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New Kids from the Blockchain

New Kids from the Blockchain
Foto: © Blckchn Records
Oliver Goedicke von Blockchain-Label BLKCHN. Wir trafen ihn auf der Konferenz MOST WANTED: MUSIC in Berlin zum duellierenden Gespräch.

Oliver Goedicke ist seit 38 Jahren DJ, hat 17 Jahre im Ausland gelebt, wird jetzt Vater und hat einfach Block: 2018 hat er Blckchn Records (BLKCHN) ins Leben gerufen, das erste Label, das rein auf einer Blockchain-Technologie basiert. Sein Ziel: flexible Abrechnungssysteme möglich zu machen, faire und vor allem transparente Verteilung der Geldströme zu schaffen. Kann das funktionieren? 

 

INTERVIEW   JENS THOMAS


 

CCB Magazin: Ollie. Du hast 2018 Blckchn Records ins Leben gerufen. Viele verstehen nicht einmal, was eine Blockchain ist, jetzt kommst du mit einem Blockchain-Label. In fünf Sätzen: Wie funktioniert ein Blockchain-basiertes Label? 

Oliver Goedicke: Ok! Fünf Sätze. Das Label basiert auf der Blockchain-Technologie und funktioniert durch die Verkettung von Datenblöcken, die auf dezentralen Netzwerken liegen – und die alle miteinander verbunden sind. Auf diese Datenblöcke hat jeder Künstler Zugriff und kann sehen, wann und wie oft Songs gestreamt wurden – und wann er wie was verdient. Das wiederum funktioniert über sogenannte Smart Contracts, die technisch nicht veränderbar sind. Das heißt, man kann die Daten auch nicht fälschen oder manipulieren, weil die alten Daten auch nie gelöscht werden. Es gibt eine hundertprozentige Transparenz und Validität.

CCB Magazin:Ok, aber wo ist denn das Problem? Was machen die anderen falsch? 

Oliver Goedicke: Das Problem ist, dass bei den großen Streaming-Diensten keiner so genau weiß, wo das Geld am Ende hinfließt. Alles läuft hinter verschlossenen Türen ab, die großen Majors verdienen 80 Prozent, der Künstler kriegt einen Bruchteil. Bei der Blockchain können die Rechteinhaber nun sehen, wer wie oft Songs gestreamt hat. Die Nutzer zahlen die Tantiemen auch direkt an die Künstler. Das Problem sind aktuell ja nicht einmal die Streaming-Anbieter. Das Problem sind die Majors. Nur zirka 21 Prozent der Streaming-Erlöse bleiben bei Spotify, fast der ganze Rest geht an die Rechteinhaber, die großen Plattenfirmen. Hier haben sich in den letzten Jahren regelrechte Monopole gebildet. Das Vertrauen der Künstler gegenüber den großen Majors ist verlorengegangen. Es gibt überhaupt nur noch die drei großen Majors Universal Music, Sony und Warner Music. Und es gibt maximal fünf bis sechs Streaming-Anbieter, die eine Relevanz am Markt haben – Spotify, Apple Music, Amazon Music, Tencent Music, Deezer, Pandora.

CCB Magazin:Und an dieser Struktur sollen Blockchain-Labels etwas ändern können? 

Oliver Goedicke: Warten wir’s mal ab. Das muss sich alles erst entwickeln. Blockchain ist für viele noch nicht zugänglich. Dabei bräuchte man mit der Blockchain theoretisch nicht mal eine Gema mehr, um Copyright-Einnahmen nachzuverfolgen, auch keine Plattenfirma, der man ständig hinter her sein muss. Abgerechnet wird über eine stabile Kryptowährung, die man auf anderen Plattformen im Anschluss in reales Geld umtauschen kann. Wir sind sogar so weit, dass zum Start unserer Plattform direkt in der Währung Fiat Geld ausgezahlt werden kann. Wir werden dazu Serviceleistungen und einen digitalen Vertrieb anbieten. Künstler können dazu Streams und Downloads über unsere Plattform direkt in ihre Webseiten integrieren, die per Micropayment vergütet werden. Das Besondere daran: Künstler bringen so ihre Musik direkt zu ihren Followern, die die Songs streamen oder downloaden können. Das Ganze wird per Single-Stream oder Download abgerechnet. 

Das Problem ist, dass bei den großen Streaming-Diensten keiner so genau weiß, wo das Geld am Ende hinfließt. Bei der Blockchain können die Rechteinhaber sehen, woher das Geld kommt – und jeder Künstler hat Zugriff auf seine Datenblöcke

CCB Magazin:Ok, klingt fantastisch. Warum hat sich Blockchain im Labelbereich noch nicht durchgesetzt?

Oliver Goedicke: Gute Frage. Vielleicht kommen wir mal da hin, dass das irgendwann alle machen. Noch ist Blockchain für viele zu undurchsichtig, viele verstehen auch nicht, was Blockchain ist oder haben Angst davor, es zu verstehen. Dabei schafft es die größtmögliche Transparenz. 

