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Marcus Fitzgerald: "Sogar meine Eltern haben in mich investiert"

Marcus Fitzgerald: "Sogar meine Eltern haben in mich investiert"
Foto: © Alexander Rentsch

Marcus Fitzgerald arbeitet seit 15 Jahren in der Musikbranche, zehn Jahre lang war er Festivalveranstalter, Künstlerberater und Manager und hat Acts wie Clueso auf die Bühnen Deutschlands gebracht – vor sechs Jahren gründete er gigmit, eine B2B-Plattform, die Musiker und Veranstalter ohne Mittelsmänner und -frauen im Netz zusammenbringt. Das Ziel: Konzerte finden statt, das Geld geht direkt an die Musiker. Wie genau funktioniert gigmit? Und wie finanziert man eine solche Plattform? Wir haben den CEO getroffen und mit ihm über Kreditvergabe, Antragswesen, Crowdinvesting und die Zukunft der Live-Musik-Branche im digitalen Zeitalter gesprochen.
 

INTERVIEW   LINO KNOCKE

 

CCB Magazin: Hallo Marcus, du hast 2012 gigmit gegründet, eine B2B-Plattform, die Musiker und Veranstalter direkt ohne Zwischenvermittler zueinander bringt. Ist gigmit im Grunde nicht ein Arbeitsplatzvernichter für Booker der Musikbranche? 

Marcus Fitzgerald: Nein, überhaupt nicht! gigmit macht Bookern sogar das Leben leichter. Denn auch Booker können gigmit nutzen, um neue Kontakte zu knüpfen, um ihr Netzwerk zu erweitern und um letztlich mehr Geld zu verdienen. Auf Basis unserer Daten getriebenen Strategie können Booker für ihre eigenen Artists auch viel besser analysieren, wer und wo die Hörer sind und so gezielter Veranstalter ansprechen. Aber natürlich erleichtert gigmit den direkten Kontakt zwischen Künstler und Veranstalter. Zwischenvermittler braucht es nicht unbedingt. 

CCB Magazin: Für diejenigen, die nicht wissen, was gigmit ist - eine kurze knackige Beschreibung bitte.

Marcus Fitzgerald: gigmit ist eine Online-Plattform für Live-Musik-Booking. Veranstalter, Clubs und Unternehmen finden problemlos die passenden Künstler. gigmit ist kostenfrei. Für alle, die ihr Business professioneller betreiben wollen, haben wir gigmit PRO entwickelt, welches Musikern 19€ im Monat kostet bei einer 12-monatigen Vertragslaufzeit. Darüber sehe ich als Musiker, welche Veranstalter sich mein Profil angeschaut haben und werde höher in den Suchergebnissen gerankt – ähnlich wie bei LinkedIn. Bereits mit einem Booking im Jahr hat man das bereits locker refinanziert. 

Das Problem ist, dass Künstlerbooking auf der einen Seite immer wichtiger wird, da 80 Prozent des Einkommens eines Musikers heute über das Live-Geschäft erwirtschaftet werden. Auf der anderen Seite ist Künstlerbooking noch immer weitestgehend durch analoge und teils ineffiziente Prozesse geprägt. Wir erleichtern den Prozess

CCB Magazin: Wo liegt denn eigentlich das Problem? Warum braucht es sowas wie gigmit?

Marcus Fitzgerald: Das Problem ist, dass Künstlerbooking auf der einen Seite immer wichtiger wird, da 80 Prozent des Einkommens eines Musikers heute über das Live-Geschäft erwirtschaftet werden. Auf der anderen Seite ist Künstlerbooking noch immer weitestgehend durch analoge und teils ineffiziente Prozesse geprägt. Da werden per Mail reihenweise „Demo-Tapes“ und E-Mails zu Absprachen versandt, bevor mal ein einziges Konzert organisiert ist. Künstler werden meist aufwändig analog gebucht und Agenten entscheiden aus dem Bauch heraus, wo sie ihre Künstler platzieren, sie verhandeln alle Details mit den Veranstaltern per Telefon und E-Mail und erstellen Verträge und Reiseunterlagen in Word und Excel. Wenn zusätzlich Daten herangezogen werden, geht das nur oberflächlich und ist mit einem enormen Zeitaufwand und hohen Kosten verbunden. Wir erleichtern den Prozess. 

