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Alexandra Klatt: „Arm aber sexy nervt“

SCHWERPUNKT NEUES DESIGN-FESTIVAL

Alexandra Klatt: „Arm aber sexy nervt“
Foto: © CaraMel-Fotohandwerk

Reich an Ideen, darum organisiert sie ein neues Festivalformat: Alexandra Klatt, im Gespräch mit Creative City Berlin. 

state of DESIGN, BERLIN. ist ein neues Berliner Festivalformat, das den Diskurs in der Stadt sucht - es geht um Design in Zeiten der Krisen, zugleich um neue Design-Strategien, die das Leben in und um Metropolen verbessern sollen. Ein Schwerpunkt in diesem Jahr lautet Design & Gewalt. Was hat Gewalt mit Design zu tun? Welche Strukturbedingungen brauchen Designer in Berlin? Ein Gespräch mit Co-Direktorin Alexandra Klatt.
 

INTERVIEW  JENS THOMAS

 

CCB Magazin: Hallo Alexandra, du organisiert vom 4. bis 8. Mai das erste state of DESIGN, BERLIN- Festival.  Gibt es nicht schon genügend Festivals im Bereich Design in Berlin?

Alexandra Klatt: Es gab und gibt sicherlich schon viele Aktivitäten, ja – und auch gute. Hätten wir kein Festival vermisst, hätten wir auch keines in dieser Ausrichtung organisiert. Was uns bislang fehlt, ist der Diskurs in der Stadt, der inhaltliche Austausch und der experimentelle, suchende Teil der Designwelt. Wir sehen Design nicht nur als treibenden Wirtschaftsfaktor. Für uns ist Design auch eine kulturelle Disziplin. Darum möchten wir auf verschiedenen Ebenen die Zukunft des Designs erörtern. Wir sehen uns übrigens nicht so sehr als Festival, obwohl uns der Begriff selber manchmal „rausrutscht“. Vielmehr mixen wir bewusst Ausstellungen mit Debatten, Talks, Filmen und Workshops.   

CCB Magazin: Was gibt es in diesem Jahr alles zu sehen?

Alexandra Klatt:Das Motto, mit dem wir starteten, lautete SOMETHING FROM NOTHING, etwas aus dem Nichts – das spiegelt sich auch in einer der insgesamt fünf Ausstellungen wider. In SOMETHING FROM NOTHING im KAOS geht es um Design in Zeiten der Krisen, von und für die vergessenen 90 Prozent der Bevölkerung. In den anderen Ausstellungen thematisieren wir aktuellstes Design aus Deutschland, aber auch Strategien, die das Leben in und um Metropolen verbessern sollen. Beteiligt sind KAOS Berlin oder die HTW als zentrale Orte.  Zudem gibt es Führungen, Workshops, eine Konferenz, Talks, eine Deejay-Debatte an insgesamt zehn Standorten.

CCB Magazin: Was wollt ihr mit eurem neuen Format erreichen? 

Alexandra Klatt:Wir wollen eine neue Plattform schaffen, auf der aktuelles Design und kreative Konzepte und Lösungen vorgestellt werden. Unser Ziel ist es, gesellschaftliche Belange und Innovationen auf einer Ebene zu präsentieren und in Verbindung zu bringen. Am Anfang hatten wir das alles etwas kleiner gedacht. Die Resonanz war aber so groß, dass das Format schnell gewachsen ist. Wir hatten viele Helfer und Unterstützer im Geiste. Wir hatten aber nicht wirklich Zeit, um auf Sponsorensuche zu gehen. Wir finanzieren das Festival komplett selbst, über Eigenleistung, Eintritt und über eine Teilnahmegebühr für die Aussteller.

CCB Magazin: Ein Schwerpunkt des Formats ist der Zusammenhang von Design & Gewalt. Was hat Design mit Gewalt zu tun?

