Nachhaltigkeit, New Work Zurück

Eike Roswag-Klinge: „Ich hab die Fenster immer offen“

Eike Roswag-Klinge: „Ich hab die Fenster immer offen“
Foto: © The Link Berlin
Holz und Vorurteil: Eike Roswag-Klinge hat auch das Hemd auf und so einiges vor.

Die Stadt im Blick, und aus Holz die Zukunft gestalten: Daran arbeitet der Architekt Eike Roswag-Klinge seit Jahren. Er ist Leiter und Mitbegründer des Architektur- und Ingenieurbüros ZRS, das sich auf nachhaltiges Bauen fokussiert und Projekte in der ganzen Welt initiiert. Außerdem ist er Professor für Architektur an der TU Berlin und in diesem Jahr Teil des Festivals MAKECITY. Wir haben mit ihm über die Zukunft des Baugewerbes gesprochen und gefragt, welche Rolle Naturbaustoffe als nachhaltige Ressourcen für eine Stadt wie Berlin spielen könnten. 
 

INTERVIEW Boris Messing
 


CCB Magazin: Eike, du wirst bald als Speaker auf der diesjährigen Make City auftreten und über eine Neupositionierung des urbanen Holzbaus sprechen. Worum geht es da?

Eike Roswag-Klinge:  Mein Hauptfokus wird auf der Verwendung von Holz im urbanen Kontext liegen. Damit ist konkret die Nachverdichtung bei Gebäuden gemeint, die Aufstockung durch Holzkonstruktionen, die energetische Optimierung durch verschiedene Fassadensysteme und zum Teil auch Neubauten. Alles aus Holz und anderen Naturbaustoffen.

CCB Magazin: Seit den 1990ern entwickelten sich alternative Baugemeinschaften in Städten wie Freiburg, Hamburg, Tübingen oder Berlin, die klimaneutral und ressourcenschonend mit Holzbauten experimentierten. Das waren aber zumeist Akademiker mit hoher Bildung, die sich das leisten konnten. Taugt Holz auch für den Bau von Sozialwohnungen?

Eike Roswag-Klinge: Soweit sind wir noch nicht. Da wir leider weiterhin nur die Investitionskosten und nicht die Kosten über die gesamte Lebensdauer von Häusern betrachten, ist dies im Moment noch schwierig. Aber was wir schon erreicht haben ist der hybride Bau, also die vermehrte Mischung aus Beton, Stahl, Holz und anderen Baumaterialien. Die Wohnungsbaugesellschaften, die sehr stark auf den Preis achten müssen, bauen zum Beispiel zunehmend Holzfassaden, weil das billiger ist als die konventionellen, hochdämmenden Gebäudehüllen. Besonders Aufstockungen aus Holz liegen im Trend, weil sie deutlich leichter sind als solche aus Stahlbeton. Da ist ein großer Markt. Die Wohnungsbaugesellschaft Mitte will zum Beispiel Plattenbauten der 1960er, 70er und 80er Jahre durch Holzkonstruktionen mit bis zu drei Geschossen aufstocken. Das geht auch nur mit Holz, alles andere wäre wie gesagt zu schwer. Berlin ist Vorreiter in dieser Hinsicht. Die Bausysteme werden sich in Zukunft vereinfachen und verbilligen, dadurch werden Holzbauten im urbanen Raum zunehmen. 

CCB Magazin: Was für einen Mehrwert bietet der Gebäudebau mit Holz für den Klimaschutz im Vergleich zum Bau mit Stahl und Beton? 

Eike Roswag-Klinge:Bei Naturbaustoffen wie Holz oder Lehm verbrauchen wir keine fossilen Ressourcen, Holz speichert außerdem CO2. Bei der Herstellung von Beton, Zement und vor allem Stahl verbrauchen wir dagegen sehr viel Energie, das macht einen Großteil des ökologischen Fußabdrucks im Baubereich aus. Allein die Herstellung von Stahlbeton und Stahl kann zwischen 30 und 50% des Ressourcenverbrauchs eines Gebäudes erzeugen. Momentan braucht man zwar noch Fundamente aus Stahl und Beton, aber es wird bereits an Alternativen gearbeitet und geforscht, um diese zu ersetzen oder zumindest als Baustoffe stark zu reduzieren. 

Deutschland hat eine große Kompetenz im Lehm- und Holzbau. Zusammen mit dem Bambus sind das die Naturbaustoffe, die global zum Wandel der Bauindustrie führen werden

CCB Magazin: Besteht bei der vermehrten Verwendung von Holz für den Bau nicht die Gefahr der Übernutzung der Wälder? Das ist ja bereits im 19. Jahrhundert geschehen: selbst Waldgebiete wie der Schwarzwald wurden damals weitgehend kahl geschlagen.

Eike Roswag-Klinge: Der Begriff der Nachhaltigkeit wurde ja gerade durch die Erfahrung der massenhaften Abholzung in Europa geprägt. Der kurfürstlich-sächsische Bergrat Hans Carl von Carlowitz hat 1713 den Begriff der nachhaltigen Forstwirtschaft geprägt, auf dessen Basis bis heute Wald in vielen Ländern Europas schonend und weitsichtig bewirtschaftet wird. In Deutschland und einigen anderen europäischen Ländern könnten heute problemlos alle Gebäude aus deutschem Holz gebaut und umgebaut werden. Im globalen Kontext ist das natürlich anders, da brauchen wir eine massive Aufforstung der Waldbestände, um vergangene Kahlschläge zu kompensieren. 

Im Versuchslabor des ZRS Architektur- und Ingenieurbüros. Foto: Jens Thomas


CCB Magazin: Was hältst du eigentlich von der Idee eines Rechts auf Grünflächen im Grundgesetz?

