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Hey Hey Wiki

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Foto: © Christian Klant

2001 wurde über Wikipedia der Zugang zu Wissen im Netz revolutioniert – (fast) jeder konnte mitmachen, Informationen und Wissen wurden frei zugänglich. Die Plattform WikiRate folgt diesem Prinzip: Sie trägt als Netzwerk Informationen über Unternehmen an einem Ort zusammen, um neue Transparenz zu schaffen: Wie stehen Zalando oder Zara zum Thema Menschenrechte? Wie verhält sich eine Modekette wie Benetton zu Umweltverschmutzung, wie Facebook in Sachen Transparenz? Das Ziel: den Großen auf die Finger schauen. Wir haben uns mit Laureen van Breen von WikiRate unterhalten und fragen: Kann WikiRate das Versprechen halten? Wie akkurat recherchiert sind die Daten? Und was kann eine Plattform wie WikiRate am großen Ganzen verändern? 

 

Interview Boris Messing und Jens Thomas 

 

CCB Magazin: Hallo Laureen, WikiRate ist ein offenes, kollaboratives digitales Netzwerk, um wichtige Fragen rund um Arbeitsbedingungen, Lieferketten und Transparenz zu beantworten. Warum braucht es so etwas wie WikiRate?

Laureen: Eine Plattform wie WikiRate braucht es, weil Informationen über Unternehmensleistungen großer Unternehmen heute im Verborgenen liegen. Es herrscht wenig Transparenz. Die ist aber wichtig für unser Konsumverhalten. Ohne kostenlose und offene Daten darüber, wie Unternehmen arbeiten, können wir sie nicht bewerten. 

CCB Magazin:Und ihr löst mit WikiRate dieses Problem wie? 

Laureen:Wir arbeiten daran, Informationen offenzulegen – indem wir alle öffentlichen Daten über die Leistung von Unternehmen an einem Ort zusammenführen. Wir machen Daten zugänglicher, vergleichbarer, nutzbarer. 

 

CCB Magazin:Die Inhalte auf WikiRate werden von einer großen internationalen Community recherchiert, überprüft und organisiert. Woher weiß ich, dass Informationen auf WikiRate zuverlässig sind? Gibt es zum Beispiel Quellenangeben wie bei Wikipedia? 

Eine Plattform wie WikiRate braucht es, weil Informationen über Unternehmensleistungen großer Unternehmen heute im Verborgenen liegen. Wir machen Daten zugänglicher, vergleichbarer, nutzbarer

Laureen:Wikipedia ist auf die Community-Beiträge angewiesen, in unserem Fall müssen die Nutzer aber ein Konto auf WikiRate haben, um Beiträge einzustellen. Wie Wikipedia-Artikel müssen aber auch bei uns die Daten, die auf der WikiRate-Plattform gehostet werden, auf öffentlich zugängliche Quellen verweisen. Auch wir wollen wissen, woher die Informationen stammen. Unsere Informationen müssen glaubwürdig sein, und wenn ein Mitwirkender gegen unsere Nutzungsbedingungen verstößt, ergreifen wir entsprechende Maßnahmen. 

CCB Magazin:Und die Quellen sind zuverlässig? 

Laureen:Das ist eine schwierige Frage. Hier unterscheiden wir uns auch zu Wikipedia. Wikipedia erlaubt nur Daten aus sekundären Quellen, aber die meisten der von uns zusammengetragenen Informationen sind nur aus primären Quellen verfügbar, nämlich aus der direkten Berichterstattung der Unternehmen selbst. Die WikiRate-Community, zu der natürlich auch unser Team gehört, ist dafür verantwortlich, dass das, was Unternehmen berichten, auch richtig ist. Das ist eine größere Herausforderung, das schafft man auch nicht alleine. Darum arbeiten so viele Interessengruppen an WikiRate mit, einschließlich Investoren, Politiker und Verbraucher.

 

WikiRate in Numbers. https://wikirate.org/

 

CCB Magazin:Wer ist eure Hauptzielgruppe?

Laureen:Wir richten uns zunächst an alle Interessengruppen. Hauptsächlich nutzen WikiRate derzeit aber zivilgesellschaftliche Organisationen und freiwillige Netzwerke sowie Professoren und Studenten. Das heißt, im Vordergrund stehen auch die Forschung  und ein entsprechendes Analysepotenzial. Darüber hinaus haben zivilgesellschaftliche Organisationen und Professoren über WikiRate die Möglichkeit, ihre Forschung voranzutreiben, sie sind daher auch entscheidend für das Wachstum von WikiRate. Und interessiert an WikiRate sind natürlich zusätzlich politische Entscheidungsträger, Mitarbeiter von Unternehmen, Investoren und Journalisten. Diese Gruppen sind zwar selbst nicht auf der WikiRate-Plattform aktiv. Sie sind aber ein Zielpublikum.   

CCB Magazin:Ein Ziel von WikiRate ist es, selbst große Unternehmen wie Intel, Microsoft oder Dell einzubeziehen. Sprecht ihr diese Unternehmen gezielt an oder kommen die auf euch zu?

Laureen:Die Mehrheit der Unternehmen, mit denen wir uns befassen und über die wir Daten auf Wikirate zusammentragen, stammt durch unsere Recherche, das heißt, wir befassen uns mit ihnen. Im Gegenschritt gehen natürlich auch einige Unternehmen direkt auf unsere Website, um zu sehen, wie sie auf der Plattform dargestellt sind. Unser Ziel ist es, Unternehmen dafür zu sensibilisieren, dass das, was wir tun, sinnvoll ist. 

