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Delia Fröhlich: „Wir sind ein Experimentierraum“

Delia Fröhlich: „Wir sind ein Experimentierraum“
Foto: © Jens Thomas

Ein Bett mitten in Oberschöneweide? Why not. Delia Fröhlich ist Mitbegründerin von BETT Coworking, einem Schöneweide-Coworking Space inklusive Veranstaltungs- und Wohnort.​ Delia Fröhlich lebt dort, sie arbeitet da. Im Profil der Woche spricht sie über den Standort Schöneweide, die Zukunft der Kultur vor Ort und darüber, warum sie sich sowohl als Täter als auch Opfer der Gentrifizierung sieht.


 

CCB Magazin: Hallo Delia, leg mal los: Wer bist du und was machst du? 

Delia Fröhlich: Hallo, ich bin Delia. Ich bin Kommunikationsdesignerin und Mitgründerin des BETT Coworking in Schöneweide.

CCB Magazin:Was ist das "BETT Coworking" und wie kam es zu diesem Projekt?

Delia Fröhlich:Das BETT ist ein eigentümliches, aber wunderschönes, altes Haus in einem Hinterhof in Schöneweide, das sowohl ein Coworkingspace ist, in dem zwischen 15 und 20 Kreativschaffende aus der Umgebung arbeiten, als auch ein Veranstaltungs- und Wohnort. Wir haben das BETT durch einen Zufall entdeckt. Eigentlich waren wir auf der Suche nach einem Einraum-Atelier oder etwas in dieser Art, damit wir unabhängig von Öffnungszeiten und Vorschriften sind und auch so arbeiten können. Gefunden haben wir dann eine dreieinhalbstöckige, ehemalige Weißbierbrauerei in einem wunderschönen Hinterhof in Schöneweide. Es ist ein Haus mit Eigenheiten und Charakter, ein Ort mit jeder Menge Spielraum zur Gestaltung. Wir sind jetzt seit gut drei Jahren hier — seitdem bauen und konzipieren wir wild an dem richtigen Modell für unsere Bedürfnisse und denen der anderen herum.

CCB Magazin:Was sind die Bedürfnisse der anderen und was passiert hier alles? 

Delia Fröhlich:Die Bedürfnisse sind ganz unterschiedlich, darum passiert hier auch ganz unterschiedliches. Wir haben ein ziemlich breites Spektrum an Veranstaltungsformaten entwickelt. So zum Beispiel das »Hofsitzkino«, mit dem wir studentische Filmarbeiten zeigen, die wir besonders gut finden. Außerdem veranstalten wir Design- und Wochenmärkte, die mehr für unsere Nachbarn und Anwohner von Schöneweide gedacht sind. Unser absolutes Nesthäkchen ist aber der BETTWOCH, eine Art offenes Netzwerktreffen oder wie wir es nennen »Bier trinken mit Freunden«, das jeden Mittwoch ab 18.00 stattfindet. Auch der Ausbau unserer Workshop-Formate und inhaltlichen Veranstaltungen ist geplant. 

CCB Magazin:Was ist euer Ziel mit BETT Coworking?

Delia Fröhlich:Insgesamt suchen wir mit dem BETT nach Möglichkeiten, „die Arbeit“ und „das Leben“ miteinander zu verbinden. Wir möchten einen Ort schaffen, an dem die Grenze zwischen beidem verschwimmt und die Lebensqualität damit steigt. 

CCB Magazin:Ist das nicht auch überfordernd, wenn die Grenze von Arbeit und Leben derart verschwimmt? 

Delia Fröhlich:Das ist nicht ganz einfach, ja. Wahrscheinlich aber auch nur, weil wir mit einer Auffassung von ‚Arbeit‘ groß geworden sind, die häufig mit unangenehmen Attributen und Gefühlen verbunden ist. Arbeit muss ja anstrengend und aufreibend sein, sonst ist es keine Arbeit. Der Begriff allein ist also schon mit einer Assoziation von Unannehmlichkeit verbunden, sodass die Anstrengung häufig schon vor der Arbeit beginnt. Das ist doch verrückt. Wenn die Arbeit aber zum Lebensgefühl passt und sich der Ort, an dem man arbeitet, gar nicht unbedingt wie der Arbeitsort anfühlt, kann das schon etwas verändern.

CCB Magazin:Was würdest du sagen, was ist das Besondere an deiner Arbeit? 

Delia Fröhlich:Das Besondere hier ist, dass wir Räume und Zeit — Freiräume und Lebenszeit — gestalten dürfen. Und weil nicht nur wir diese Räume gestalten, sondern auch jeder, der hier herkommt, hantieren wir täglich mit relativ unvorhersehbaren Impulsen. Das hat dazu geführt, dass wir uns einen prozesshaften Umgang mit diesen Entwicklungen angeeignet haben. Wir versuchen also die Balance zwischen einer offenen Unternehmenskultur und einem funktionierenden Tagesablauf zu finden. Ein ziemlicher Spagat. Das Besondere an meiner Arbeit ist also der Umgang mit dieser wabernden Masse aus ungleichen Aufgaben. Ich liebe das, man muss sich ständig etwas Neues ausdenken, um die Kurve zu kriegen.

