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Mathias Voigt: „Wir müssen heute die gesamte Klaviatur bespielen können“

Mathias Voigt: „Wir müssen heute die gesamte Klaviatur bespielen können“
Foto: © Sabine Felber / Literaturtest

Am 24./25. Januar findet der Kongress für die Zukunft des Publizierens in Berlin statt - future!publish. Der Schwerpunkt liegt auf neuen Technologien und KI-Algorithmen, auf den Beziehungen zwischen Verlagen und ihrer Autorschaft und grundlegenden Herausforderungen in digitalen Zeiten. Wir sprachen im Vorfeld mit Mathias Voigt, dem Geschäftsführer von Literaturtest und Organisator der Veranstaltung.  
 

 INTERVIEW JENS THOMAS

 

CCB Magazin: Herr Voigt, Sie organisieren am 24./25 Januar den Kongress future!publish im Mercure Hotel MOA Berlin, den Kongress für die Zukunft des Publizierens. Es ist der vierte seiner Art. Die Digitalisierung stellt gegenwärtig das komplette Verlagswesen auf den Kopf und Autoren vor ganz neue Herausforderungen. Welche Entwicklung macht ihnen am meisten Angst?

Mathias Voigt: Angst ist zunächst ein absolutes Fremdwort für mich. Im Ernst: Die Digitalisierung stellt unser ganzes Leben auf den Kopf – oder sie bereichert es ganz einfach und fügt ihm eine neue Note hinzu. Die Buchbranche ist die älteste Kultur- und Kreativindustrie – und eine der erfolgreichsten, was den Umsatz angeht: 500 Jahre Erfolgsgeschichte mit gedruckten Texten zwischen zwei Buchdeckeln. Nun geht es darum, neue Angebote zu schaffen, die auf die veränderten Nutzerbedürfnisse eingeht. Und das ist spannend – nicht beängstigend.

Nein, die Digitalisierung macht mir keine Angst. Und ich bin mir sicher, dass der überwiegende Teil der literarischen und nonfiktionalen Produktion auch weiterhin von „echten“ Autoren übernommen wird

CCB Magazin:Wenn Prognosen wahr werden – ich übertreibe – , braucht es in Zukunft weder Autoren noch Übersetzer. Schon jetzt wird Content über Algorithmen erstellt. Schon jetzt gibt es Werbespots, wie vom Autohersteller Lexus, der komplett über Künstliche Intelligenz erstellt wird. Welche positiven Effekte hat die Digitalisierung für das Verlagswesen und die Autoren? 

Mathias Voigt: Einer der positiven Aspekte der Digitalisierung ist, dass ganz offenbar mehr gelesen wird. Klar: Gute Technologie erlaubt auch, dass Texte und Inhalte allgemein „künstlich“ erzeugt werden. Aber ich bin mir sicher, dass der überwiegende Teil der literarischen und auch nonfiktionalen Produktion auch weiterhin von „echten“ Autoren übernommen wird. Das aber zu kuratieren und den Autoren den Rücken freizuhalten für ihre eigentliche Arbeit, das Schreiben, wird weiterhin Aufgabe von Verlagen sein. Verlage müssen heute nur stärker beweisen als früher, dass sie diese Aufgabe im Sinne der Autoren wahrnehmen, dass sie die richtigen Produkte schaffen und den Zugang zu den Lesern, vermittelt über den Handel oder direkt, ermöglichen.

 

CCB Magazin:Ein Schwerpunkt der future!publish liegt auf Künstlicher Intelligenz (KI) und ihrer Wirkung auf den Literaturbereich. Ein Impulsvortrag von Ralf Winkler und Gesa Schöning beschäftigt sich zum Beispiel mit der Frage, wie innovative Technologien und KI-Algorithmen dem Buchwesen dabei helfen können, der Optimierung von sowohl inhaltlichen als auch wirtschaftlichen Aspekten gleichermaßen zu begegnen? Wie lautet ihre Antwort? Und welche Konsequenzen hat das, wenn innovative Technologien und KI-getriebene Algorithmen das Verlagswesen zunehmend bestimmen?

Mathias Voigt: Mit den neuen Technologien lassen sich auf unterschiedlichen Ebenen Texte neu analysieren – so zum Beispiel in Bezug auf das Leseverhalten. Und die gewonnenen Erkenntnisse können dann natürlich wieder einfließen in Überlegungen zur Produktion und auch zum Marketing und dem Verkauf von Büchern. Daneben sind in den Verlagen gute Metadaten zu den Büchern ein sehr großes Thema. Die Beschäftigung damit setzt nicht erst im Verkauf ein, sondern beginnt bereits in den Lektoraten, in denen Bücher „geboren“ werden. Und schließlich erlauben KPI-Messungen Rückschlüsse auf den Erfolg bestimmter Produkte und Services. Auch hier können Technologien und Algorithmen wertvolle Helfer sein.

