Nachhaltigkeit, Vernetzung Zurück

Verpacken wir das?

Verpacken wir das?
Foto: © Max Arens

Bereits fünf Cradle-to-Cradle-Konferenzen hatte es in den vergangenen Jahren in Deutschland gegeben. Jetzt kam die Konferenz endlich nach Berlin. Es ging um Verpackungen der Zukunft, Kreislaufwirtschaft, die Verbesserung der Welt. Dafür hatten die C2C-Organisatoren die große Bühne gesucht und auch gefunden – in der Urania in Schöneberg. Wir waren als Medienpartner vor Ort und haben die wichtigsten Stimmen zusammengetragen.
 

Text Boris Messing

 

Es ist erst wenige Monate her, da hatten sie ihre NGO-Zentrale in dem klobigen Plattenbau in Berlin Mitte selbst nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip saniert. Vom Teppichboden bis zu Farbe, Fenster, Putz ist alles schadstofffrei und zu hundert Prozent wiederverwertbar. Am vergangenen Wochenende hatte der Cradle-to-Cradle-Verein nun seine erste C2C-Konferenz in der Urania in Berlin ausgerichtet. Teilnehmerinnen aus Politik, Wirtschaft und der Zivilgesellschaft diskutierten dabei, wie zukünftig eine klimafreundliche und ressourcenschonende Wirtschaft aussehen könnte.  

Bereits das Foyer der Urania war überfüllt mit Menschen, die ihre Jacken und Mäntel holten oder abgaben. Bela B, Schlagzeuger der Band „Die Ärzte“, stand mit Leuten des C2C-Teams am Eingang herum und besprach seinen Auftritt. Bela B, der zum Beirat der C2C-Konferenz gehört, war aber nicht der einzige Promi unter den Speakern. Auch Fernsehköchin Sarah Wiener, Bundesumweltministerin Svenja Schulze oder C2C-Erfinder Michael Braungart waren mit von der Partie. Wegen der bunten Vielfalt an Speakern und der nonchalanten Atmosphäre bezeichneten die C2C-Organisatoren die zweitägige Konferenz in der Urania auch als Festival – es sollte den kurzweiligen Charakter der Veranstaltung unterstreichen.


Um was ging es? Das Cradle-to-Cradle-Konzept, übersetzt von der Wiege zur Wiege, wurde in den 1990er Jahren von eben jenem deutschen Chemiker Michael Braungart und dem amerikanischen Architekten William McDonough entwickelt. Es steht für eine Produktionsform, bei der sämtliche Produkte in einen geschlossenen biologischen oder technischen Kreislauf zurückgeführt werden können. Das spart Energie und Ressourcen. C2C-Produkte können Kleider, Schuhe oder Zahnbürsten sein, die nach Abnutzung zu Humus werden und so als Nährstoffe zurück in die Natur fließen. Oder auch Bürostühle, Kugelschreiber, Fahrräder oder technische Geräte, die sich in ihre Einzelteile zerlegen und in anderer Form wiederverwerten lassen. In beiden Fällen wird Müll vermieden und die Umwelt geschont.

Klar wurde auf der Veranstaltung: Das Hauptproblem sind die Berge von Verpackungen, also Müll, der im Sekundentakt um die Welt geht. Supermärkte, Elektrohandelsketten, Kaufhäuser – keiner ist ausgenommen, alle sind dafür verantwortlich, denn überall türmen sich Verpackungen aus Plastik, Styropor und anderen nicht recyclebaren Materialien zu gigantischen Müllbergen auf. Oder sie landen im Meer. Schätzungsweise 4,8 bis 12,7 Millionen Tonnen Plastikmüll landen pro Jahr in den Ozeanen. Das entspricht einer Lastwagenladung pro Minute. Insgesamt haben sich an die 80 Millionen Tonnen in den Weltmeeren angesammelt. Allein zwischen Kalifornien und Hawaii schwimmt eine Plastikmüllinsel, die mehr als vier Mal so groß wie Deutschland ist – das sogenannte ‚Great Pacific Garbage Patch‘. Und einen Teil dieses Mülls machen Verpackungen aus.

