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Philip Steffan: „Es gibt ein starkes DIY-Gefühl in der Stadt“

Philip Steffan: „Es gibt ein starkes DIY-Gefühl in der Stadt“
Foto: © Martin Spindler

So sieht ein Maker aus: Philip Steffan 

Morgen startet die Maker Faire in Berlin, die Messe für skurille, kreative und selbstgemachte Ideen an der Schnittstelle von Handgemachtem und technischer Innovation. Was gibt es zu entdecken? Wir sprachen mit Organisator Philip Steffan über neues Bienen-Monitoring, gekonntes Aquaponik, Neo-Robotik und die Kraft des Laser-Cuttings. 

 

INTERVIEW MAIK Helmer 

 

CCB Magazin: Hallo Philip, am Wochenende findet die Maker Faire in Berlin statt. Es ist die dritte dieser Art in Berlin. Was sind die Highlights in diesem Jahr?

Philip Steffan: Zu den Highlights gehören in diesem Jahr in jedem Fall die acht Meter und sieben Tonnen schwere Handskulptur aus Stahl, die der amerikanische Robotik-Künstler Christian Ristow selbst gebaut hat. Die hydraulisch betriebene Roboterhand im XXL-Format begrüßt unsere Gäste direkt am Eingang. Weitere Hingucker sind auch die fahrenden kleinen Star-Wars-Droiden R2D2, die der r2-Builder-Club nachgebaut hat und der Cosplayer Rudolf. Darüber hinaus gehören der selbstgebaute Fotobus Cliff McLane, in dem sich die Besucher als Crazy Maker verewigen können, sowie das Lego-Auto, das besonders die Kleinen zum Mitbauen einlädt, zu den Highlights.

Upcycling und Nachhaltigkeit werden in diesem Jahr groß geschrieben. Hier haben wir die 1-Dollar-Brille, die recycelbare Windel, die sich zu Humus verarbeiten lässt oder das Reparaturmobil von Communitere am Start

CCB Magazin:Auf der Agenda steht in diesem Jahr auch „Bio-Hacking“. Kannst du uns aufklären, was da schon wieder auf uns zu kommt?

Philip Steffan:Das ist in der Tat ein Schwerpunkt in diesem Jahr, zu dem es auch viele Workshops gibt. Es geht hier um die Verbindung von Umwelt und Technik. In diesem Kontext finden dann auch Projekte im Bereich Urban Gardening statt, speziell zu elektronischem Bienen-Monitoring und Aquaponik, einer Kombination aus Fisch- und Pflanzenzucht. Upcycling und Nachhaltigkeit werden ebenfalls groß geschrieben. Hier haben wir die 1-Dollar-Brille, die recycelbare Windel, die sich zu Humus verarbeiten lässt oder das Reparaturmobil von Communitere, das von Berlin nach Thessaloniki fährt, um dort Hilfsprojekte für oder mit Geflüchteten zu organisieren. Aber auch die Klassiker wie 3D-Druck, Coding, Robotik und Laser-Cutting gehören auf einer Maker Faire zum Ausstellungsprogramm. Es gibt die unterschiedlichsten Selbstbau-Projekte, von originell bis skurril, vom Heimwerker bis zum Startup-Unternehmer. Die Klammer bei allen Ausstellern ist das große Mitmach-Angebot. An jedem der rund 200 Stände kann man als Besucherin oder Besucher etwas von den Projekten anfassen und ausprobieren und sich dabei vom Erfindergeist der Maker anstecken lassen. Das macht den Charme der Veranstaltung aus.
 

Da sind sie, die Maker. Alter ist egal, hauptsache es funktioniert. Foto: Philip Steffan


CCB Magazin:Wie kam es überhaupt dazu, eine Maker Faire in Berlin zu starten?