WikiRate ist ein Ort für fachkundige und nicht fachkundige Forschung und Analyse. Nach unserer Erfahrung sind ehrenamtliche Forscher oft mehr in ihre Forschungsthemen und Datengenauigkeit involviert als etwa ein ESG-Berater, der nur einmalige Analysen durchführt

CCB Magazin:Große Unternehmen geben Milliarden für Marketing, Werbung, Corporate Identity aus – ein unbezahlter Forscher hingegen wird wahrscheinlich eine oberflächliche Forschung durchführen. Wie kann ich sicherstellen, dass die für WikiRate verwendeten öffentlichen Daten nicht von Unternehmen manipuliert werden? 

Laureen:WikiRate ist ein Ort für fachkundige und nicht fachkundige Forschung und Analyse. Die Datensätze, die von Experten wie Benchmarking-Organisationen erstellt wurden, sind auf WikiRate geschützt. Das bedeutet, dass diese Metriken und Dateneingaben nur von dem Unternehmen bearbeitet werden können, das die Forschungsmethodik entwickelt und die Informationen gesammelt hat. Nach unserer Erfahrung sind ehrenamtliche Forscher oft auch mehr in ihre Forschungsthemen und Datengenauigkeit involviert als etwa ein ESG-Berater, der nur einmalige Analysen durchführt. Unterstützt durch eine Reihe von Mechanismen zur Verbesserung der Datenqualität, wie zum Beispiel Double-Checks, ist unsere Gemeinschaft freiwilliger Forscher in der Lage, unglaublich wertvolle Datensätze bereitzustellen. In Bezug auf Unternehmensbeiträge begrüßt WikiRate Unternehmen, die neben anderen Community-Mitgliedern selbst Daten überprüfen und hinzufügen können. Dazu müssen sie einfach wie alle anderen Mitwirkenden Quellen nennen, damit ihre Beiträge validiert werden können. Wenn ein Unternehmen oder eine von der Gemeinschaft hinzugefügte Quelle als ungültig erachtet wird, öffnet dies die Tür für eine Diskussion über die Daten, die Glaubwürdigkeit der Quellen und schließlich können neue, möglicherweise widersprüchliche Daten hinzugefügt werden.

Für WikiRate ist die Zusammenarbeit mit Unternehmen, die ihre eigene Transparenz neben der von anderen verbessern wollen, eine positive Sache. Uns geht es um den Aufbau sinnvoller Beziehungen, die es ermöglichen, die Praktiken der Unternehmen systematisch zu verbessern: Denn je transparenter Unternehmen sind, desto besser ist es für alle

CCB Magazin:Auch Zalando, eines der erfolgreichsten deutschen Unternehmen in der Modeindustrie mit Sitz in Berlin, setzt über das hauseigene Projekt zImpact auf neue Transparenz in der Lieferkette über WikiRate. Wie groß ist die Gefahr des Green Washings?

Laureen:Das zImpact-Programm von Zalando sieht einen Mehrwert in WikiRate und unterstützt viele Supply-Chain-Initiativen, die darauf abzielen, die Messlatte für Transparenz und Verantwortlichkeit in der Modebranche höher zu legen. Für WikiRate ist die Zusammenarbeit mit Unternehmen, die ihre eigene Transparenz neben der von anderen verbessern wollen, eine positive Sache. Darüber hinaus ist den Unternehmen, die mit WikiRate arbeiten, aber klar, dass sie sich an die gleichen Standards wie alle anderen halten müssen. Uns geht es um den Aufbau sinnvoller Beziehungen, die es ermöglichen, die Praktiken der Unternehmen systematisch zu verbessern. Je transparenter Unternehmen sind, desto besser ist es für alle. 

CCB Magazin:Um ehrlich zu sein, finden wir die Plattform an vielen Stellen noch nicht sonderlich verständlich. Was wollt ihr noch optimieren? 

Laureen:Wir haben gerade die Navigation auf WikiRate verbessert, damit der Nutzer wichtige Informationen über einzelne Unternehmen besser finden kann. Auch kann man nun besser zwischen der Datenplattform und den Recherchetools navigieren. Die WikiRate-Plattform ist ja noch in der Beta-Phase. Das heißt, sie entwickelt sich noch. So haben wir uns in den letzten Jahren zum Beispiel auf den Ausbau der Datenressourcen und damit auf die Entwicklung von Forschungsinstrumenten und Partnerschaften konzentriert, die es uns ermöglichen, neue strukturierte und vergleichbare Datensätze zu generieren. Und die Plattform hat ja durchaus Auswirkungen: Unsere gesammelten Informationen fließen zum Beispiel in Datenexporte und externe Analysen ein, die dann in Publikationen, Berichten und Ausschüssen veröffentlicht werden. 

CCB Magazin:Letzte Frage: Geld. Wie finanziert ihr WikiRate? Und wo steht die Plattform in ein paar Jahren? 

Laureen:WikiRate wurde bislang zweimal durch Zuschüsse der Europäischen Kommission finanziert. Unterdessen haben wir begonnen, unsere Finanzierung durch Spenden, Zuschüsse von Stiftungen und Auftragsarbeiten auszuweiten. Das funktioniert ganz gut. Zuschüsse und Spenden ermöglichen uns, unseren Werten treu zu bleiben. Wir suchen natürlich nach weiteren nachhaltigen Finanzierungsmodellen. Und in Zukunft soll WikiRate eine blühende offene Datenplattform werden, getragen von einer großen informierten und engagierten Gemeinschaft und verschiedenen Interessengruppen. Ich bin zuversichtlich, dass das funktioniert. 

 

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