Alexandra Klatt:Design & Gewalt sind untrennbar – und Design ist zugleich das beste Mittel, um das zu kaschieren. Der Mensch nutzt Ressourcen immer noch, als gäbe es kein Morgen, produziert Müll oder schönt Dinge, die unter der Maske tödlich sind. Design ist hier nicht mehr als nur bloßes greenwashing. Das sind starke Thesen, die mein Kollege Max Borka zuletzt als Co-Kurator der Ausstellung Brutal Schön – Brutal Beauty im Marta Herford Museum untermauert hat. Ein anderes Beispiel ist Design aus Kriegsregionen, das natürlich auch von dort geprägt wird. Stichpunkt Waffendesign. Auch Waffen werden ästhetisiert über Designproduktion. Das ist spannend und schockierend zugleich – deshalb wird dieses Thema am 6. Mai in der Red Ballroom Conference im ICD (venue #8) mit internationalen Speakern genauer erörtert.

Der Mensch nutzt Ressourcen, als gäbe es kein Morgen, produziert Müll oder schönt Dinge, die unter der Maske tödlich sind

CCB Magazin: Der Soziologe Andreas Reckwitz spricht in Bezug auf Design von einer „Ästhetisierungsinstanz par excellence“. Wird Gewalt somit nicht ästhetisiert? Oder wird das Ästhetische entästhetisiert, wenn Design und Gewalt eine neue Melange bilden?

Alexandra Klatt:Ich denke beides, und genau das meinen wir auch, wenn wir über Design und Gewalt sprechen: Man findet heute kein Design mehr ohne Gewalt – ob es nun Gewalt in ästhetischer Form darstellt oder Gewalt durch Design kaschiert wird.  Wir sprechen darum auch nicht nur von rein physischer Gewalt. Es geht auch um symbolische und strukturelle Gewalt, die durch Design-Produktion und die Produktionskette erzeugt wird. Bereits bei der Fertigung von einem Material wird – brutal – eine Form aufgezwungen. Das Gewalttätige durch Design ist damit auch ästehtisch, performativ. 

CCB Magazin: state of DESIGN, BERLIN ist ein Berliner Format. Was bedeutet Berlin für euch als Austragungsort?

Alexandra Klatt:Berlin ist und war immer schon ein Experimentierfeld – leider oft aus einem Mangel heraus. Das ist Fluch und Segen zugleich. Die kreative Branche hat in Berlin den optimalen Freiraum, um sich zu entfalten. Darum hat sie es aber auf der anderen Seite gleichzeitig schwer, sich zu etablieren und Kunden zu gewinnen. In Berlin gibt es rund 5.142 Unternehmen im Bereich Design, die einen Umsatz von mehr als 2 Mrd. Euro pro Jahr erwirtschaften und dabei 16.802 Erwerbstätige zählen. Diese Zahlen sind natürlich auf den ersten Blick beeindruckend. Ich kenne aber viele Beispiele von guten Designern – gerade in der Modebranche –  , die Berlin den Rücken kehren, einfach weil es ein schweres Pflaster ist, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Da sind andere Bundesländer attraktiver. Arm aber sexy nervt einfach. Was Berlin weiterhin für uns bedeutet hängt vor allem davon ab, welche Türen sich für uns in Zukunft öffnen.  

Wichtig ist, dass sich die Leute in Berlin auf Ihre Arbeit konzentrieren können. Stattdessen kämpfen sie mehr um ihre Existenz

CCB Magazin: Was wäre wichtig? Welche Strukturbedingungen brauchen Designer in Berlin?

Alexandra Klatt:In Berlin fehlt einfach eine Plattform, die das gesamte Potenzial in der Stadt bündelt. Zudem brauchen wir bezahlbaren Raum und Zugang zu Werkstätten – auch das wollen wir auf dem Festival thematisieren. Das KAOS (venue #1) in Oberschöneweide ist hierfür ein gutes Beispiel: Im KAOS gibt es Freiraum, Werkstätten und kreative selbstbestimmte Gemeinschaften. Wichtig ist, dass sich die Leute in Berlin auf Ihre Arbeit konzentrieren können. Stattdessen kämpfen sie mehr um ihre Existenz. Hier braucht es vor allem mehr Unterstützung seitens der Verwaltungen. Selbstbestimmt trotz Förderung – darum muss es gehen.

CCB Magazin: Letzte Frage: Kann Design die Welt retten?

Alexandra Klatt:Nein, aber Design kann ein changemaker sein.

CCB Magazin: Alexandra, vielen Dank für dieses Gespräch.


Profil von Alexandra Klatt auf Creative City Berlin 

Alle Infos zu state of DESIGN, BERLIN

Rubrik: Specials

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