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Moritz van Dülmen: „Wir sind die Anwälte der Kultur“

Moritz van Dülmen: „Wir sind die Anwälte der Kultur“
Foto: © Manolo Ty

Heute mal ein Profil der Woche der ganz besonderen Art, hausintern sozusagen: Moritz van Dülmen. Der Geschäftsführer der Kulturprojekte Berlin GmbH. Seit zehn Jahren gibt es die landeseigene Gesellschaft für Kultur. Wie wird man Kulturmanager seines Amtes? Welche Ziele hat man als Geschäftsführer der Kulturprojekte Berlin? Ein Gespräch im vierten Stock in der Klosterstraße 68.
 



CCB Magazin: Hallo Moritz, gestern hatten wir zusammen ein Meeting, jetzt führen wir ein Interview. Fühlt sich das komisch an?

Moritz van Dülmen: Ach nein, überhaupt nicht. Ich bin gespannt.

CCB Magazin: Die meisten Kulturschaffenden werden dich schon kennen, aber erzähl mal: Wer bist du?

Moritz van Dülmen:Ich bin Moritz van Dülmen, Geschäftsführer der Kulturprojekte Berlin GmbH. Geboren bin ich in München, aufgewachsen in Saarbrücken. Seit zehn Jahren leite ich die Kulturprojekte Berlin. Wir sind eine gemeinnützige Landesgesellschaft zur Förderung, Vernetzung und Vermittlung von Kultur. Wir veranstalten stadtweite Großprojekte wie 25 Jahre Mauerfall oder konzipieren und koordinieren Themenjahre und Stadtjubiläen. Zudem sind wir in der kulturellen Bildung tätig, wir haben Beratungsangebote wie den Kulturförderpunkt oder betreiben Plattformen wie das Bühnenportal, Museumsportal oder auch Creative City Berlin.

CCB Magazin: Ja, und nun bist du selbst im Magazin von Creative City Berlin.

Moritz van Dülmen:Ja, endlich (lacht).

CCB Magazin: Die Kulturprojekte ist in diesem Jahr 10 Jahre alt geworden. Wenn du zurückblickst, welches Projekt hat dich in all den Jahren am meisten begeistert?

Moritz van Dülmen:Es gibt sicher nicht „das“ eine Projekt, aber es gibt Projekte, die besonders aufregend, spannend und sicher auch nervenaufreibend waren. Ein ganz besonderes Highlight war definitiv „25 Jahre Mauerfall“ mit unserer Lichtgrenze und den verschiedenen Ausstellungen und Projekten. Das Projekt bedurfte der bislang wohl größten Vorbereitung. Und es hat wahnsinnig Spaß gemacht. Ein ganz besonderes Projekt war auch die Ausstellung „based in Berlin“, die wir 2011 organsierten. Based in Berlin wurde im Rahmen der Kunsthallen-Diskussion veranstaltet, insgesamt waren 80 emerging Artists mit dabei. Das war alles total aufregend, befruchtend und auch kontrovers. Im Anschluss sind viele Initiativen und auch Förderprogramme entstanden. Und die Diskussion über den Kunststandort Berlin hat nicht zuletzt auch die Berlin Art Week mit hervorgebracht. 

CCB Magazin: Ein Vorwurf lautete damals, dass Berlin aus Kunst eine „Leistungsschau“ veranstaltet. Hat dich dieser Vorwurf geärgert?

Moritz van Dülmen:Nein, geärgert hat mich das nicht. Alle Sichtweisen sind legitim. Die Frage war damals ja, ist das gut, wenn der Staat quasi eine Kunstausstellung organisieren lässt? Und braucht Berlin überhaupt eine Kunsthalle? Da prallen natürlich die unterschiedlichsten Ansichten, Argumente und Bedürfnisse aufeinander. Das ist aber ganz normal. Und ehrlich gesagt: Gerade dieses Austarieren von verschiedenen Interessen, um zum Schluss doch sagen zu können, ok, wir machen das jetzt zusammen, das finde ich spannend.

CCB Magazin: Wenn du zurückblickst auf 10 Jahre Kulturprojekte Berlin und auf deine Funktion als Kulturmanager. Wie hat sich die kulturelle Landschaft Berlins seitdem verändert: Wo stand Berlin 2006, wo steht Berlin heute?

