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Linnart Unger: „Für gute Firmen strengen wir uns doppelt an“

Linnart Unger: „Für gute Firmen strengen wir uns doppelt an“
Foto: @ Studio GOOD

Panama Papers, Dieselgate, Finanzskandale - die Liste unternehmerischer Tiefpunkte ist lang. Das Designunternehmen Studio GOOD zieht hier einen Schlussstrich: Es arbeitet nur mit Unternehmen zusammen, die sie für „gut“ empfinden. Klingt gut, wer aber sind die „Guten“? Und kann das auch als Unternehmenskonzept funktionieren? Wir haben Studio GOOD in ihrem Büro in Kreuzberg besucht und uns mit einem der Gründer, Linnart Unger, unterhalten. 
 

INTERVIEW Boris Messing
 


CCB Magazin: Linnart, euer Name ist Programm: Studio GOOD. Was ist für dich ein gutes Unternehmen? 

Linnart Unger:  Das lässt sich pauschal nicht sagen. Ein gutes Unternehmen ist für mich eines, dessen ethische Grundsätze ich teile und unterstützen will. Und nur mit solchen Unternehmen wollen wir zusammenarbeiten. Bisher ist uns das gelungen. Viele unserer Kunden sind keine gewinnorientierten Unternehmen. Wir arbeiten für viele Organisation aus dem kulturellen oder wissenschaftlichen Bereich – und für Hilfsorganisationen.

CCB Magazin: Ihr seid ein Design-Büro und entwickelt Design-Konzepte für andere. In eurem Portfolio finden sich Unternehmen wie Oxfam, Ärzte ohne Grenzen, die Welthungerhilfe, das Umweltbundesamt oder die Friedrich-Naumann-Stiftung. Wer entscheidet bei euch darüber, mit wem ihr zusammenarbeitet? 

Linnart Unger: Das entscheiden wir gemeinsam. Manchmal auch mit Leidenschaft: es ist ein Für und Wider. Bei uns wird alles wird auf den Tisch gepackt. Als wir 2009 zu dritt das Studio GOOD gründeten, war uns klar, dass das kein leichtes Unterfangen werden würde. Denn von Beginn an stand die Frage im Raum: wie kriegt man solche Kunden? Aber die gibt es. Irgendwann kam Ärzte ohne Grenzen auf uns zu, später Oxfam, und wir bekamen die Möglichkeit unser Repertoire auf andere NGOs, Forschungsinstitute und kulturelle Einrichtungen  zu erweitern. Es wurde fast zum Selbstläufer. 

CCB Magazin: Aber lässt sich immer nach diesem vereinfachten Schema gut-böse entscheiden, ob ein Unternehmen sozial verantwortlich handelt oder nicht? Ist Bayer zum Beispiel ein gutes Unternehmen, weil es lebenswichtige Medikamente herstellt oder ein schlechtes, weil es eine Firma wie Monsanto aufkauft, der vorgeworfen wird, Bauern abhängig zu machen, Monokulturen zu schaffen und für Mensch und Umwelt gefährliche Pestizide herzustellen?

Linnart Unger:Das stimmt, diese Unterscheidung zu treffen ist in der Tat nicht einfach. Und für uns ist das auch immer ein Abwägen. Wichtig ist uns, die Leute persönlich kennenzulernen, um ihre Ideologie, ihren Habitus zu verstehen. Wenn Siemens zu uns käme und fragen würde, ob wir die Broschüren für ihre Windturbinen gestalten könnten, würde ich sagen, warum nicht. Bei Bayer allerdings würden sich bei uns die Geister scheiden. Aber auch bei NGOs kann man nicht selbstverständlich davon ausgehen, dass sie immer nur Gutes bewirken. Wir wollen darum immer wissen: wie transparent sind sie wirklich? Spielen sie fair und setzen sie sich für etwas ein, das wir persönlich unterstützen? In kleiner Runde entscheiden wir dann, ob wir den Auftrag annehmen oder nicht. Neben dem Inhalt spielt natürlich auch die Zeit und das Budget eine Rolle. 

Bei uns wird alles wird auf den Tisch gepackt. Und das ist kein leichter Prozess. Denn von Beginn an stand die Frage im Raum: wie kriegt man Kunden, die Gutes tun? Aber die gibt es. Und für die arbeiten wir

CCB Magazin: Aber macht man es sich nicht zu leicht zu sagen: Ölindustrie, Waffenhersteller, Privatfernsehen schlecht, Erneuerbare Energien, Ärzte ohne Grenzen, Arte gut? Erfüllt nicht jede dieser Branchen unterschiedliche, für die Gesellschaft relevante Aufgaben? 

