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„Bei uns zählt jeder Euro“

Schwerpunkt Crowdfunding für Institutionen

„Bei uns zählt jeder Euro“
Foto: © Mila Hacke

Da steht es: Das Amerika Haus.

C/O Berlin ist die zentrale Anlaufstelle für Fotografie in der Stadt - und gerade umgezogen: Jahrelang war das C/O Berlin im Postfuhramt in Berlin-Mitte beheimatet, jetzt ist das Ausstellungshaus ins Amerika Haus nach Charlottenburg gezogen. Derzeit wird das Gebäude vom Land Berlin denkmalgerecht umgebaut und saniert. Der Innenausbau soll hingegen in Teilen über Crowdfunding finanziert werden - in einer Höhe von 100.000 Euro auf der Plattform startnext. Warum hat man sich für ein Crowdfunding entschieden? Ist es überhaupt sinnvoll, ein solches Vorhaben über ein Crowdfunding zu finanzieren? Und was passiert, wenn das Fundingziel nicht erreicht wird? Wir haben mit Stefanie Kinsky von C/O Berlin gesprochen.  

 

INTERVIEW  JENS THOMAS

 

CCB Magazin: Hallo Stefanie, im März 2013 ging im Postfuhramt in Berlin-Mitte für das C/O Berlin endgültig das Licht aus. Jetzt zieht das C/O ins Amerika Haus und plant den Neustart des pri­vaten, international renommierten Ausstellungshauses über ein Crowdfunding zu finanzieren. Warum habt ihr euch für ein Crowdfunding entschieden?

Stefanie Kinsky: Das Crowdfunding als Finanzierungsmodell ist für uns eine wichtige Ergänzung zu Sponsoring und Spenden. Die Gründung von C/O Berlin geht zurück auf das private Engagement der drei Gründer des C/O Berlin, die einen Ort für Fotografie in Berlin schaffen wollten. Seit der Gründung gab es immer wieder viele Menschen, die unsere Arbeit unterstützt haben - sei es durch Geld oder einfach durch ihr Engagement. Jetzt wollen wir, dass jeder unserer Fans und Freunde den Aufbau des neuen Standortes mittragen kann. Beim Crowdfunding zählt jeder Euro – das hat uns überzeugt.

CCB Magazin:Ihr habt eure Kampagne mit 100.000 Euro angesetzt. Der Durchschnittswert einer erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne liegt derzeit in Deutschland bei 6.117 Euro. Habt ihr Angst, dass Ihr scheitert?

Stefanie Kinsky:Crowdfunding als Finanzierungsmethode ist unter deutschen Kulturinstitutionen sicher noch ein neuer Weg. Auch für uns ist das ein Experiment. Angst haben wir nicht – sonst hätten wir die monatelange Vorbereitung gar nicht durchgehalten. Wir vertrauen darauf, dass unsere Fans viele kleine Beiträge zusammentragen, die zusammen diese große Fundingsumme ergeben. 

Crowdfunding ist als Finanzierungsmethode unter deutschen Kulturinstitutionen noch ein neuer Weg

CCB Magazin:Beim Crowdfunding werden in der Regel Produkte, Geschäftsideen oder zeitlich begrenzte Projekte finanziert. Ihr wollt den Innenausbau des Amerika Hauses mit Klima- und Sicherheitstechnik, Bodenbelägen, Ausstellungswänden, Vitrinen und Be­leuchtung über ein Crowdfunding finanzieren. Was passiert, wenn ihr das Fundingziel nicht erreicht?

Stefanie Kinsky:Falls wir das nicht schaffen, können wir den Innenausbau eben nur in einer „Sparvariante“ umsetzen, das heißt, nicht mit der Qualität, die wir unseren Besucherinnen und Besuchern eigentlich bieten wollen. Das bedeutet zugleich, dass wir beispielsweise auf neue Projektionstechniken oder bestimmtes Equipment verzichten müssen. Das wäre schade, da wir im Amerika Haus auch die Qualität unseres Programmes noch einmal verbessern möchten. Denn wir wollen künftig mehr Ausstellungen und auch empfindliche Fotoarbeiten zeigen, die uns Leihgeber wegen des eher maroden Postfuhramtes gar nicht zur Verfügung gestellt hätten.

CCB Magazin:Der Großteil der Summe – der denkmalgerechte Umbau und die Sanierung des Amerika Hauses – wird derzeit vom Land Berlin übernommen. Inwiefern deckt ihr mit dem Crowdfunding nur einen Teilbetrag ab, den ihr euch in der Endsumme eigentlich vom Senat erhofft habt?

