika wesentlich kleiner. Und es gelten noch andere Prämissen: Freiheit und freie Entfaltung, was für uns heute als selbstverständlich gilt, ist in Ost-Afrika noch immer ein Privileg. Vieles ist komplizierter dort: Studenten können beispielsweise oftmals nur studieren, wenn sich die gesamte Familie finanziell beteiligt. Zugleich gehen die meisten jungen Talente schon jetzt in die Tech-Industrie, die Tech-Industrie steht ganz oben auf der politischen Agenda. Insgesamt entwickelt sich in Ost-Afrika ein Markt, vom dem wir schon jetzt lernen können: Kenya zum Beispiel ist weltweit führend im Bereich mobile payment. Die Verbreitung und Nutzung über alle Altersgrenzen hinweg ist enorm. Ich könnte mir vorstellen, dass schon bald viele Produkte für den Bildungsbereich aus Afrika kommen, weil es keine Altlasten in Form von überholten und mächtigen Institutionen gibt, wie große Schulbuchverlage.

CCB Magazin:Die Entwicklung von Kreativszenen in den Industriestaaten setzt nahezu immer analog ein zur Urbanisierung, was meist Verteuerungen in den Zentren nach sich zieht, Stichwort Gentrifizierung. Wie ist das in Ost-Afrika?  

Gregor:Natürlich entwickeln sich Kreativszenen zunächst in großen Städten, oftmals im Umfeld von Universitäten. Im Gegensatz zu anderen Industrien und Branchen bedarf es in der Kreativ- und Tech-Szene aber nur sehr wenig Infrastruktur. Das ist auch in Ost-Afrika so. Das Internet und “Orte der Begegnung” sind dort alles, was man braucht, um interessante Kollaborationen entstehen zu lassen. In Ost-Afrika ist schnelles Internet seit einigen Jahren verfügbar. Und auch dort entwickelt sich mittlerweile so etwas wie eine Kreativ-Szene, zum Beispiel in Kampala. Dort gibt es viele ausgefallene Cafés, kombiniert mit Shops von Artists und Ähnlichem. Kampala ist eine große Universitätsstadt. Oder in Nairobi: Hier entstehen Business-Strukturen, die Leute sind dort sehr geschäftstüchtig. Ein Gegenbeispiel ist Kigali: Die Hauptstadt und größte Stadt Ruandas weist gar keine Strukturen einer Kreativwirtschaft auf und hat auch wenig kulturelle Angebote. Das hängt wohl noch immer mit dem Genozid zusammen, der sich just in diesem Jahr zum 20. Mal gejährt hat. Aber wir haben ein paar Leute getroffen, die die Kreativ-Szene auch dort aktiv vorantreiben wollen, vor allem Jon Stever vom theoffice.rw. Mit seinen Worten: “If you want experience in Rwanda, you have to create it”. 

Foto: AfrikaHackTrip.

CCB Magazin:Die Entwicklung einer Kreativszene ist in den Industriestaaten immer auch Ausdruck von Individualisierung und Selbstthematisierung. Zugleich sind die kreativen Branchen geprägt von Prekarisierung, einem hohen Anteil an Solo-Selbständigen und unsicherer Beschäftigungsstruktur. Wie ist das in Ost-Afrika? Sind dort ähnliche Tendenzen einer Individualisierung erkennbar und wie entwickeln sich die Beschäftigungsverhältnisse vor Ort?

Gregor:Der Entwicklungsstand in Ost-Afrika erinnert mich an das, was ich in Deutschland vor ungefähr fünf bis sieben Jahren erlebt habe: Der Nutzen des Teilens mit anderen ist unklar, der Nutzen von kostenloser und freier Software wird noch angezweifelt. Die Kreativen gehen noch überwiegend protektionistisch mit Ihren Ideen um. Sie haben Angst, dass andere sie stehlen könnten oder ihnen ein Nachteil daraus entsteht. Zugleich schreitet auch dort die Zahl der Selbständigen voran, Startups und internationale Konzerne entstehen  — wie auch bei uns, nur weniger in der Zahl. Nigeria liegt derzeit in Ost-Afrika an der Spitze, gemessen an der Zahl an Unternehmern in Relation zur Einwohnerzahl.

Freiheit und freie Entfaltung ist in Ost-Afrika noch immer ein Privileg

CCB Magazin:Ihr wollt eure Kampagne über ein Crowdfunding auf der Plattform Indiegogo finanzieren. Warum das Crowdfunding? Warum Indiegogo?