Linnart Unger: Sicher, aber eben nur zum Teil. Für uns kommt es darauf an, welche Ziele mit dem jeweiligen Projekt verfolgt werden, wo genau der Fokus liegt. Das ist nicht immer klar. So haben wir bisweilen Debatten darüber, wo für wen die Grenzen liegen. Viele hier würden zum Beispiel keine Kampagne der Bundeswehr zur Rekrutierung neuer Soldaten betreuen, stattdessen setzen wir aktuell für das „Forum Ziviler Friedensdienst“ die Website um und haben sie bei einer Kampagne für geringere Rüstungsausgaben unterstützt. Das ist genauso wichtig für die Sicherheit. Mehr Geld für Frieden, weniger für Aufrüstung. Auch bei der Pharmaindustrie gibt es, wie gesagt, geteilte Meinungen. Bei Green-Washing ist die Sache klar. Das machen wir nicht mit. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn ein Öltanker Leck liefe und daraufhin die Konzernspitze versuchen würde durch eine soziale oder ökologisch angehauchte Marketingkampagne davon abzulenken. Aber ich fahre natürlich selbst mal mit dem Auto oder Bus durch die Gegend - und das verbraucht Öl. Ein Dilemma. Entscheidend für uns ist, dass wir aktiv Prozesse unterstützen wollen und nicht einfach passiv den Status Quo hinnehmen. Ja, wir brauchen (noch) die Ölkonzerne, die Autoindustrie, die Bundeswehr für unsere Sicherheit, aber das ist halt nicht unser Ding. Gute und böse Firmen – das ist mir insgesamt zu plakativ. 

Auch bei NGOs kann man nicht selbstverständlich davon ausgehen, dass sie immer nur Gutes bewirken. Wir wollen darum immer wissen: wie transparent sind sie wirklich?

CCB Magazin: Design ästhetisiert Prozesse und Produkte. Wie groß siehst du hier die Gefahr der Manipulation? 

Linnart Unger:Die Gefahr ist da. Nehmen wir zum Beispiel die unzähligen Gütesiegel auf Lebensmitteln, die oftmals erfunden werden, um etwas Wohltuendes vorzugaukeln. Das sind dann irgendwelche Siegel auf Produkten, auf denen geprüfte Qualität draufsteht, am besten noch von Doktor Soundso empfohlen und mit einem Blatt versehen, das Gesundes suggerieren soll. Dafür gibt es beispielsweise eine Website – siegelkunde.de -, die darüber Auskunft gibt, was seriös ist und was nicht. Die meisten sind es nicht. Ein anderes Beispiel wären die ganzen Trittbrettfahrer, die sich im Dunstkreis des Biotrends bewegen, ohne tatsächlich ökologisch nachhaltig zu sein. Man könnte es auch Etikettenschwindel nennen. Umgekehrt können aber auch anziehend gestaltete Biochips aus regionalem Kartoffelanbau besser vermarktet werden. Design bietet in dieser Hinsicht viele Manipulationsmöglichkeiten des Kauf- und Konsumverhaltens – im Guten wie im Schlechten. Leider mehr im Schlechten. Bewusstsein ist hier wichtig. Die Aufklärungsarbeit muss am Konsumenten stattfinden. Ich bin gegen zu starke Reglementierungen.  

Mitarbeiter des Studio GOOD konzentrieren sich bei der Arbeit. Im Hintergrund eine Wand im Holzdesign. Tapete oder echt? @ Studio GOOD


CCB Magazin: Der Manipulationsgefahr zum Trotz: Wie wichtig ist Branding und Corporate Design für den Green-Economy-Bereich? 

Linnart Unger: Die Green Economy ist ein weiter Begriff. Aber um beim Beispiel der Lebensmittel zu bleiben: natürlich hat Design einen nicht geringen Anteil daran, dass biologische Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft und damit gesundes, regionales Essen beliebt geworden sind. Was heute fast schon Mainstream ist, galt früher als Marotte scheel beäugter Männer und Frauen mit Jutesäcken und Batik-Shirts. Heute gehört Bio zum guten Ton. LPG-Markt, Bio Company, Demeter und all die andern – natürlich haben die von vermarktungsstrategischem Design profitiert. 