Moritz van Dülmen:Das ist natürlich eine ganz subjektive Sicht, aber die ganze Diskussion um die kulturelle Bildung und um Partizipation, an diesem Punkt sind wir entschieden vorangekommen. Auch Gedenkstätten wie Topographie des Terrors oder die Gedenkstätte Berliner Mauer haben sich unglaublich entwickelt, ebenso einzelne Einrichtungen oder Museen wie die Berlinische Galerie. Dann haben wir die Diskussion rund um die freie Szene, die mittlerweile von der Politik wahrgenommen wird. Das hätte man vor Jahren so nicht erwarten können. Als wir vor 10 Jahren gegründet wurden, waren wir im Grunde ein Produkt der Sparpolitik. Seitdem gab es keine sonderlichen Kürzungen mehr. Mit der Ära Wowereit setzte eine Zeit der finanziellen Verstetigung und auch der Investitionen ein. Ich hoffe, es bleibt so. 

Arbeit mit oder „in“ der Kultur bedeutet mir, dass man Leute zusammenführt und dass man Themen aufgreift, die Verbindungen schaffen

CCB Magazin: Was bedeutet dir Kultur ganz persönlich? Hast du eine Vision?

Moritz van Dülmen:Arbeit mit oder „in“ der Kultur bedeutet mir, dass man Leute zusammenführt und dass man Themen aufgreift, die auch Verbindungen schaffen. Und ich hoffe, dass Kultur nicht nur als Dienstleistung für diese Stadt und auch für Dritte verstanden wird. Denn Kultur ist an vorderster Stelle meist auch Kunst. Ich möchte, dass Kultur mit all ihren Freiräumen, ihren Möglichkeiten und Ressourcen, die es für die Kunst und Kultur selbst aber für andere braucht, verstanden wird. Wichtig ist es, den Wert der Kultur als solchen anzuerkennen, unabhängig davon, was Kultur im Stande ist ökonomisch zu leisten. 

CCB Magazin: Dein Vater war ein bekannter Geschichtsprofessor. Inwiefern hat dein Elternhaus, oder speziell dein Vater, deinen Weg in die Kultur mitbeeinflusst?  

Moritz van Dülmen:Natürlich prägt einen das Elternhaus. Mein Vater war und auch meine Mutter ist Historikerin. Und vor allem mein Vater war ein sehr unternehmenslustiger Mensch. Ein Projektemacher. Er hat auch Ausstellungen organisiert. Wenn du das als Kind oder Jugendlicher mitbekommst, dann prägt dich das, ganz klar. Dadurch entsteht eine Grundprägung, die man mitnimmt. Man liegt dann als Kind vielleicht weniger am Strand, sondern ist in Ausstellungen oder auf irgendwelchen Friedhöfen unterwegs. 

CCB Magazin: Ist so etwas als Kind nicht langweilig?

Moritz van Dülmen:Nein, das passierte ja nie unter Zwang, sondern aus freien Stücken. Ich habe das immer als sehr bereichernd empfunden. 

CCB Magazin: Du hast BWL studiert, warum nicht Geschichtswissenschaften? Warum bist du nicht in die Fußstapfen deiner Eltern getreten?

Moritz van Dülmen:In die Fußstapfen der Eltern treten? Das wäre ja so, wie wenn der Sohn die hauseigene Firma oder der Anwaltssohn die Kanzlei des Vaters übernimmt. Das ist ja furchtbar. 

CCB Magazin: War das auch eine Art Abgrenzung aus dem Elternhaus, dass du gerade nicht den Weg deiner Eltern gegangen bist?

Moritz van Dülmen:Vielleicht schon, im Grunde wollte ich einfach etwas Eigenes für mich entdecken. Mathe und Politik, das waren in der Schule meine Interessenfelder bzw. was mir leicht fiel. Und an der Uni wollte ich nicht ewig bleiben. Ich wollte Dinge immer schon konkret und praktisch umsetzen. 

CCB Magazin: Du bringst vor allem geschichtliche Projekte in Form von Großevents an die Öffentlichkeit. Siehst du darin eine Chance, indem man so historische Themen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich macht, oder ist das auch eine Gefahr, dass Kultur zunehmend eventisiert wird?