Ich liebe das, man muss sich ständig etwas Neues ausdenken, um die Kurve zu kriegen

CCB Magazin:Wie finanziert ihr BETT Coworking? 

Delia Fröhlich:Wir finanzieren uns sowohl über die Mitgliedsbeiträge unserer Coworker, als auch über unsere Veranstaltungen. 

CCB Magazin:Das Modell Coworking wird immer wieder als eine neue Form der Kollaboration und Zusammenarbeit beschrieben. Wie viel revolutionäres Potenzial steckt dahinter?

Delia Fröhlich:Dass Coworking die Zukunft des neuen Arbeitens sein soll und damit nachhaltig die Gesellschaft verändern wird, glauben wir nicht mehr. Wir glauben an Synergien und kollektive Arbeitsformen, aber nicht an das »System« Coworking. Kollaboration und Zusammenarbeit entsteht nicht einfach so, wenn man Menschen mit ähnlichen Interessen in einem Raum zusammenbringt. Die Prozesse sind komplexer und hängen viel mehr von Persönlichkeits- als von Infrastrukturen ab. Coworking wird eben häufig auch einfach als günstigere Alternative zum eigenen Büro gesehen. Das ist auch okay, aber eben nicht innovativ. Ich glaube, dass Interessengemeinschaften ganz automatisch, und egal wo sie sind, einen »Coworkingspace« bilden und nicht der Coworkingspace die Interessengemeinschaft. Wir haben für uns noch keine endgültige Lösung gefunden, wir verstehen uns aber deshalb auch mehr als entwicklungsfähigen Experimentierraum und nicht als „klassischen“ Coworkingspace.

CCB Magazin:Du bist seit sieben Jahren in Berlin: Was bedeutet Berlin für dich als Lebens- und Standort?

Delia Fröhlich:Als ich nach Berlin kam, war ich eigentlich nicht auf der Suche nach einem Befreiungsschlag oder so. Deshalb habe ich ein relativ nüchternes Verhältnis zu der Stadt. Ich liebe Berlin, aber halt eher so wie man ein Haustier liebt. Viel wichtiger als Berlin im Großen und Ganzen ist mir aber eigentlich Schöneweide — das klingt jetzt irgendwie provinziell — aber es ist einfach spannend hier! Die Aufbruchsstimmung und die Möglichkeit, und irgendwie auch Notwendigkeit, mitzugestalten, macht es vor allem auch als Projektstandort so wertvoll. 

Wir glauben nicht mehr an das »System« Coworking

CCB Magazin:Oberschöneweide hat sich gerade in den letzten Jahren entwickelt und ist heute (auch) Anlaufstelle für Kreativschaffende. Das wertet den Bezirk nicht nur auf, es hat auch Mietsteigerungen zur Folge. Seid ihr die, die davon betroffen sind, oder die, die diesen Prozess vorantreiben? 

Delia Fröhlich:Gute Frage, denn irgendwie sind wir beides. Einerseits setzten wir alles daran, den Standort zu entwickeln, weil natürlich auch der Erfolg unserer Projekte davon abhängt. Auf der anderen Seite sind wir aber auch diejenigen, die die Mieterhöhungen zu spüren bekommen. Die Frage ist also wirklich, ob wir uns nicht selbst verdrängen. Das ist allerdings ein Thema, das man sich auf einer ganz anderen politischen Ebene anschauen muss, denn letztlich können wir nicht anders sein, als wir sind. Allein unsere Anwesenheit treibt diesen Prozess ja schon voran. Wir sind also sowohl „Täter“ als auch „Opfer“ der Gentrifizierung, das ist schon absurd.

Wir sind sowohl Täter als auch Opfer der Gentrifizierung, das ist schon absurd

CCB Magazin:Welche Lösungen braucht es? Wie sollte Berlin in Zukunft gestaltet werden? 

Delia Fröhlich:Wichtig wäre ein Austausch auf Augenhöhe. Zwischen der Politik und den bereits bestehenden Projekten. Die Politik versucht zwar einen ganzheitlichen Blick und Ansatz zu verfolgen, bleibt aber auch sehr theoretisch und ist häufig langsam. Während „dort“ Konzepte entwickelt werden, hantieren die Projekte am Standort schon mit den nächsten Herausforderungen. Das könnte man in Zusammenarbeit besser machen. Und allgemein wünsche ich mir einfach mehr Unterstützung und weniger bürokratische Hürden für die guten Projekte dieser Stadt. 

CCB Magazin:Delia, wie geht’s weiter? Was plant Ihr in der Zukunft?

Delia Fröhlich:Wir haben hier erst mal noch Einiges vor. Und dann schauen wir mal wo wir ankommen und wie es weitergeht. Das kann sich hier fast täglich ändern:-)


Profil von Delia Fröhlich auf Creative City Berlin 

Profil von BETT Coworking auf Creative City Berlin

Nachbericht über die Sprechtage im BETT Coworking der Kreativwirtschaft Berlin 

Rubrik: Im Profil

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