Eike Roswag-Klinge:Zuerst einmal würde ich ein Grundrecht auf bezahlbare Wohnungen festlegen. Natürlich fordern wir auch eine Verdichtung und Aktivierung der Grünräume, gerade in den Großstädten. Es bringt nichts, wenn sich kahlgeschorener Rasen zwischen die Häuserzeilen unserer 1950er-Jahre-Bauten erstreckt, da sollen Bäume hin, Nutzgärten, Sportflächen, solche Zwischen- und Nebenräume können besser und grüner genutzt werden.  

CCB Magazin: Denkt man an Nachhaltigkeit im Bau, müssen viele Faktoren ineinandergreifen, Ökologie, Ökonomie und soziale Gerechtigkeit. Wie hängen diese Faktoren miteinander zusammen? Ist der urbane Holzbau am Ende nicht doch nur für Leute mit Geld in der Tasche?

Eike Roswag-Klinge: Ich glaube, das wird sich sehr schnell ändern, wenn wir anfangen, die Folgewirkungen unseres fossilen Energieverbrauchs strikter zu bekämpfen, zum Beispiel durch eine CO2- oder Ressourcen-Steuer, die ökologische Folgewirkungen unserer Konsumgesellschaft verpreist. Das beträfe unter anderem auch die Beton- und Zementindustrie. Außerdem sollten die Zuschüsse für Braunkohle verringert werden und das Geld stattdessen in die Ausweitung erneuerbare Energien gesteckt werden, um die Energiewende voranzubringen. Holzbauten sind zwar in der Errichtung noch teurer als konventionelle Bauten, im Lebenszyklus über 50 Jahre in der Regel aber günstiger. Die Politik sollte dies in der Gesetzgebung berücksichtigen und zusätzlich wirtschaftliche Anreize schaffen. Was Letzteres betrifft sind wir da aber genauso in der Steinzeit wie bei der Mobilität. Die Gesellschaft insgesamt ist viel bereitwilliger auf den Wandel eingestellt als die Politik das wahrhaben will. Der eigentliche Widerstand kommt aus der Wirtschaft: Warum soll ich mein Erfolgsmodell – Diesel-PKW, Betonhaus – umstellen, wenn es läuft? Da bewegt sich nur sehr langsam was. Allerdings gibt es auch große Bauunternehmen wie Züblin, die gerade massiv Holzbauer einkaufen, weil sie merken, dass es eine Trendwende im Baugewerbe gibt. Wenn wir den Klimawandel verhindern wollen, brauchen wir eine andere Einstellung im Umgang mit unseren Ressourcen: wir müssen weg von unserem ewigen Wachstumsglauben. Wir müssen weg von immer mehr Quadratmetern pro Kopf und kompaktere Wohnungen bauen. 

Die Gesellschaft insgesamt ist viel bereitwilliger auf den Wandel eingestellt als die Politik das wahrhaben will. Der eigentliche Widerstand kommt aus der Wirtschaft: Warum soll ich mein Erfolgsmodell – Diesel-PKW, Betonhaus – umstellen, wenn es läuft?

CCB Magazin: Wird die Politik dem wirtschaftlichen Primat überhaupt noch Herr?

Eike Roswag-Klinge: Der Historiker Hannes Heer hat einmal zu mir gesagt, dass man für die ganz großen Veränderung einen Skandal braucht. Im Wohnungsbau ist das noch nicht so greifbar wie beim Dieselgate, es fehlt das aufrüttelnde Moment. Wir verschließen gerade die Augen und verschieben das Problem auf andere Generationen.  Es bleibt die Frage wie wir in Zukunft leben wollen. Deutschland hat eine große Kompetenz im Lehm- und Holzbau. Zusammen mit dem Bambus sind das die Naturbaustoffe, die global zum Wandel der Bauindustrie führen werden. Wenn Deutschland hier eine Führungsrolle einnimmt, wenn wir vormachen, wie das technisch und gesellschaftlich funktioniert, werden wir auch wieder zum Vorbild für andere werden. In den 1980er Jahren hatten wir mit Aktivitäten für ein ökologischeres Handeln einen glänzenden Stand in der Welt. Jetzt weht der Wind der Innovationen aus einer anderen Richtung. Wir sind gerade nicht mehr führend, keine Vorbilder, und dies nicht nur nicht in der Autoindustrie. 

Eike Roswag-Klinge preist den nachhaltigen Bau mit Holz, Lehm und Bambus an. Foto: Jens Thomas
 

CCB Magazin: Wie stellst du dir die Stadt der Zukunft vor?

Eike Roswag-Klinge: Berlin? Vielfalt der Lebensformen zwischen Wohnen und Arbeiten. Soziale Mischung, Toleranz und Integration. Autofreie Innenstadt. Grün und quicklebendig! Berlin hat das Potential sich zu verdoppeln, sofern sich sein ökologischer Fußabdruck optimiert. Die Ressourcen-Region Berlin-Brandenburg könnte sich weitgehend aus regionalen Ressourcen umbauen und versorgen. 

CCB Magazin: Klingt märchenhaft. Eine letzte Frage noch: wie wohnst du eigentlich?

Eike Roswag-Klinge: Ach, ich wohne in einem ehemals besetzten Haus in der Adalbertstraße. Klimatechnisch eine Katastrophe, aber wir sind dran. Die Wände haben wir mit Lehm verputzt. Mit den Bambusoberflächen zusammen sorgt das für ein angenehmes Raumklima. Wir verzichten auch auf eine Lüftungstechnik und lüften manuell. Ich hab die Fenster immer offen. 


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