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AURORA mit viel Sonnenstern

AURORA mit viel Sonnenstern
Foto: © Zsu Zsabo

Durch die Implementierung von Augmented-Reality-Anwendungen können Werke um weitere Dimensionen ergänzt werden. Das hat auch die Kunst- und Kulturszene für sich entdeckt. An der HTW Berlin gibt es mit dem Programm AURORA nun für Künstlerinnen und Kulturschaffende die Möglichkeit, sich eingehender mit der AR-Technologie zu befassen, um sie in das eigene künstlerische Schaffen zu integrieren. Die folgenden drei Beispiele zeigen, was dabei herauskommen kann.


Interview: Boris Messing
 

 

Dani Ploeger

Dani Ploegers Kunst ist subversiv und oft gesellschaftskritisch. Der 42-jährige gebürtige Holländer kombiniert Performance, Video, Programmierung und Elektronik-Hacking, um, wie er es nennt, „Situationen des Konflikts und der Krise am Rande des High-Tech-Konsumismus zu erkunden“. Dafür riskiert er auch schon mal etwas. Im Donbass war er 2017 mit Fronttruppen unterwegs und hat mit ihnen eine VR-Installation und eine Filmarbeit gemacht. Das Jahr zuvor nahm er an einem Schusswaffentraining in Polen teil, wo er mit einer AK-47 auf ein IPad feuerte und die Aktion filmisch festhielt. Mit Metallarbeitern in Kairo arbeitete er zusammen, um Tablet-Computer mit Stahlblech zu verkleiden. Seine Kunst, seine Aktionen sind „eher eine Frage“ und „eine Botschaft der Verwirrung“, als dass sie eine klare Antwort geben würden, er selbst bezeichnet sie als „post-konzeptionell“.

Vielleicht ist es Ploegers sprunghafter Biografie geschuldet, dass seine Kunst so vielfältig ist. Denn zur Performancekunst kam er über Umwege von der Musik. Ploeger studierte Posaune in Den Haag und orientierte sich zuerst in Richtung experimenteller Musik; es folgte eine „Eskapade“ in der Orchesterakademie der Berliner Philharmoniker. Der entscheidende Wendepunkt kam aber erst nach seinem Musikstudium, als er zwei Jahre lang in Ramallah als Musik- und Performancelehrer gearbeitet hatte und für sich entschied, dass er lieber Arbeit machen wolle, die „mit seiner direkten Umgebung“ zu tun habe. Ploeger ging kurzerhand nach England und verfasste eine Doktorarbeit im Bereich Performance und Medientheorie – das sei seine ganze „Kunstausbildung“ gewesen. Ab da an machte er, was er wollte, und experimentierte mit verschiedenen Techniken und Stilen.

Sein neustes Werk Smart Fence entstand zum Teil im Rahmen von AURORA. Die mehrteilige Arbeit umfasst ein ausgestelltes Stück Grenzzaun, ein Replikat eines Schildes mit der Aufschrift „Caution electric fence“, das, wenn man mit seiner App eines beliebigen Endgerätes draufhält, einen dreidimensionalen Zaun zeigt, und einen augmentierten Siebdruck. Die Idee dazu kam ihm, als er eine Doku in den Medien über den High-Tech-Grenzzaun in Ungarn sah. Smart Fence ist eine ironische Anspielung auf die Bezeichnung „smarter“ Endgeräte, die uns das Leben erleichtern sollen: Smartphones, Smart Home, Smart Clothes. Die positive Konnotation dieser Geräte verschleiere in Bezug auf den Grenzzaun dessen eigentliche Intention der Ausgrenzung und Abschottung; die „Darstellung des Zaunes als technologisches Objekt“, so Ploeger, spiele eine ideologische Rolle zur Verharmlosung und Verschleierung seines eigentlichen Zwecks. Smart klänge gut und erstrebenswert. Wie bereits bei seinen anderen Werken formuliert er seine künstlerische Kritik als „offene Frage“. Ist der Smart Fence wirklich so smart oder nur ein Euphemismus für Probleme, die wir nicht sehen wollen? Das AR-Projekt wurde durch das AURORA-Team der HTW unterstützt und begleitet.