Foto © Alexander Rentsch

CCB Magazin: Und wie genau? 

Marcus Fitzgerald: Alle Informationen sind bei uns mit wenigen Klicks auf einer Artist-Page zugänglich, die für den B2B-Markt optimiert ist. Veranstalter finden bereits Presseinfos oder technische Bedingungen, bevor über den Konzerttermin gesprochen wird. Manchmal merkt man auch erst in der laufenden Kommunikation, dass die Band gar nicht auf die Bühne passt. Um dieses Hin und Her abzukürzen, geben Veranstalter bei gigmit ihre freien Termine an, Bands sagen, wann sie spielen können und der Rest geht wie von selbst. Wir begleiten durch alle Absprachen und erstellen die Verträge im Anschluss automatisch, fein sauber abgelegt auf gigmit. Das reduziert den Aufwand und macht Bookings innerhalb von drei Minuten möglich.

CCB Magazin: Aber rechnet sich das zum Schluss auch für die Künstler? Man könnte das ja alles selbst machen. 

Marcus Fitzgerald:Na klar, das rechnet sich. Wenn du als Band über gigmit beispielsweise nur eine Show im Jahr bekommst, was über gigmit Pro sehr wahrscheinlich ist, kostet dich das in etwa so viel, wie wenn du einen Agenten für den Auftritt beauftragen würdest. Eine kostenfreie Ausfallversicherung ist bei uns sogar mit inbegriffen. Wir nehmen auch keine zusätzlichen Gebühren auf die Transaktionen. Das heißt, die volle Gage, die der Veranstalter an den Künstler zahlt, bleibt zum Schluss beim Künstler – oder beim Booking-Agenten, sofern er zwischengeschaltet ist.  

CCB Magazin:Marcus, lass uns übers Geld reden. Mittlerweile nutzen über 75.000 Künstler und 6.000 Veranstalter gigmit, mehr als 30.000 Konzerte wurden über eure Plattform organisiert. Du hast gigmit über die verschiedensten Wege finanziert. Wie schwer war es, gigmit aufzubauen? 

Marcus Fitzgerald:Am Anfang war das sehr schwer. Wir mussten zunächst all unsere Ersparnisse aufbrauchen, wir haben aber auch frühzeitig Angel-Investors gefunden, ohne die wären wir auch nicht weit gekommen. Viele scheitern ja an dieser Hürde. Bei uns waren das die ersten 30.000 Euro, die wir brauchten. Zudem haben wir ein Darlehen von der IBB durch das Programm Pro FIT in Höhe von 400.000 Euro bekommen. Das europäische Förderprojekt INES finanziert die wichtigen Europäischen Entwicklungen, Partner und Ideen gigmits aktuell zusätzlich mit 2 Millionen Euro. Diese Fördergelder zu beantragen, zu bekommen und zu verwalten, ist unglaublich aufwendig, für mich noch aufwendiger als alles andere.

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CCB Magazin:Aktuell habt ihr zusätzlich eine Crowdinvesting-Kampagne auf seedmatch. Warum noch ein Crowdinvesting?

Marcus Fitzgerald: Wir hatten mit seedmatch als Crowdinvesting-Plattform gesprochen und haben gemerkt: Das passt jetzt einfach. Denn für die großen Banken sind wir immer noch zu startupmäßig und zu instabil, was den Cash-Flow betrifft. Seitens der Venture Capitals kommt häufig das Feedback, wir seien noch nicht stark genug am Wachsen. Crowdinvesting ist hierzu eine gute Alternative. Es ist ja nicht nur eine Finanzierungsform. Es ist auch eine Medienkampagne für das Produkt. 