CCB Magazin:Aber hat das nicht einen Verlust der sogenannten Gatekeeper-Funktion zur Folge, wenn Roboter und Systeme künftig die Arbeit von Menschen ersetzen? Ein Workshop beschäftigt sich genau mit der Frage, wie sich durch den Verlust der Gatekeeper-Funktion, die Verlage über Jahrhunderte ja innehatten, die Beziehung zwischen Verlag und Autor verändert. Wie hat sich das Verhältnis verändert? Welche Vor- und Nachteile sehen Sie? 

Mathias Voigt: Auch hier gilt: Die Verlage müssen sich im Moment so stark wie wahrscheinlich noch niemals zuvor beweisen als Partner der Autoren. Und das hat mit den Möglichkeiten des Self-Publishing zu tun, mit der Chance, elektronisch zu produzieren, aber auch – auch das eine echte Revolution! – mit veränderten Möglichkeiten im Druckbereich: Heute lassen sich schon Auflagen ab einem Exemplar marktfähig drucken. Hinzukommen die Möglichkeiten des Direktvertriebs von Büchern. Verlage müssen in diesem Umfeld mit umfassender Marktkenntnis punkten – von der Herstellung über Marketing/PR bis zum Verkauf. Sie müssen in den Binnenbeziehungen zu den Autoren und den Außenbeziehungen zu Presse, Influencern, Händlern, Bibliothekaren usw. selbst so stark sein, auch als Marke, dass die Autoren weiterhin sagen: Das, was die machen, das kann ich nicht – und ich will es vielleicht auch gar nicht, weil ich mich auf das Schreiben konzentrieren möchte. 

CCB Magazin:Die Anzahl an Autoren, die über Self-Publishing publizieren, nimmt aber zu. Nach Angabe von Gerd Robertz von Books on Demand war bereits Ende 2017 jede dritte Erstauflage selbst verlegt – Tendenz steigend. Und auch wenn sich das mittlere Einkommen eines Self-Publishers in Deutschland über die Jahre erhöht – 2018 lag es bei 1.048 Euro monatlich – verdient noch immer ein gutes Drittel nichts, so die Ergebnisse einer Umfrage des Journalisten Matthias Matting zum Schwerpunkt Self-Publishing (selfpublisherbibel.de). Ist die Digitalisierung eine Chancenmehrung für Verlage und Autoren oder Prekarisierung auf digitalem Niveau?

Mathias Voigt: Es stimmt, die Möglichkeiten zu publizieren sind vielfältiger geworden – für Autoren und Verlage. Und Verlage und Selfpublisher müssen gleichermaßen die gesamte Klaviatur bespielen, um unternehmerischen Erfolg zu haben – von den klassischen Vertriebswegen im in Deutschland immer noch sehr vielfältigen und starken stationären Buchhandel bis zu den digitalen „Outlets“. Insofern würde ich sagen, ist die Digitalisierung eine Chance! 

Verlage müssen sich so stark wie nie zuvor als Partner der Autoren beweisen. Und das ist etwas Gutes

CCB Magazin:Zum Schluss ein Tipp für Eilige, die morgen nicht wissen wo sie hin sollen. Was sollte man am 24./25.1. auf der future!publish auf keinen Fall verpassen? 

Mathias Voigt: Ich freue mich auf jeden Fall wieder auf viele tolle Begegnungen mit interessanten Leuten. Aus dem Programm etwas herauszuheben, ist allerdings so eine Sache: Schließlich haben wir als Veranstalter das ja alles kuratiert und sind entsprechend Fans von allen Referenten und ihren Themen. Aber Seitenblicke finde ich zum Beispiel immer spannend. Deshalb freue ich mich auf das Impulsreferat von Philipp Reinartz zum Thema Gamification und möglichen Ableitungen für die Buchbranche. 

CCB Magazin:Letzte Frage: Was lesen Sie eigentlich selbst? Bevorzugen Sie E-Books oder das haptische Buch? 

Mathias Voigt: Ich lese natürlich digital, ich schätze aber genauso das gedruckte Buch. Und ja: Ich habe auch bisher wenig aus meiner privaten Bibliothek aussortiert. Für mich sind Bücher einfach immer noch der perfekte „Container“ für Fantasie und Wissen, aber auch für Spannung und Unterhaltung. Sie bieten einen erstklassigen Zugang zu ganz unterschiedlichen Welten. Das Format, in dem sie dargeboten werden, spielt dabei eigentlich keine Rolle.


Profil von Mathias Voigt auf Creative City Berlin


Das Interview ist Teil des neuen Printmagazins „The Big Good Future #2“, das hier online gelesen werden kann.

 

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