Vernetzung, Finanzierung, Karriere Zurück

Lydia Dietsch: „Ich habe gelernt, nicht alles auf einmal zu machen“

Lydia Dietsch: „Ich habe gelernt, nicht alles auf einmal zu machen“
Foto: © Lydia Dietsch

Wie bewegt können Bilder sein? Lydia Dietsch weiß es, sie ist nicht nur gelernte Grafikerin, sie hat auch das Start-up gallereplay gegründet, ein Marktplatz und eine Agentur für Cinemagraphs, sprich: für lebendige Fotos. Wir stellen die 25-Jährige heute im Profil der Woche vor und fragen: Wie organisiert man ein solches Netzwerk? Wie finanziert man das? Und welchen Mehrwert hat es für Künstler?


CCB Magazin: Hallo Lydia, leg mal los: Wer bist du und was machst du?

Lydia Dietsch: Hey! Ich bin Lydia, 25 Jahre alt, lebe und arbeite im schönen Berlin. Als ich vor einigen Jahren in meiner Heimat Köln zur Grafikerin ausgebildet wurde, war ich der festen Überzeugung, dass ich nie etwas anderes machen würde. Und irgendwie mache ich jetzt plötzlich doch noch viel mehr. Das liegt vor allem an gallereplay, der Firma, die ich Mitte 2015 zusammen mit meinem Geschäftspartner Marco Woldt gegründet habe.

CCB Magazin:Was ist gallereplay?

Lydia Dietsch:Gallereplay ist die richtige Anlaufstelle, wenn es um Cinemagraphs geht: Cinemagraphs sind eine Mischung aus Foto und Video, also Standbilder, in denen sich einzelne Elemente unendlich wiederholen und bewegen. Unsere Künstler kommen aus aller Welt und produzieren diese Bilder, bei uns können sie die Bilder zum Verkauf anbieten. Generische Stock-Motive sind da nicht so unser Ding. Sollte ein Kunde einmal nicht das finden, was er benötigt, bieten wir auch die Umsetzung von individuellen Cinemagraphs an. Im Produktionsprozess beraten wir die Unternehmen, konzipieren das Cinemagraph passend auf deren Anwendungsbereich und organisieren die Produktion zusammen mit den Künstlern und kontrollieren die Nachbearbeitung.

CCB Magazin:Wie kam es dazu, dass Ihr gallereplay gegründet habt?

Lydia Dietsch:Ich hatte zuvor eine Bürogemeinschaft in Prenzlauer Berg eröffnet, die ich mir mit drei weiteren Selbständigen geteilt habe. Nachdem Marco und ich Cinemagraphs und unsere große Begeisterung dafür entdeckten, haben wir an einem Accelerator-Programm teilgenommen und sind anschließend in unser eigenes Firmenbüro gezogen. Im letzten Jahr haben wir dann gallereplay gegründet. Seit der Gründung haben sich meine Aufgabenbereiche um ein Vielfaches erweitert: Ob Online-Marketing, rechtliche Angelegenheiten, Finanzen oder IT, ich wusste nicht, dass ich Gefallen an so verschiedenen Themen finden würde. Nebenbei bleibe ich aber meiner Liebe zum einfachen Illustrieren und zur Fotografie treu.

Fog in São Miguel, Portugal, Foto: © Lydia Dietsch. 

CCB Magazin:Was ist das Besondere an deiner Arbeit und gallereplay?

Lydia Dietsch:Das Besondere an meiner Arbeit ist, dass wir uns mit gallereplay einem ganz neuen, schnell wachsenden Format widmen. Einerseits ist es ein Nischenprodukt, andererseits können Cinemagraphs sehr groß werden – und sind bereits auf dem Weg dorthin. Das macht die Arbeit sehr spannend. Gallereplay wächst zusammen mit dem Medium, und ich wachse an meiner Firma. Zudem sind Cinemagraphs noch recht jung und können daher noch geformt werden. Es gibt bislang kaum Regeln zu diesem Format.  