Philip Steffan:Es ist ja schon die dritte, wir haben 2015 angefangen. Nach dem Erfolg des Make-Vorläufers, des c’t-Sonderhefts Hardware Hacks, kam 2012 der Wunsch auf, auch eine Maker Faire nach internationalem Vorbild zu veranstalten. Die erste deutsche Maker Faire fand im Sommer 2013 in Hannover statt, wo der Verlag und die Redaktion des Maker Magazins sitzen. Es kam dann schnell der Wunsch auf, auch in einer anderen Stadt eine Maker Faire auf die Beine zu stellen – da war Berlin mit seiner kreativen und internationalen Ausrichtung natürlich die erste Wahl.

CCB Magazin:Was macht Berlin als Ort für die Maker-Szene interessant, vielleicht auch besonders?

Philip Steffan:Berlin hat einfach eine sehr pulsierende Startup-Szene, viele kreative Communities, die natürlich vor allem da entstehen, wo junge Menschen aus aller Welt zusammenkommen und Dinge einfach mal ausprobieren. Es gibt ein starkes DIY-Gefühl in der Stadt.

Deutschland ist zwar Heimwerker-Land, aber das Spielerische fehlt hier noch. Ausprobieren und Scheitern ist nicht Teil der Kultur

CCB Magazin:Die Maker-‚Bewegung‘ kommt ursprünglich aus den USA. Dort gibt es eine ganz andere Gründerkultur, mit viel höheren Summen, auch eine ganz andere Förderstruktur, es gibt zum Beispiel keine Kulturförderung im klassischen Sinne wie in Deutschland. Wie unterscheidet sich die Maker-Szene in Deutschland von der in den USA?

Philip Steffan:Deutschland ist zwar Heimwerker-Land, aber das Spielerische fehlt hier im direkten Vergleich, das Ausprobieren und Scheitern ist nicht Teil der Kultur. Zudem ist der Anglizismus Maker immer noch erklärungsbedürftig – was und wer fällt darunter, und wer nicht, das ist im Deutschen nicht so selbstverständlich. Für den harten Kern der Maker, die sich mit 3D-Druck und Elektronik beschäftigen, ist das klar. Wir sprechen aber gezielt andere Kreative an, ob welche im Kunsthandwerk oder Handwerk, ob in der Wissenschaft oder im Hobby-Bereich. Wir laden sie dazu ein, mit ihrer jeweiligen Community bei uns mit dabei zu sein. Wir wollen aktiv die Maker-Bewegung in ihrer Vielfältigkeit ausbauen.
 

Noch so ne Maker: Wir dürfen gespannt sein, wann man sie mal in voller Montur in der Berliner U-Bahn sieht. Foto: Philip Steffan


CCB Magazin:Wie wird man Teil der Maker Faire? Nach welchen Kriterien werden die Akteure ausgewählt?

Philip Steffan:Es gibt einen offenen „Call for Makers“, jeder darf sich in den Monaten vor dem Event anmelden. Das Team der Maker Faire wählt dann aus, um die richtige Mischung auf der Maker Faire zu haben und sprechen natürlich auch laufend gezielt interessante Projekte und Maker an. Aus der Praxis kann man aber sagen, dass wir fast jedem Maker, der sich beworben hat, zusagen können. Das Ziel ist immer eine Community-Veranstaltung, auf der sich möglichst vielfältige Projekte und Einzelpersonen präsentieren und auch vor allem miteinander vernetzen können. Jedes Mal neue Themenbereiche dabei.

CCB Magazin:Welche Auswirkung oder Einfluss hat die Maker-Szene auf den Arbeitsmarkt: Einerseits geht man von einer zunehmenden Technisierung der Arbeitswelt und einem Verlust von Arbeitsplätzen aus, andererseits von der Erschließung neuer Märkte. Was wiegt mehr?

Philip Steffan:Dazu kann ich leider keine treffsichere Antwort anbieten, ich bin kein Theoretiker.

CCB Magazin:Ok, Anschlussfrage: Was kann die Maker-Szene für die Gesellschaft leisten? Was thematisiert sie, was will und kann sie in der Gesellschaft verändern?