Moritz van Dülmen:Ich finde das steht in keiner Weise in einer Konkurrenz. Es ergänzt sich sogar. All unsere Projekte sind immer einzelne Bausteine im großen Ganzen, eine Ergänzung zu den Aktivitäten der anderen Einrichtungen wie Gedenkstätten oder Museen und deren kontinuierlichen Angeboten. Mein Ansatz ist der, dass ich mich frage, wie man bestimmte Themen allen zugänglich machen kann. Wie wird also eine Story draus, die auch jeder versteht, ohne, dass jemand gleich ins Museum muss? Ich sage immer, lasst uns das gemeinsam machen, mit allen, nicht in Konkurrenz: Wir sind die Stadt. Wir sind die Schnittstelle. Und ein Event ist eigentlich die beste Form, um auch die „Bildungsfernen“ und die zu erreichen, die sonst nicht auf die Idee gekommen wären, sich damit zu beschäftigen. Wir haben den Anspruch, Populäres mit Niveau zu produzieren und sind daher im Eventgeschäft die Anwälte der Kultur. 

Ich sage immer, lasst uns das gemeinsam machen, mit allen, nicht in Konkurrenz: Wir sind die Stadt. Wir sind die Schnittstelle

CCB Magazin: Kannst du Beispiele bringen?

Moritz van Dülmen:Die Friedliche Revolutions-Ausstellung zum Beispiel 2009/2010. Die haben wir gemeinsam mit der Robert Havemann-Gesellschaft auf dem Alexanderplatz umgesetzt. Da sind die Leute im Schnitt eine Stunde stehen geblieben und haben die ausgestellten Texte gelesen. Oder nimm die Migrationsgeschichten auf dem ehemaligen Schlossplatz, wo wir den Stadtplan auf eine grüne Wiese übertragen haben, um Einwanderungsgeschichten zu erzählen, wie Berlin entstanden ist. Da flanierten die Leute gemütlich mit Eis bei gutem Wetter und mit guter Laune umher. Wenn du so etwas in einem Ausstellungshaus machst, dann wissen wir, welche Leute kommen und welche nicht. Diese Form der „Eventisierung von Kultur“ hat absolut seine Berechtigung. 

CCB Magazin: Wenn du in Zukunft blickst: Wo willst du als Kulturmanager und vor allem mit der Kulturprojekte hin?

Moritz van Dülmen:Ich habe mir diese Frage nie gestellt, wo ich zum Schluss lande. Das, was man sich am Anfang vornimmt, gestaltet sich zum Schluss doch ganz anders. Ich lass mich immer überraschen. Aktuell sind wir zum Beispiel mit unserem Popup-Club in den Städten Warschau, Madrid und Zürich unterwegs. Dort präsentieren wir im Auftrag von visitBerlin und gemeinsam mit Partnern wie Raumlabor, die Berlinische Galerie oder dem Musicboard die Stadt Berlin als Kunst-, Kultur- und Kreativmetropole. In Warschau und Madrid waren wir schon, in Zürich sind wir diese Woche. Und in Zukunft will ich weiterhin die Themen der Stadt anpacken, die uns bewegen, aber auf eine spielerische Art und Weise. 

CCB Magazin: Gerade wurde der neue Senat gewählt. Mit Klaus Lederer wird es einen neuen Kultursenator geben. Was erhoffst du dir davon?

Moritz van Dülmen:Der Stellenwert der Kultur wird sicherlich noch stärker in der gesamtpolitischen Diskussion und im Senat verankert werden. Das ermöglicht einen neuen Blickwinkel. Klaus Lederer ist ja als Kultursenator im Grunde „fachfremd“. Er ist Jurist. Er wird das Feld der Kultur für sich neu entdecken und hier und da einen anderen Blickwinkel haben als seine Vorgänger.

CCB Magazin: Ist das gut oder ist das schlecht, dass ein "Fachfremder" Kultursenator wird?

Moritz van Dülmen:Warten wir es mal ab. Er wird der Kultur auf jeden Fall neue Impulse geben, und das kann auch gut sein, wenn sich jemand unbefangen und nüchtern an neue Themen ran wagt. Und er wird – als Linker – besonders auf Fragen von Teilhabe an und Zugängen zur Kultur achten. Das kann der Stadt nur gut tun. Ich bin zuversichtlich.

CCB Magazin: Moritz, vielen Dank für das Gespräch.

Moritz van Dülmen:Ich danke dir.


 

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