Nachhaltigkeit, Beratung Zurück

Robert Stolt: "Sobald die Sonne weg ist, wird auf Silent Disco umgestiegen"

Robert Stolt: "Sobald die Sonne weg ist, wird auf Silent Disco umgestiegen"
Foto: © Hirsch & Fuchs
Robert Stolt, erster von links, berät mit seinem Team zu nachhaltigen Festivalstrategien. 

Unmengen an produziertem Müll, brachgetrampelte Grünflachen, Menschenmassen auf einem Fleck, dazu hinterlassene Zelte, Campingstühle, stinkende Dixies und Alkoholleichen über das Gelände verteilt - so oder ähnlich sieht die hiesige Festivalkultur aus. Robert Stolt von der Festivalberatung FUCHS & HIRSCH aus Berlin-Pankow berät Festivalplaner, wie man Festivals ökologisch plant und (um)gestaltet. Ein Gespräch mit einem Mann, der an kulturellen Stellschrauben dreht. 

 

Interview Lino Knocke

 

CCB Magazin: Hallo Robert. Der gesamte Veranstaltungsmarkt hat im Jahr 2018 rund 3 Millionen Veranstaltungen umfasst. Unter den Events sind die Festivals die mit Abstand am energie- und ressourcenhungrigsten. Darum beratet ihr Festivalplaner zu Nachhaltigkeitsstrategien. Kann ein Festival überhaupt nachhaltig sein?

Robert Stolt:Selbstverständlich! Es kann nicht nur, es muss. Nachhaltigkeit ist ja mittlerweile fast schon ein Allerweltswort geworden und muss für alles herhalten. Aber gerade von Seiten der Festivalbesucher besteht ein immer größeres Bedürfnis nach umweltfreundlicheren Festivals.

Hinter FUCHS & HIRSCH stecken sowas wie die Gelben Seiten des Qualitätsmanagements, zugeschnitten für Festivals. Wir vermitteln das Produkt oder die Dienstleistung unserer Partner an das passende Festival. Dabei wissen wir genau, wen wir empfehlen und wen wir besser außen vor lassen

CCB Magazin: Kannst du mal ein Beispiel von einem nachhaltigen Festival geben?

Robert Stolt: Beispiel FUTUR ZWEI-Festival nahe Hamburg: Das Festival hat eine minimale Müllbilanz, bewachte Fahrradparkplätze und solar-betriebene Stages. Sobald die Sonne weg ist, wird auf Silent Disco umgestiegen: Der DJ spielt nur so lange, bis die letzte Energie verbraucht ist – danach gehen alle schön nach Hause. Das Catering ist komplett biologisch und regional organisiert. Am Ende des Festivals folgt eine umfassende Abschlussanalyse des CO2-Abdrucks.

CCB Magazin: Ihr habt eine Beratungsagentur, FUCHS & HIRSCH. Welche Rolle spielt ihr dabei?

Robert Stolt: Wir sind von Herzen Netzwerker. Hinter FUCHS & HIRSCH stecken sowas wie die Gelben Seiten des Qualitätsmanagements, zugeschnitten für Festivals. Auf der einen Seite kommen Leute auf uns zu mit ihren Innovationen, beispielsweise einer recycelbaren Tiefkühlbox für Besucher. Oder Saatgut-Konfetti, biologisch abbaubarer Glitzer, Pfandmarken aus Restholz. Diese innovativen Leute haben oft das Problem, nicht an die Festivalbetreiber heranzukommen, weil die sich meist vor Anfragen nicht retten können. Wir vermitteln. Auf der anderen Seite bekommen wir Anfragen von den Festivals, die nachhaltige Konzepte entwickeln wollen.

Foto © Fuchs & Hirsch

CCB Magazin: Euch gibt es seit 2015. Als Festivalberatung versucht ihr das Thema Nachhaltigkeit immer mitzudenken. Was gab den Anstoß dazu?