CCB Magazin:Bedeutet Transparenz auch, dass jeder einsehen kann, wie oft meine Songs gestreamt werden und was ich daran verdiene? 

Oliver Goedicke: Nein. Diese Transparenz herrscht nur zwischen den beteiligten Parteien des Vertrags, also zwischen mir, dem Labelbetreiber, und dem Einzelkünstler. Und jeder hat sein eigenes Abrechnungssystem, worüber er frei verfügen kann. 

CCB Magazin:Wie verändert die Digitalisierung die Stellung eines Labels? Labels gibt es in der Musikgeschichte seit rund 130 Jahren: 1887 wurde mit der American Gramophone Co. die erste Plattenfirma weltweit gegründet – im Anschluss folgten die ersten Labelgründungen. Labels waren in der Musikgeschichte immer so etwas wie ein Gütesiegel. Eine Hardcore-Band auf Revelation Records hatte schon die Kopfnicker auf ihrer Seite, bevor die Gitarren gestimmt waren. Ein Elektro-Act auf Warp oder Rephlex wurde im Vorfeld durchgewunken, weil es eben auf Warp oder Rephlex war. Geht das im Zuge der Digitalisierung nicht verloren? 

Oliver Goedicke: Ich gebe dir Recht, das geht verloren. Denn jetzt dominieren überall diese wirren Playlists, selbst wenn es immer noch eine bunte Labelstruktur in den Nischenmärkten gibt. Aber das Entscheidende ist ja, dass es gar keinenVersorgungsengpass mehr gibt. Wenn die Platte oder die CD früher ausverkauft war, war sie eben ausverkauft. Jetzt verdient sich das Geld erst durch Klickzahlen – aber es verdienen nur wenige daran. Genau hier setzt die Blockchain an. Wir zum Beispiel wollen nicht nur jedem ermöglichen, dabei zu sein – rechts- und linksextreme Bands ausgenommen. Wir haben auch ein Stufenmodell entwickelt, das fair für alle ist. 

Noch ist Blockchain für viele zu undurchsichtig, viele verstehen auch nicht, was Blockchain ist oder haben Angst  davor, es zu verstehen. Dabei schafft  es die größtmögliche Transparenz

CCB Magazin:Das heißt? 

Oliver Goedicke: Wird unsere Plattform nur zur reinen Distribution benutzt, nehmen wir maximal bis zu 15 Prozent. Du lädst deine Songs dazu hoch und legst los – fertig. Die nächste Stufe sind sogenannte Management-Tools, die wir zusätzlich dem Künstler mit an die Hand geben. Hierfür nehmen wir bis zu 30 Prozent. Die dritte Stufe ist, dass wir dich kuratieren, wir kümmern uns dann auch um die Vermarktung – und hier lautet der Deal 50 : 50. Du musst nur mit der Produktion fertig sein, was sonst der Major bezahlen würde. 

CCB Magazin:Ok, aber verdienen denn Künstler zum Schluss mehr daran, wenn sie die Produktionskosten selber tragen und auf einem Blockchain-Label anstelle eines Majors landen oder ihre Songs bei Spotify gelistet sind?

Oliver Goedicke: Rein rechnerisch ja. Blockchain-Streaming zahlt in der Gesamtheit sechsmal besser als das herkömmliche Streaming. Aber die Fliegen fliegen aktuell noch dahin, wo das Licht am grellsten brennt, und es brennt eben am Himmel der Erlöse der großen Streaming-Anbieter, wo das meiste Geld gemacht wird. Spotify hat aber auch mal mit ein paar Künstlern angefangen. Und mal am Rande: Eine Plattenfirma zu finden, die einem künstlerische Freiheit lässt und dann noch ein komplettes Album finanziert, das kommt schon einem Sechser im Lotto verdächtig nahe.

CCB Magazin:Ollie, wo siehst du Blockchain in der Zukunft? Schon jetzt interessieren sich die großen Konzerne dafür. Aktuell hat Spotify das Startup Mediachain gekauft und nutzt nun auch die Blockchain-Technologie. Wird Blockchain sein Nischendasein verlieren und bald allgegenwärtig sein? Und was hieße das?

Oliver Goedicke: Vermutlich wird Blockchain irgendwann eine ganz normale Technologie sein. Das heißt aber nicht, dass sie im ursprünglichen Sinne genutzt wird. Blockchain bedeutet zunächst einmal nur, dass du Dinge digital flexibilisieren kannst, du musst dadurch nicht alles offenlegen. Und die großen Anbieter werden Blockchain für sich zu nutzen wissen, Blockchain wird sich auch im DJing durchsetzen. Irgendwann werden die DJs nicht mehr mit ihren MP3s anrücken, sie werden Songs aus der Cloud über ihre Pioneer-Players live streamen.

 

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