Dieses Problem wird auch in Zukunft nur schwer in den Griff zu kriegen sein, schon darum, weil es internationale Regelungen bräuchte, die sich nicht abzeichnen. Die meisten der heutigen Verpackungen enthalten eine Vielzahl von Elementen, die sich nicht trennen lassen. Neue Verpackungen müssen also her. Mit dem Thema „Verpackungen der Zukunft“ befasste sich dann am Freitag auch ein Panel im großen Saal der Urania. In lockerer Atmosphäre lauschten die Zuhörer den Diskussionsbeiträgen von Toni Hofreiter (Grüne), Professor Hans-Josef Endres von der Universität Hannover und Akteuren der Wirtschaft. Die Frage lautete: Wie lassen sich Verpackungen neu designen, wie sieht die Zukunft der Verpackung aus? Wie vor einer mit Spannung erwarteten Kinofilmpremiere saßen die Menschen auf ihren zur Bühne hin abschüssigen knallroten Stühlen. Viele saßen auch auf den Fluren rechts und links, weil sie keinen Platz mehr fanden. Man darf vermuten, dass das Thema Verpackung vor zehn Jahren nicht so viele Menschen hinterm Ofen hervorgelockt hätte (und Ofen, das ist noch ein ganz anderes Problem). Aber heute ist nicht vor zehn Jahren: die Themen Umwelt und Nachhaltigkeit sind bei den großen Wirtschaftsunternehmen neben der reinen Profitorientierung zu Pares inter Pares geworden. Noch wird allerdings zaghaft gehandelt. Doch die Verpackung der Zukunft ist im Vormarsch wie das Panel zu zeigen versuchte.

Fotos: © Max Arens / CR2

Ein Beispiel ist die Firma FRoSTA. Die setzt bei ihren Tiefkühlprodukten ganz aufs Papier. Als erste Tiefkühlmarke überhaupt ist es ihnen gelungen, eine biologisch abbaubare Verpackung zu kreieren, wofür sie 2016 mit dem Deutschen Verpackungspreis ausgezeichnet wurde. In den Worten von Marketingdirektor Torsten Matthias: „Manche trennen sich von der EU, wir trennen uns vom Plastik.“ Damit haben sie auch andere Unternehmen inspiriert, die sich langfristig ganz von Plastikverpackungen trennen wollen. Beispielsweise Rittersport. Die haben einen Prototyp einer Papierverpackung entwickelt, die gerade von Kunden bewertet wird. Denn nicht nur die Umweltverträglichkeit spielt eine Rolle, sondern auch Ästhetik und Design. Ohnehin Design: Der Bundespreis-Ecodesign zeichnet jedes Jahr eine ganze Palette herausragender Projekte aus. Häuser, Seifen, alles kann cradle to cradle werden. Mit den Worten Harald Welzers: "Alles könnte anders sein". 

Eine andere Erkenntnis: Lösungen für Verpackungen der Zukunft müssen nicht unbedingt nur auf biologisch abbaubaren Produkten basieren. Auch Kunststoffe lassen sich, wenn auch begrenzt, in einen technischen Kreislauf zurückführen. Wer im Supermarkt einkaufen geht, ist ihnen mit hoher Wahrscheinlichkeit schon einmal begegnet: den grünen Kunststoff-Kisten der Firma IFCO, in denen das Obst und Gemüse liegt. Diese Behälter werden bis zu 120 Mal verwendet. In einem fortwährenden Kreislauf zirkulieren sie vom Hersteller bis zum Supermarkt und wieder zurück. Anschließend wird der abgenutzte Behälter zu Granulat gemahlen und zu einem neuen Behälter verarbeitet. Mit dieser Technik werden bis zu 60 Prozent an CO2-Emissionen eingespart.

Professor Hans-Josef Endres, Experte für Kreislaufwirtschaft und Kunststoffprodukte, ist überzeugt, dass es Verpackungen nach dem C2C-Prinzip zukünftig häufiger geben wird. Es fehle allerdings an „Leuchttürmen“ wie die Firmen FRoSTA oder IFCO, monierte er. „Man weiß, was man tun müsste, tut es aber nicht.“ Hersteller müssten für die Entsorgung der Verpackungen verpflichtet werden, dafür brauche es aber einen klaren politischen Rahmen. Den würde Toni Hofreiter von den Grünen am liebsten selbst zimmern. Immer mehr Menschen begrüßten eine umweltschonende Kreislaufwirtschaft, sagte Hofreiter in gewohnt trockener Manier. Das stimmt, dachte man. Aber politische Rahmenlinien für eine Kreislaufwirtschaft haben die Grünen ja auch nicht hinbekommen, als sie an der Macht waren. Da war der Toni aber auch noch Doktorand.

Rubrik: Specials

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