Für Ölkonzerne will hier keiner einen Finger krümmen, Kohle hin, Kohle her

CCB Magazin: Lass uns über Geld reden. Studien wie von Matthias Euteneuer über „ethisches Unternehmertum“ haben dargelegt, dass verantwortungsbewusstes Handeln im Unternehmenskontext oft dem Prinzip der Gewinnmaximierung entgegensteht.  Hat die Entscheidung, nur für sozial verantwortungsvolle Organisationen und Firmen zu arbeiten, wirtschaftliche Nachteile für euch oder verdient ihr sogar daran?

Linnart Unger: Ja und Nein. Klar, Mercedes, Bosch oder Siemens, die zahlen natürlich mehr, das Dreifache! Das ist aber nicht unsere Philosophie. Es klingt vielleicht etwas pathetisch, aber gerade für die Unternehmen und Projekte, die wir überzeugend finden, die aber nicht gut zahlen können, strengen wir uns doppelt an. Wenn die dann noch dies und das dazu wollen, ein Banner mehr, eine Designlinie mehr, drücken wir ein Auge zu. Geld ist nicht alles. 15 Leute arbeiten momentan bei uns, würden wir Aufträge von den großen Firmen annehmen, müssten wir auch mehr Leute einstellen. Das finde ich aber nicht gut. Jetzt ist es noch übersichtlich und jeder kann seine auf ihn oder sie angepasste Work-Life-Balance schaffen, Vollzeit arbeiten oder in Teilzeit, sogar mehr Urlaubstage sind möglich. Wir sind ein gutes Team. 

CCB Magazin: Kommen zu euch auch Leute, die sich durch eine Kooperation mit euch eine Image-Aufpolierung ihres in der Öffentlichkeit negativ konnotierten Unternehmens erhoffen? Lehnt ihr Aufträge ab? 

Linnart Unger: Ja. Wir hatten schon Großkonzerne, die auf uns zukamen und unverblümt anfragten, ob wir nicht ihr Image aufpolieren könnten, wir seien doch so gut in Sachen Nachhaltigkeit. Nach außen hin müsse man das ja nicht so kommunizieren usw. Geld spielt da keine Rolle. Im Prinzip ist das ganz einfach: die Leute, die hier arbeiten, wollen das nicht. Für Ölkonzerne will keiner hier den Finger krümmen, Kohle hin, Kohle her. Und dann gibt es auch die geschäftliche Perspektive: würden wir so einen Auftrag annehmen, würden unsere NGO-Partner abspringen, die sich ja auch aus Überzeugung für uns entschieden haben. Wir sind in Deutschland mittlerweile ein erfahrenes Design-Studio mit Blick auf NGOs. Wir haben eine große Expertise entwickelt, wie man Menschen für bestimmte humanitäre Anliegen sensibilisieren kann und wie man sie durch Design bewegt.

Mitarbeiter des Studio GOOD hängen im Wohnzimmer rum. Was geht hier vor? @ Studio GOOD


CCB Magazin: Wie bereitet ihr euch auf das Design mit Unternehmen vor, die sich mit komplexen politischen Prozessen befassen? Wie habt ihr euch zum Beispiel auf die Zusammenarbeit mit der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur vorbereitet?

Linnart Unger: Man muss sich in das Thema einlesen. In diesem Fall waren das die diesbezüglichen Dokumente, für die wir die Gestaltung und Präsentation übernommen haben. Dann muss man grundsätzlich wissen, wer die angesprochene Zielgruppe sein soll. Danach richtet sich letztlich das Design. Retro, hip, futuristisch usw. 

CCB Magazin: Das, was ihr macht, ist eigeninitiativ. Der Nachhaltigkeitsforscher Stephan Bohle sagt, nur Eigeninitiative reicht nicht. Er fordert darum eine steuerliche Bevorteilung von Unternehmen, die nachhaltig arbeiten - und folglich eine Höherbesteuerung von denen, die das nicht tun. Was hältst du von dieser Idee?

Linnart Unger: Find ich gut.

CCB Magazin: Linnart, zum Schluss, was treibt dich an, das zu tun, was du tust? 

Linnart Unger: Mich treibt an, dass ich die Zeit, die ich mit meiner Arbeit jeden Tag verbringe - immerhin die Hälfte meiner Lebenszeit! -, für etwas Sinnvolles nutzen will. Und ich glaube, da spreche ich für das gesamte Studio.

CCB Magazin: Linnart, vielen Dank für das Gespräch. 


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