Finanzierung, Crowdfunding, Corona Zurück

Anja Thonig: "Erst mal durchkalkulieren"

Anja Thonig: "Erst mal durchkalkulieren"
Foto: © Malte Jäger

Die gesamte Veranstaltungsbranche hat durch Corona ein Problem: Keine Konzerte, keine Messen, keine prall gefüllten Hallen – keine Kohle. Können Gutscheine da Abhilfe schaffen? Lassen sich im Vorfeld Gutscheine vergeben, die einfach später eingelöst werden? Im Kontext von Crowdfunding wird ein solches Szenario derzeit diskutiert. Wir haben darüber mit Anja Thonig vom Crowdfunding Campus gesprochen, die dazu einen Leitfaden erarbeitet hat. 
 

INTERVIEW   Jens Thomas 


 

CCB Magazin: Hallo Anja, in der Corona-Krise wird seit Wochen darüber diskutiert, ob Veranstalter oder Kampagnen-Planer von Crowdfunding jetzt nicht einfach Gutscheine für die Zeit nach Corona vergeben sollten – um schon jetzt Gelder generieren zu können. Ihr vom Crowdfunding-Campus haltet das an vielen Stellen für bedenkenswert. Wo liegt das Problem? 
 
Anja Thonig:Das Problem ist, dass aufgrund der Krise viele Menschen notgedrungen in Aktionismus verfallen. Das ist einerseits absolut verständlich: Es geht um berufliche Existenzen. Befragt man aber Steuerberater*Innen zu „Gutscheinen“, ist die Antwort meist eine Gegenfrage: Welche Art von Gutschein? Mehrzweckgutschein, Einzweckgutschein? Welchen Wert hat der Gutschein? Da ist gerade viel Bewegung in allen Bereichen. Wichtig ist, das eigene Vorhaben immer auch steuerlich und rechtlich zu betrachten. Dazu sollte man immer einen Steuerberater oder Fachanwalt zu Rate ziehen.

CCB Magazin:Ok, aber man geht doch beim Crowdfunding immer in Vorleistung – entweder die Kampagne ist erfolgreich und das Projekt kommt zustande, oder eben nicht, dann kommt es zu keinen Leistungen. Wäre es im Falle von Gutscheinen dann nicht so, dass man die bezahlte Summe einfach wieder zurückerhält? 

Anja Thonig:Unter Umständen ist das so. Das Problem ist aber: Welcher Veranstalter kann derzeit zusichern, dass er die Gutscheine in ein paar Monaten überhaupt einlösen kann? Ab wann verfällt die Leistung? Wie kommuniziere ich solche Veränderungen mit meiner Community? Wenn ich mir als Club, der im Moment keine Einnahmen hat, laufende Kosten, über Gelder, die über Gutscheinverkauf reinkommen, decke – in der Zeit aber einfach keine Einnahmen habe, kann ich auch keine Gelder für die Gutscheine zurückerstatten – denn es ist ja weg. Spätestens dann muss ich einsehen, dass ich das Problem nur zeitlich verschoben habe.

Bei Gutscheinen für die Post-Corona-Ära kommt es auf die Art des Gutscheins und seinen Wert an. Ein Problem vieler Veranstalter ist, dass sie aufgrund fehlender Einnahmen keine Gelder für Gutscheine zurückerstatten können

CCB Magazin:Viele plädieren derzeit dafür, gekaufte Karten erst gar nicht zurückzufordern, um Kulturbetrieben in der Krise zu helfen. Ließe sich dieses Problem nicht gerade über Gutscheine lösen? Könnten Gutscheine also eine Art Solidaritätsbekundung in Corona-Zeiten sein? 

Anja Thonig:Das können sie sicher, dazu benötige ich aber keine Gutscheine. Das löse ich über das klassische Spendensammeln oder die sogenannte emotionale Gegenleistung, wie „Karmapunkte“. Menschen, die ein Projekt einfach so unterstützen wollen, werden das auch ohne Gegenleistung machen. Da einen Gutschein als Lösung zu nehmen, wäre nicht notwendig. Verkauft eine Band im Moment Tickets für ein sehr wahrscheinlich nicht stattfindendes Konzert, nur um so an Geld zu kommen, wäre das am Ende eher ein erheblicher Imageschaden oder nicht? Bei einer Kampagne sollte man nur das anbieten, was auch realistisch ist, was im besten Fall als Ressource auch tatsächlich vorhanden ist – physische Tonträger, Downloads, Merchandise oder ähnliches. 

CCB Magazin:In eurem Blogbeitrag beschreibt ihr das zusätzliche Problem der Unterscheidung von „Einzweckgutschein“ und/oder „Mehrzweckgutschein“. Was hat es damit auf sich? Was ist hier zu beachten? 

Anja Thonig:Bei einem Einzweckgutschein stehen Ort und Leistung sowie die geschuldete Steuer bereits fest. Die Umsatzsteuer ist bei diesen Gutscheinen bereits inkludiert. Mehrzweckgutscheine erfüllen diese Kriterien nicht. Die Umsatzsteuer ist somit erst bei Erbringen der Leistung, beim Einlösen vor Ort fällig. In unserem Beitrag haben wir folgendes Beispiel verwendet: Ich kaufe jetzt einen Gutschein in meinem Lieblingscafé für 50 EUR. Ort und Zeit des Einlösens sind nicht angegeben. Ich kann den Gutschein also auch Ende des Jahres 2020 noch einlösen. Wenn ich dann für 50 EUR Kaffee und Kuchen einkaufe, muss der Gastgeber diesen Betrag von 50 EUR versteuern. Um meinen Gastgeber zu unterstützen, dürfte ich eigentlich nur für 42 EUR essen. Deshalb unser Tipp: Zumindest vor dem Start einer Kampagne einmal einen Profi auf alles schauen lassen und genau durchkalkulieren, das hilft. 

Anja Thonig ist bei Crowdfunding Campus Ansprechpartner für den Bereich Kampagnenbetreuung und -beratung.


Profil von Anja Thonig auf Creative City Berlin 

Profil vom Crowdfunding Campus 

Rubrik: Specials

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