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Teilen, Tauschen, Theater machen

Teilen, Tauschen, Theater machen
Foto: © re:publica

Jan Philip Steimel, hier als Speaker auf der re:publica, arbeitet an Modellen für eine teilbare Welt.

Jan Philip Steimel will das Prinzip Teilen und Tauschen in die Theaterwelt bringen. Dazu hat er dingsda gegründet, die erste Plattform für Theaterschaffende, die die Bedarfe von Produktionsmitteln organisierbar und miteinander teilbar macht.  Wie genau funktioniert das Ganze? Wem ist geholfen? Wir haben uns mit dem studierten Kulturwissenschaftler unterhalten, der sein Konzept am 29.10 auf unserer Veranstaltung „Support Your Local Culture“ vorstellen wird. 
 

Interview Lino Knocke

 

CCB Magazin: Hallo Philip, stell dich doch erst mal kurz vor: Wer bist du und was machst du?

Philip:Ich bin Jan Philip Steimel, ich arbeite an verschiedenen Orten als freiberuflicher Künstler und Programmierer, bin Gründer des Theaterkollektivs Machina Ex, über das ich Computerspiele mit inter(re)aktiven Inszenierungen aufmische. Zudem bin ich der Developer der Open-Source-Plattform dingsda, nicht zu verwechseln mit der deutschen ARD-Unterhaltungssendung der 1990er Jahre, in der Ratebegriffe von Kindern umschrieben werden.

CCB Magazin:Und was genau ist dieses dingsda? 

Philip:Dingsda ist eine Plattform, um die Bedarfe von Produktionsmitteln für Theaterschaffende organisierbar und miteinander teilbar zu machen. Denn: Es gibt im deutschsprachigen Raum jährlich 8.500 unterschiedliche Produktionen, in Deutschland existieren 1.000 Bühnen, 65.000 Theaterprofis und 25 Millionen Theaterzuschauer gibt es bundesweit – die Bedarfe sind enorm. Und jeder kennt die Situation: Du planst eine Aufführung, brauchst dies und das, hast es aber nicht zur Hand – du musst es kaufen. Durch dingsda bekommst du Einblick in die Unmengen an nützlichen Gegenständen, die in den Lagern anderer nur verstauben würden. Dingsda soll das Ausleihen erleichtern. 

Dingsda ist eine Plattform, um die Bedarfe von Produktionsmitteln für Theaterschaffende organisierbar und miteinander teilbar zu machen. Durch dingsda bekommst du Einblick in die Unmengen an nützlichen Gegenständen, die in den Lagern anderer nur verstauben würden. Dingsda soll das Ausleihen erleichtern

CCB Magazin:Aber es gibt doch schon zig Tauschbörsen. Was ist das Besondere? 

Philip:Ja, es gibt viele Plattformen, aber eben keine für Theaterschaffende – und die Bedarfe sind hier sehr speziell. Das Problem ist: Freiberufler, kleine Firmen, Vereine und Privatmenschen sammeln über die Jahre eine Unmenge an Equipment, Werkzeugen, Kostümteilen und anderweitig nützlichen Gegenständen an. Die Sachen verstauben aber in den Lagerräumen und werden nur ein paar Mal im Jahr genutzt. Dingsda schafft hier Abhilfe. Denn viele Projekte in der Theaterszene finden heute gleichzeitig statt. Die Organisation wird meist über Google Spreadsheets abgewickelt – da werden Lagerlisten für den Zoll, für die Abrechnung oder das Inventar erstellt. Erfahrungsgemäß funktioniert das bei horizontalen, kollektiven Strukturen aber eben nicht so gut. So kam auch die Idee von dingsda auf. Ich dachte mir: Okay, das lässt sich vielleicht mit einer Mobile App lösen, die eine Plattform mit Datenbank verwaltet, bei der man alles aus der Hosentasche heraus buchen und organisieren kann. Dingsda ist Teil des Internet der Dinge, wenn man so will.

Bei der Arbeit: Jan Philip Steimel von dingsda. © Jan Philip Steimel

CCB Magazin:Richard Sennett sprach im Kontext der „Internet of things“ von der „Null-Grenzkosten-Gesellschaft“, die den Kapitalismus an sein Ende führen könnte, wenn das Teilen zum neuen Mantra wird. Ein Problem ist aber, dass gerade viele kleine Anbieter von der Sharing Economy kaum oder gar nicht leben können. Wie finanziert ihr dingsda?

Philip:Die Tatsache, dass wir dingsda kostenlos und Open Source halten wollen, macht es förderbedürftig. Wir hatten Glück und konnten das Projekt über den Prototyp Fund erstmal zum Laufen bringen und einen ersten Prototyp entwickeln. Die ersten sechs Monate, die ich über den Prototyp Fund gefördert war, habe ich dingsda komplett alleine entwickelt mit Testern und Freunden aus meinem Theaterkollektiv. Nach den sechs Monaten musste ich dann erstmal wieder Geld verdienen. Momentan habe ich wieder ein bisschen mehr Zeit und entwickle die Plattform weiter, um es bald in die App Stores zu schieben. 

Meine Vision ist, dingsda zu einem sozialen Netzwerk für Gegenstände auszubauen, ein Internet der Dinge im eigentlichen Sinn. Dingsda ist mein Beitrag zu einem nachhaltigeren Umgang mit unseren Ressourcen, bei dem das Teilen wieder zur solidarischen Geste wird

CCB Magazin:Das Thema Teilen und Tauschen gewinnt seit Jahren an Dominanz. In der Modewirtschaft geht es vor allem um ein neues ökologisches Bewusstsein, das Arbeit und Ökonomie grundsätzlich verändert. Ich verstehe dingsda eher so, dass es ganz pragmatisch darum geht, Kosten sparen zu können. Liege ich falsch? 

Philip:Ich würde beides in Einklang bringen. Ja, es ist eine Form der Kostenreduktion und darum ganz pragmatisch aber eben auch hilfreich für Theaterschaffende, weil oft die Gelder knapp sind. Zugleich ist es eine Form der Kritik, die sich an die ungerechte Verteilung von Produktionsmitteln in der Gesellschaft richtet. 

CCB Magazin:Philip, welche Vision hast du? Und wo siehst du dingsda in der Zukunft? 

Philip:Meine Vision ist, dingsda zu einem sozialen Netzwerk für Gegenstände auszubauen, ein Internet der Dinge im eigentlichen Sinn. Unsere Zielgruppe soll sich von Künstlern, Theaterkollektiven und Hackern auf alle Personengruppen erweitern, um durch den Austausch von Dingen auch den gesellschaftlichen Austausch zu fördern. Dingsda ist mein Beitrag zu einem nachhaltigeren Umgang mit unseren Ressourcen, bei dem das Teilen wieder zur solidarischen Geste wird. In einer weiteren Zukunft kann ich mir aber auch sehr gut vorstellen, dass eine Plattform wie dingsda die Vermietung, den Verleih, etc. auch kommerziell umsetzt.

 

CCB Magazin:Letzte Frage: Am 29.10 Philip stellst du dingsda auf unserer Veranstaltung „Support Your Local Culture“ vor. Was sind deine Erwartungen? 

Philip:Ich freue mich sehr auf die Veranstaltung, denn ich werde dingsda in der aktuellen Prototypform  an einem Stand vorstellen und Leuten erklären, wofür das gut ist und mir Feedback einholen, und – who knows – vielleicht sogar ein paar Leute finden, die Interesse haben, bei der Entwicklung mitzuhelfen. Ich bin gespannt. 

Rubrik: Innovation & Vision

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