Unser Potential liegt darin, dass wir mittlerweile über 80.000 Nutzer haben. Und wenn Hunderte Investoren aus der eigenen Community kommen und am Wachstum und Erfolg des Unternehmens mitbeteiligt werden, ist das ein gesunder Kreislauf

CCB Magazin: Crowdinvesting eignet sich für klassische Kultur- oder Kulturwirtschaftsprojekte aber nur bedingt, da viele keine Rendite erzielen. Was qualifiziert euch fürs Crowdinvesting? 

Marcus Fitzgerald: Unser Potential liegt darin, dass wir mittlerweile über 80.000 Nutzer haben. Und wenn Hunderte Investoren aus der eigenen Community kommen und am Wachstum und Erfolg des Unternehmens mitbeteiligt werden, ist das ein gesunder Kreislauf. Crowdinvesting macht natürlich nur Sinn, wenn das Produkt erfolgsversprechend ist. Auch muss man in etwa zehn Prozent des Umsatzes mit einberechnen, der für Dienstleister wie Anwälte, Grafiker und Marketing abgeht. 

CCB Magazin:Wer sind eure Investoren? Kannst du uns Namen nennen?

Marcus Fitzgerald: Nein, ich kann euch keine Namen nennen, weil das der Datenschutz nicht erlaubt. Aber was wir sehen, ist, dass es einerseits unsere Nutzer selbst sind, die tendenziell sogar eher größere Beträge investieren, weil sie unsere Plattform kennen und wissen, was sie davon halten. Andererseits sind es Mitarbeiter von großen Musikunternehmen wie Spotify oder Universal. Und natürlich sind auch klassische Finanzanleger am Start, also Privatpersonen, für die wir eine lukrative Vermögenanlage darstellen. Sogar meine Eltern haben investiert, natürlich auch ein Stück weit der enge Freundeskreis – ich habe da auch keine Scheu, gigmit in den eigenen Reihen zu empfehlen, weil ich weiß, dass es gut angelegtes Geld ist und ich täglich dafür kämpfe, dass es sich vermehrt.   
Bei gigmit generell sind Investoren wie Sony Music dabei, und das zeigt doch: „Hey, das ist nicht irgendeine Idee von irgendwelchen Indie-Veranstaltern, sondern ein wirtschaftliches Problem, das wir hier digital lösen!“

Foto © Alexander Rentsch

CCB Magazin:Was stellt ihr euren Investoren in Aussicht?    

Marcus Fitzgerald: Auf der Profilseite von seedmatch ist zunächst einmal aufgelistet, was unsere Goodies sind, die man mit einem Dankeschön bei Crowdfunding vergleichen kann. Darüber hinaus bekommt man eine Beteiligung am Gewinn und auch am Exit des Unternehmens. Das heißt einerseits, wenn wir in den Umsätzen wachsen, bekomme ich als Crowdinvestor einen Prozentsatz X, der davon abhängt, wie viel Geld ich investiert habe. Dafür gibt es einen Kalkulator bei seedmatch, der dir eine Einschätzung gibt, ohne Gewähr natürlich, wie viel du bei deiner Investition zurückbekommst. Das ist eine Mischung aus Darlehen und Beteiligung. Die Investition liegt erst einmal fünf Jahre als Darlehen in dem Unternehmen und wird dann mit einer Basisverzinsung zurückgezahlt. 

CCB Magazin: Marcus, wo steht eine Plattform wie gigmit in 10 Jahren? Und was mich dann schon mal interessiert, was hörst du eigentlich für Musik? 

Marcus Fitzgerald: Wir wollen weiter wachsen. Wir werden uns auch auf die technologische Entwicklung einstellen müssen, denn das, was jetzt noch neu ist, wird in der Zukunft Usus sein, und das, was in der Zukunft die Menschen vor ein Problem stellt, müssen wir lösen. Daran arbeite ich. Und zur Frage was ich höre: Eigentlich ganz viel, vor allem wenn es Live von einer Bühne kommt. 

CCB Magazin: Marcus, vielen Dank für das Gespräch. 


Profil von gigmit auf Creative City Berlin

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