Wir versuchen immer, das Beste für den Künstler zu verhandeln

CCB Magazin:Auf eurer Webseite steht, dass ihr zusammen mit Künstlern rund um die Welt individuelle Cinemagraphs produziert. Wie genau funktioniert das?

Lydia Dietsch:Als erstes suchen wir Künstler aus, die Cinemagraphs produzieren, die aber auch unseren Qualitätsansprüchen entsprechen. Hier bekommen wir immer mehr Bewerbungen. Wenn beide Seiten an einer Zusammenarbeit interessiert sind, senden die Künstler ihre Werke ein und bekommen ein Profil auf unserem Marktplatz. Ein Profil ist Voraussetzung, um überhaupt Agenturaufträge zu bekommen. Derzeit haben wir etwa 50 Künstler aus 20 Ländern und sechs Kontinenten, es werden regelmäßig mehr. Für jeden Verkauf erhalten die Künstler 40 Prozent des Verkaufspreises. Im Vergleich zu anderen Stock-Plattformen ist das nicht wenig. Unser Agentur-Modell funktioniert so, dass wir meistens direkt den Preis mit dem Kunden aushandeln, da wir inzwischen ganz gut wissen, wie viel Budget es braucht, um etwas umzusetzen. Die Künstler freuen sich dann, wenn wir sie kontaktieren und der Job schon sicher ist. Wir versuchen immer, das Beste für den Künstler zu verhandeln – und berechnen unsere Agenturgebühr oben drauf. Oft läuft es auch so, dass uns ein Kunde von seiner Idee berichtet und wir bereits den einen oder anderen Künstler im Kopf haben, der das gut umsetzen kann. Letzten Winter in Berlin wollte zum Beispiel TUI von uns Cinemagraphs am Strand haben. Das haben dann unsere Künstler in Sydney umgesetzt – praktisch!
 

Schöner Wind oder? Ein Cinemagraphs von © Lydia Dietsch. Weitere Bilder gibt es auf Creative City Berlin hier.

CCB Magazin:Wie finanziert ihr euch?

Lydia Dietsch:Ganz am Anfang haben wir von Axel Springer ein Early-Stage-Investment im Rahmen eines Accelerator-Programmes bekommen. Davon konnten wir ein halbes Jahr "überleben". Anschließend haben wir von einem privaten Investor noch einmal eine etwas größere Summe erhalten. Nun haben wir es geschafft, diverse große Kunden an Land zu ziehen. Damit kommen wir aktuell ganz gut über die Runden. Aus Geheimhaltungsgründen dürfen wir die Namen leider nicht nennen. Sie buchen jedenfalls regelmäßig individuelle Cinemagraphs für ihre Social-Media-Kanäle. Auch verzeichnen wir mehr und mehr Marktplatzverkäufe.

CCB Magazin:Du bist aus Köln und lebst heute in Berlin: Was bedeutet Berlin für dich als Stand- und Lebensort?

Lydia Dietsch:Berlin ist für mich eine offene und tolerante Stadt, in der es immer wieder etwas Neues zu entdecken gibt. In Berlin kann man so sein wie man ist, und "mitten im Alltag" viel über andere Länder und Kulturen lernen, weil so viele Kulturen hier leben. Das gefällt mir wirklich gut. Es macht mir auch großen Spaß, sich mit anderen Unternehmern auszutauschen. Ich mag diese Startup-Welt in Berlin sehr gerne, in der ich mich jetzt seit einem Jahr tummele. Ich fühle mich hier als Teil des Ganzen. 

Es macht mir in Berlin großen Spaß, sich mit anderen Unternehmern auszutauschen

CCB Magazin:Die Studie „Booming Berlin“ ergab gerade, dass Start-ups und Kreativschaffende in Berlin bislang kaum kooperieren. Bei dir ist also das Gegenteil der Fall?