Philip Steffan:Maker wollen machen. Das heißt selber etwas machen, alleine, aber auch vor allem gemeinsam mit anderen. Und Selbermachen heißt ja, die Dinge selbst wirklich wieder in die Hand zu nehmen und auch verstehen zu können, wie unsere Technik und unser Besitz eigentlich funktionieren. Es geht also um Wissen, aber natürlich auch um das Selbstverständnis, nicht nur Kunde, Kundin zu sein, sondern eben auch aktiv und individuell das eigene Umfeld zu verstehen und mitverändern zu können. Wenn man sich selbst ein Regal baut oder ein Gerät programmieren kann  - und genau so etwas kann man auf einer Maker Faire und in den Communities unserer Aussteller lernen - verändert sich dadurch auch die Sicht auf die eigene Rolle in der Gesellschaft insgesamt. Und natürlich bedeutet das auch umgekehrt wieder, dass ein großer Markt entsteht, auf dem man die Werkzeuge und Materialien bekommt, um Maker zu sein - für manche ist das sicher ein Widerspruch, ja.

Ich freue mich besonders, dass das Thema Selbermachen mittlerweile in so vielen Bildungskontexten Fuß gefasst hat

CCB Magazin:Wenn du in die Zukunft blickst, wo steht die Maker Szene in ein paar Jahren. Welche Entwicklungen sind möglich, vor welchen sollte man sich ggf. fürchten?

Philip Steffan:Erst einmal entdecken sicher noch viele weitere Menschen das Selbermachen für sich. Ich freue mich besonders, dass das Thema in vielen Bildungskontexten mittlerweile so Fuß gefasst hat und sich sehr viele Schulen und Bildungseinrichtungen damit befassen – und so vor allem jungen Leuten neue Möglichkeiten des spielerischen Lernens eröffnen, viele dieser Initiativen zeigen sich ja auch auf der Maker Faire. Und gleichermaßen hören wir fast jede Woche, dass sich irgendwo in Deutschland ein neues Fab Lab oder ein neuer Makerspace gegründet hat, wo Leute sich zusammentun, um gemeinsam Ressourcen und Wissen zu teilen und in ihrer Stadt sichtbar zu werden. Das kann natürlich dazu führen, dass es ein so allgemeines Thema wird, dass sich diese Szene der Leute, die das alles anstoßen, darin unsichtbar wird, aber das wäre ja kein schlechtes Ergebnis.

Ach was, auch das sind Maker? Komische Ohren. Foto: Philip Steffan


CCB Magazin:Viele sehen im Selbermachen auch einen neuen überbordenden Kapitalismus. Prinzipien des freien Tausches finden sich schnell in einer Verwertungslogik wieder.

Philip Steffan:Diese Tendenz gibt es sicher. Insgesamt ist die Szene aber sehr divers und jeder darin hat auch andere Prämissen, auch eine andere Befürchtung. Viele, die auf freien Austausch und Open Source setzen, sorgen sich natürlich vor einer allzu großen kommerziellen Anschlussfähigkeit, die andererseits aber auch Voraussetzung ist, um ein Nischenthema überhaupt erst mal ins Bewusstsein zu rücken. Wir werden die Entwicklung weiter beobachten müssen.

CCB Magazin:Wo wollt ihr mit der Maker Faire als Messeformat in der Zukunft insgesamt hin?

Philip Steffan:Wir hoffen, dass es in jeder Region Deutschlands in Zukunft eine Maker Faire gibt, auf der sich die verschiedenen Maker miteinander vernetzen und ein Interesse für ihre Ideen wecken können. Jede Maker Faire wirkt ja viel länger als das Wochenende an dem sie stattfindet: Die Besucherinnen und Besucher gehen mit neuen Ideen, Leidenschaften, Bausätzen nach Hause und manche von ihnen finden darin ein neues Hobby und werden selber aktiv, schließen sich anderen Makern an und sind möglicherweise nächstes oder übernächstes Jahr selbst mit einem Stand oder Workshop dabei. Außerdem ist zwischen den großen Städten genug Platz für viele Mini Maker Faires und andere Formate, die wir natürlich alle gerne begleiten, mitgestalten und anschieben.

Rubrik: Specials

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