Stefanie Kinsky:Wir decken in der Tat nur einen Teil der Kosten ab, den wir mit dem gesamten Umbau haben, wenn wir unser Fundingziel von 100.000 Euro erreichen. Das Land Berlin übernimmt als Eigentümer des Amerika Hauses die grundsätzliche Ertüchtigung des Gebäudes. Dazu zählen zum Beispiel, dass barrierefreie Zugänge eingerichtet werden und der Brandschutz ordentlich umgesetzt wird. Welche Summe das Land aber schlussendlich investiert, wissen wir selber nicht. Wir als Mieter müssen nun auf jeden Fall die zweite Bauphase stemmen. Das heißt, dass wir unter anderem Klimatechnik und die Beleuchtung komplett allein finanzieren müssen. Von der Stadt bekommen wir in dieser Bauphase keine finanzielle Unterstützung, insgesamt werden wir auch nicht als Institution von der Stadt gefördert, es werden nur einzelne Ausstellungsprojekte finanziert. Das alles war uns nach dem Auszug aus dem Postfuhramt vor eineinhalb Jahren klar. Darum haben wir von Beginn an nach alternativen Finanzierungsmethoden gesucht. Das Crowdfunding kann hier nur eine Finanzierungsergänzung sein. Und der Druck ist ziemlich groß. 

CCB Magazin:Crowdfunding lebt von der Unterstützung der Community. Häufig kommen die Unterstützer aus dem eigenen oder unmittelbaren Umfeld. Ihr seid eine renommierte Anlaufstelle für Fotografen. Wer sind eure Unterstützer?

Stefanie Kinsky:Wir wollen natürlich nicht nur Fotografen erreichen, sondern all die Menschen, die in den vergangenen Jahren unsere Ausstellungen besuchten und uns trotz der eineinhalbjährigen Pause die Treue gehalten haben. Und wir hoffen natürlich, dass Menschen auf uns und unser Programm stoßen, die uns noch nicht kannten und sich gerne für ein vielfältiges und vor allem unabhängiges Kulturprogramm in Berlin engagieren wollen.

CCB Magazin:Wie geht Ihr auf eure Zielgruppe zu?

Stefanie Kinsky:Wir nutzen alle Kanäle, die wir haben. In erster Linie natürlich unsere digitalen, wie unsere Webseite, unseren Newsletter, Facebook, Twitter und Co. Zudem haben wir tolle Medienpartner gewonnen. Somit können wir auch in Zeitungen, Zeitschriften oder im Radio auf uns aufmerksam machen. Da haben wir gegenüber Startups den Vorteil, dass wir schon gut vernetzt sind. Ganz besonders stolz sind wir darauf, dass wir viele berühmte Fotografen und Künstler bewegen konnte, ein kurzes Statement per Skype abzugeben, warum sie C/O Berlin unterstützen. Dazu zählen unter anderem Peter Lindbergh, Anton Corbijn und Nan Goldin. 

Der Streueffekt beim Crowdfunding ist immens 

CCB Magazin:Welche Effekte erhofft Ihr euch über das Crowdfunding über die Finanzierung hinaus?

Stefanie Kinsky:Der Streueffekt beim Crowdfunding ist natürlich immens. Ich denke, wir können damit viele Menschen erreichen, die C/O Berlin noch nicht kannten. Vor allem können wir auch klar kommunizieren, dass wir finanzielle Hilfe brauchen und sich C/O Berlin durch Engagement trägt. Darüber hinaus ist Crowdfunding ein wunderbares Instrument, um zu messen, was unsere Besucherinnen und Besucher interessiert – so zum Beispiel, welche Benefits ihnen besonders gefallen und schnell gekauft werden. Außerdem sehen wir ja die Kommentare der Unterstützer direkt auf unserer Startnext-Seite oder auch im Social Web. Bisher gibt es sehr viel positives Feedback und Zuspruch. Uns als Team tut seit dem Auszug aus dem Postfuhramt immer wieder gut, die Meinung derjenigen zu hören, die am Ende unsere Ausstellungen besuchen werden.

Blick zurück: Das Amerika Haus Ende 1950er Jahre (Fotograf unbekannt). Foto: © Bildindex der Kunst und Architektur, Deutsches Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte - Bildarchiv Foto Marburg.

CCB Magazin:Warum habt ihr euch für ein Crowdfunding und kein Crowdinvesting entschieden? Über ein Crowdinvesting könntet ihr Investoren gewinnen.

Stefanie Kinsky:Wir sind eine gemeinnützige Stiftung, kein gewinnorientiertes Unternehmen. Crowdinvesting kam für uns deshalb nicht in Frage. Man kann bei uns Stifter werden oder sich als Sponsor engagieren, aber eben nicht Investor werden. Wir bieten ein kulturelles Programm – das passt mit Gewinnausschüttungen nicht zusammen.

CCB Magazin:Wenn das Crowdfunding erfolgreich verläuft, wie geht es mit dem C/O in Zukunft weiter?

Stefanie Kinsky:Wenn wir das Fundingziel von 100.000 Euro erreichen, dann können wir unsere Vorstellung vom Innenausbau endlich in die Tat umsetzen. Im Herbst wollen wir das Amerika Haus eröffnen – und zwar auf dem Niveau und mit der Qualität, die wir uns vorstellen und die wir unseren Besucherinnen und Besuchern bieten wollen.

CCB Magazin:Stefanie, vielen Dank für dieses Gespräch.

 

Rubrik: Specials

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