Gregor:Das Besondere am Crowdfunding ist, dass Kreative auf der einen und potentielle Nutzer auf der anderen Seite direkt miteinander verbunden werden - am Markt und allen Mittelsmännern vorbei. Es treibt Innovation voran, weil man nicht nur das liefert, was der Markt abverlangt – Geld. Das Crowdfunding ist ein großartiges Marketing- und Community-Tool, es geht um Kommunikation und Vernetzung. So konnten auch wir direkt Kontakte in der Tech-Community nutzen und um Unterstützung bitten. Und Indiegogo haben wir gewählt, weil es hier ein flexibles Funding gibt, das heißt, wir können das Geld auch behalten, wenn wir unsere Zielsumme nicht erreichen, auch wenn wir dann mehr Provision zahlen. 

CCB Magazin:Welche Rolle spielt das Crowdfunding speziell für die Umsetzung eures Vorhabens?

Gregor:Wir nutzen die Crowdfunding-Kampagne nicht für ein kommerzielles Produkt, wir wollen nicht einfach einen nur Film „auf den Markt bringen“. Wir wollen Aufschluss über unsere Arbeit, ein freiwilliges Projekt, geben, von dem wir überzeugt sind, das es einen hohen Nutzen für die Community hat. Gäbe es kein Crowdfunding, wäre es für uns die einzige Möglichkeit, größere Unternehmen zu bitten, uns zu unterstützen. Das wollten wir bewusst vermeiden, denn das führt schnell zu Abhängigkeiten und Ausbeutung für Image-Kampagnen der Firmen. Und zur Umsetzung unseres Vorhabens eignet sich ein Film besonders gut: Er kann schnell von der Community geteilt und verbreitet werden.

CCB Magazin:Du betonst die Vorzüge von Kollaboration und Vernetzung. Ein Film muss aber auch finanziert werden. Was könnt Ihr über das Crowdfunding abdecken und wie finanziert ihr euch?

Gregor:Wir nutzen das Crowdfunding nur für die Produktion des Filmes, dafür benötigen wir 5.000 Euro. Zur Finanzierung der Miete und Verpflegung haben wir auch einen Sponsor mit ins Boot geholt, aber eben nicht irgendeinen, sondern jemanden, der ein gutes Standing in der Community hat und uns keinerlei Auflagen macht. Ich könnte mir vorstellen, dass wir für zukünftige Trips noch mehr mit Partnern zusammenarbeiten, aus dem einfachen Grund, weil viele Organisationen auf uns zugekommen sind.

Es gibt bereits erste Projekte aus Afrika, die auch vom Crowdfunding-Trend profitieren

CCB Magazin:Wie wurde denn das Crowdfunding von der Community in Ost-Afrika aufgenommen? Ist das Crowdfunding dort überhaupt schon bekannt?

Gregor:Es gibt bereits erste Projekte aus Afrika, die auch vom Crowdfunding-Trend profitieren. Ein Positiv-Beispiel ist BRCK (brck.net), das im Juni 2013 170.000 $ auf Kickstarter eingesammelt hat. Ansonsten steckt das Crowdfunding dort noch in den Kinderschuhen. Ich könnte mir aber vorstellen, dass afrikanische Crowdfunding-Plattformen künftig durchaus ein Erfolgsmodel sein können, gerade weil die Barriere für kleine Geld-Transaktionen viel geringer ist und es in Ost-Afrika mittlerweile normal ist, alles mit dem Handy zu bezahlen. Und die Resonanz auf unsere Kampagne ist bisher auch durchweg positiv. Vor allem Leute, die uns direkt kennen oder über andere Kanäle von uns gehört haben, unterstützen unsere Crowdfunding Kampagne. Die meisten Unterstützer kommen aber über die bereits existierenden Kanäle, viele sind auch direkt aus unserem eigenen sozialen Umfeld. 

CCB Magazin:Gregor, wie geht es mit euch nach dem Projekt weiter?

Gregor:Wenn wir die Dokumentation fertiggestellt haben, werden wir wohl noch aktiver auf verschiedene Konferenzen reisen, um für mehr Bewusstsein für die afrikanischen Tech-Communities zu sorgen. Im Herbst diesen Jahres kommen aber erst einmal Afrikaner nach Europa: eurohacktrip.org. Das freut uns sehr. Zugleich arbeiten wir an verschiedenen Projekten. Als Beispiel sei eine Kooperation zwischen der Kigali Firma HeHe Ltd., BRCK und Hoodie, einem Open Source Projekt aus Berlin, genannt. Mit diesem Projekt wollen wir an allen High Schools in Rwanda sogenannte Tech-Schools einrichten, um Schülern vor Ort das Programmieren beizubringen und sie zu ermächtigen, direkt vor Ort Software-Lösungen für lokale Projekte zu entwickeln. Und natürlich können wir uns vorstellen, unseren AfrikaHackTrip zu wiederholen.

CCB Magazin:Gregor, viel Spaß dabei.

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