Lydia Dietsch:Ja, als Start-up kooperiere ich mit vielen Kreativschaffenden, die allerdings quer auf der Welt verstreut sind. Ich bin natürlich selber eine Kreative, die aber mehr und mehr Geschäftsführer-Aufgaben übernimmt, und in dem Zusammenhang auch mit anderen Firmen und Start-ups kooperiert.

CCB Magazin:Die Autorin Mathilde Ramadier und der Comic-Zeichner Alberto Madrigal kritisieren in ihrem neuen Buch "Berlin 2.0." die prekäre Situation von Kreativschaffenden in Berlin und einen neoliberalen Habitus vieler Start-ups, indem Wachstum vor sozialer Verantwortung steht. Teilst du diese Ansicht?

Lydia Dietsch:Ich kann sie zumindest verstehen. Das Thema "schnell wachsen" beobachte ich auch unter vielen Start-ups. Das ist oft ein Problem, wenn man eine große Finanzierungsrunde bekommt aber nicht gelernt hat, das Geld richtig einzusetzen und eben ausschließlich das eigene Firmenwachstum im Kopf hat. Ich denke auch, dass es gerade in Berlin nicht einfach ist, als junger Kreativschaffender seinen Platz in der Kreativindustrie zu finden. Auch ich habe als Grafikdesignerin damals, als ich nach Berlin kam, nur knapp 800 Euro im Monat verdient. Allerdings habe ich auch nur an drei Tagen in der Woche gearbeitet, mit dem Ziel, mich in meiner restlichen Zeit in meiner Rolle als Selbstständige weiterzuentwickeln. Wenn man seinem Ziel treu bleibt, anstatt sich dauerhaft in Nebenjobs zu verlieren und darüber wütend zu sein, kann man es aber auch in Berlin schaffen, davon bin ich überzeugt.

Cinemagraphs sind noch recht jung und können daher noch geformt werden. Es gibt bislang kaum Regeln zu diesem Format

CCB Magazin:Viele brauchen den Nebenjob aber, um der eigentlichen Tätigkeit als Kreativschaffender nachgehen zu können. Bei dir war das nicht so?

Lydia Dietsch:Doch, auch ich habe noch immer einen Nebenjob als On-Board-Courier. Den Job mache ich aber aus Spaß und Abwechslungsgründen. Macht man einen Nebenjob auch nur des Geldes wegen, hält es einen von seiner eigentlichen Passion nur ab. Ich denke auch, dass vielen Kreativschaffenden nicht bewusst ist, dass zur Selbständigkeit mehr gehört als nur kreativ zu sein. Solange man das versteht und daran arbeitet, und ja, gegebenenfalls auch mal am Wochenende arbeitet, was ich selber nun seit sechs Jahren nicht anders kenne, wird sich das irgendwann auch mal auszahlen. Gegebenenfalls macht es auch Sinn, Dinge, die man nicht gut kann, an andere abzugeben. Ich meine hier das Netzwerken, Marketing, den Webauftritt, auch BWL-Aufgaben, die man ebenso erledigen muss. Denn auch eine kreative Einzelunternehmung ist ein Unternehmen mit vielen Seiten. Leider fallen gerade solche Aufgaben Kreativen oft schwer.

CCB Magazin:Lydia, wie geht’s weiter mit dir? Was planst du in der Zukunft?

Lydia Dietsch:Meine Liste an Ideen ist sehr lang, mir wird niemals langweilig. Ich habe aber gelernt, nicht alles auf einmal zu machen. Daher sehe ich mein berufliches Leben in Abschnitten: Jetzt ist es das gallereplay, danach bringe ich vielleicht einen Comic raus, oder gehe auf Reisen und widme mich Fotografie- und Cinemagraph-Projekten, oder werde wieder als selbstständige Grafikdesignerin tätig. Auf jeden Fall bleibe ich im kreativen Umfeld. Ich weiß allerdings nicht, wann die Zukunft anfängt und das ist auch gut so, da ich die Gegenwart gerade sehr gerne mag.

CCB Magazin:Lydia, viel Erfolg.


Profil von Lydia Dietsch auf Creative City Berlin

Rubrik: Im Profil

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