Sarah Müller

Die Designerin Sarah Müller kommt laut eigener Aussage aus der „Agenturwelt“ und ist in ihrem Selbstverständnis eher Dienstleisterin als Künstlerin; in ihrer Freizeit beschäftigt sie sich gern mit Fotografie und „etwas freieren Grafiken“. Sie besuchte im Februar und März dieses Jahres alle AURORA-Kurse und entwickelte anschließend im Produktionslabor ihr AR-Projekt New York New York - eines jener „etwas freieren“ Grafikprojekte sozusagen. Dafür wurde die 32-Jährige jetzt mit dem weltweit renommierten Design-Preis Red Dot im Bereich Kommunikationsdesign ausgezeichnet.

Die Anwendung ist eine visuelle Interpretation von Stadtvierteln New Yorks. Bilder können über die App erlebt und interaktiv genutzt werden. Pinselstriche lassen sich entfernen und neu zeichnen, Elemente lassen sich neu anordnen und Wolkenkratzer werden skalierbar. Ab Oktober ist New York New York auch Teil der App INKA AR. Die Idee zu dem Projekt kam Sarah Müller bei einem New York Besuch im vergangenen Jahr. Sie streifte durch die vielen Stadtbezirke der Großstadt und schoss ein Foto nach dem anderen. Daraus destillierte sie später 30 Fotos für die App. Von AURORA erfuhr sie zufällig durch eine Freundin. So kam eins zum andern. Die Designerin ist nun Feuer und Flamme für AR und will weiterhin damit arbeiten. Vor allem für Magazine im Bereich des Layouts sieht sie viele Anwendungsmöglichkeiten der VR-Technologie. Den ersten großen Schritt hat sie bereits getan, und obendrein noch einen hochrenommierten Preis abgesahnt.

Olga Bedia Lang und Julia Laube

Julia Laube studierte Kostüm- und Bühnenbild an der UdK Berlin, zwischendurch auch mal kurz Medienkunst und Philosophie. Die 33-jährige Berlinerin begeisterte sich früh für Rauminszenierungen und Intermedialität. Zusammen mit der Autorin Olga Bedia Lang, die sie bei den AURORA Kursen kennengelernt hatte, entwickelte sie die App Karla, eine Art von integrativer theatraler Inszenierung an der Karl-Marx-Allee in Berlin. In der AR-Applikation verbinden sich visuelle und auditive Inhalte mit dem Kontext des realen Settings des Berliner Stadtraums. Räumlich spielt sich die Inszenierung entlang der Karl-Marx-Allee ab. Sobald die Nutzer sich im entsprechenden GPS-Raum befinden, erhalten sie mittels ihres Smartphones oder Tablets und Kopfhörern Zugang zu den verschiedenen Kapiteln der Geschichte. Diese beginnt vor der ehemaligen Karl-Marx-Buchhandlung und entwickelt sich dramaturgisch über sieben weitere Orte, die von den Nutzern in einem performativen Stadtspaziergang erlaufen werden können.

Karla ist die Geschichte einer Liebesbeziehung im Kontext von politischer Kritik und Widerstand in den 1980er-Jahren in der DDR. Die weibliche Protagonistin führt über das Audio zu den einzelnen Kapiteln und teilt dabei ihre persönlichen Erinnerungen und die Liebesgeschichte ihrer Jugend. Als damals Anfang-20-Jährige auf der Suche nach einer Haltung gegenüber der Welt, lernte sie einen Mann kennen, der im politischen Widerstand aktiv war. Sie fühlte sich ihm durch ihre Liebe, die gemeinsame Vision einer besseren Welt und eine gemeinsame Zukunft verbunden.

Rubrik: Specials

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