Robert Stolt: Wir sind gelernte Veranstaltungskaufleute und waren schon immer im Festivalbusiness unterwegs und haben Großveranstaltungen mitorganisiert. Ich komme sozusagen aus dem Marketingbereich und habe oft Anfragen bekommen, wer denn was so macht in der Festivalbranche. Die Anfragen haben sich irgendwann so gehäuft, dass ich mit meinem Kollegen überlegte: Mensch, das müssen wir doch alles einmal bündeln. Daraufhin habe ich mir Listen angelegt mit verschiedenen Dienstleistern, vom Catering bis zum Bühnenbau. Wir haben unser gespartes Geld zusammengeworfen, unsere Webseite in Auftrag gegeben und die einzelnen Module herausgearbeitet: Festivalgelände, Technik, Dekoration, Catering, Marketing, Förderung, Sponsoring, usw. Im Jahr 2018 hat es dann richtig geknallt mit Anfragen, alles durch Mund-zu-Mund-Propaganda, ohne Facebook oder Instagram.

Gerade bei unerfahrenen Festivals oder Neugründungen kannst du genau sagen, was es braucht, um von Anfang an ein nachhaltiges Festival zu organisieren.  Aus Veranstaltersicht ist dabei das aller Wichtigste, dass du ein richtig gutes Team hinter dir stehen hast

CCB Magazin: Mittlerweile betreut ihr 70 Festivals. Was sind das für Festivals?

Robert Stolt: Vor allem viele neue. Viele, die sich im Bereich bis zu 10.000 Gästen bewegen. Gerade bei unerfahrenen Festivals oder Neugründungen kann man genau sagen, was es braucht, um von Anfang an ein nachhaltiges Festival zu sein. Natürlich reicht es nicht, dass die Leute nur mit ihrer Idee zu uns kommen – die müssen schon einen Plan haben. Vor allem prüfen wir auch die Dienstleister, die wir vermitteln und fragen bei den Festivalbetreibern nach, ob auch alles glatt lief. So sieben wir aus, wen wir empfehlen und wen wir besser außen vorlassen. Denn wenn etwas nicht zufriedenstellend war, fällt das auf uns zurück. Beratung heißt in dem Falle auch Feedback zu geben, was verbessert werden muss.

CCB Magazin: Jetzt mal konkret: Was braucht es, um von Anfang an ein nachhaltiges Festival zu organisieren?

 

Foto © Fuchs & Hirsch

Robert Stolt: Alle Zahnräder müssen ineinandergreifen. Aus Veranstaltersicht ist das aller Wichtigste, dass du ein richtig gutes Team hinter dir stehen hast. Bei einer Neugründung ist die erste Frage: Welche Bank nehme ich? Die GLS-Bank setzt sich zum Beispiel für soziale Projekte ein. Das sind dann die Füße, auf denen du stehst. Danach kommen die Grundfragen deiner Ausrichtung: Willst du ein vegetarisches oder veganes Festival? Welche Getränke sollen verkauft werden? Ein Teil von der Getränkemarke Solimate wird beispielsweise an Seewatch gespendet. Davon profitiert natürlich auch die Außenwahrnehmung des Festivals. Das Konzept solltest du von Beginn an klar kommunizieren und deiner Linie treu bleiben. Wenn du dich jedes Jahr veränderst, kannst du viele Leute damit vergraulen. Sei dir über deine Zielgruppe bewusst, die du langfristig tragen möchtest. 

Je mehr Festivals sich nachhaltig ausrichten, desto günstiger und realisierbarer werden sie. Das bedeutet, dass nicht nur die Eintrittspreise vertretbar sind, sondern auch die Leute, die das Festival ermöglichen, angemessen bezahlt werden

CCB Magazin: Wie steht‘s mit der sozialen Nachhaltigkeit? Sind nachhaltige Festivals nicht auch teurer und grenzen durch den Preis finanzschwächere Gruppen aus?

Robert Stolt: Je mehr Festivals sich nachhaltig ausrichten, desto günstiger und realisierbarer werden sie. Das bedeutet, dass nicht nur die Eintrittspreise vertretbar sind, sondern auch die Leute, die das Festival ermöglichen, angemessen bezahlt werden. Namentlich die Musiker. Es ist oft ein schwieriger Abwägungsprozess. Beispiel: Ökotoiletten. Das Teuerste an Ökotoiletten sind die Logistikkosten. Auch Sponsoring spielt eine wichtige Rolle: Überleg dir mal, du sitzt auf einer Ökotoilette, die Tür zu, und vor dir ist ein Plakat des Sponsors zu sehen – du hast sofort einen direkten Kontakt! Und wenn der Sponsor schlau ist, dann setzt er sich dafür ein, dass auf dem ganzen Festival nur Ökotoiletten zu finden sind. Das gibt es zwar noch nicht, aber ich hoffe, es entwickelt sich in diese Richtung.

CCB Magazin: Bleiben wir beim Geld. Spart man bei der ökologischen Umgestaltung Geld oder zahlt man am Ende drauf?

Robert Stolt: Die Frage ist eher auf welche Ausgaben man verzichten kann. Wir geben oft den Tipp das Budget gründlich zu überdenken – und vielleicht bei den großen Werbebudgets für die sozialen Medien zu sparen und besser auf die Community des Festivals zu hören. Wenn die Gäste dir sagen, sie möchten lieber saubere Komposttoiletten anstatt stinkende Dixies, dann sollte man dies auch versuchen umzusetzen. Die Festivalgäste danken es einem und man muss nicht jedes Jahr wieder die Werbekeule schwingen.

CCB Magazin: Und wie finanziert ihr euch? Was ist euer Geschäftsmodell?

Robert Stolt: Wir haben von Anfang an gesagt: Wenn wir etwas vermitteln, soll der Festivalveranstalter dafür nichts bezahlen. Von unseren Partnern, deren Dienstleistungen wir vermitteln, bekommen wir einen prozentualen Anteil. Unser Ansatz ist folgender: Der Dienstleister soll ungefähr den gleichen Preis bekommen, egal, ob durch uns vermittelt oder direkt vom Veranstalter angefragt. Außerdem machen wir noch Marketing für Festivals, das heißt nichts mit Instagram oder Facebook. Wir versuchen stattdessen Interviews zu vermitteln oder in Blogs zu beleuchten, wer hinter welchen Festivals steht, so dass man bei Google-Suchen viel über das jeweilige Festival findet. Dadurch dass wir ein B2B-Unternehmen sind und kein Verein, sind Fördermittel für beratende Tätigkeiten schwierig zu bekommen. Und mit Investoren wollen wir nicht zusammenarbeiten, wir wollen es lieber langsam und nachhaltig aufbauen.

CCB Magazin: Die vergangenen zwei Jahre waren ziemlich schwierig für Festivals und andere Live-Veranstaltungen. Wie habt ihr die Zeit erlebt? Gab es überhaupt etwas zu tun?

Robert Stolt: Natürlich. Festivals durften ja in einem Rahmen von maximal tausend Personen stattfinden. Wir haben einige Festivals daraufhin beraten, wie sie ihr Festival splitten können, um mehrere kleinere Events zu machen statt einem großen. Insbesondere haben wir auch zum Thema Streaming beraten, als zusätzliche Einnahmequelle für Festivals. Nur beim Thema Fördermittel haben wir uns rausgehalten.

CCB Magazin: Was war euer größter Erfolg bisher und wo seht ihr euch in der Zukunft?

Robert Stolt: Unser größter Erfolg hat sich erst vor wenigen Wochen ereignet mit Future of Festivals, der ersten Festivalmesse in Deutschland. Wir haben es geschafft, im vergangenen Jahr an einem November-Wochenende alle relevanten Festivalvertreiber, Dienstleister und Event-Akteure in Berlin in der Arena zu versammeln. Das Ganze haben wir unter 2G Plus veranstaltet mit insgesamt 2.000 Teilnehmern. Die Resonanz war überwältigend! Viele haben gesagt, endlich gibt es eine Messe, wo wir uns treffen und austauschen können. Deutschland hinkt da etwas hinterher. Länder wie Belgien, Holland oder England haben das schon längst. Wir hatten einige Prominenz am Start. Vom Burning Man war Festivalhead Steven Raspa zu Gast, der sich sehr für Materialkreisläufe interessiert hat, um zu sehen, was recycelt werden kann. Und von der Fusion kam Martin Eulenhaupt. Wir wollen die Messe ausbauen und in den kommenden Jahren zu einem Standard etablieren.

CCB Magazin: Robert, vielen Dank für dieses Gespräch.


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