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Nicola Bramkamp: “Das Theater hält der Gesellschaft den Spiegel vor”

Nicola Bramkamp: “Das Theater hält der Gesellschaft den Spiegel vor”
Foto: © Thilo Beu

Welchen Beitrag kann das Theater für die Nachhaltigkeitsdiskussion leisten? Mit dieser Frage beschäftigt sich die Dramaturgin und Theaterexpertin Nicola Bramkamp seit Jahren. Mit ihrem Projekt “Save the World” bringt sie Künstler*innen, Wissenschaftler*innen und Expert*innen der Klimadiskussion zusammen. Ein Gespräch über die Krise, die Zukunft und das ganze Theater drum herum.
 

INTERVIEW   Alison Winter

 

CCB Magazin:Frau Bramkamp, Sie haben “Save the World” ins Leben gerufen. Ist Ihr Titel nicht etwas zu ambitioniert?

Nicola Bramkamp:(lacht) Ach nein, warum? Er ist nicht gerade bescheiden, das gebe ich gerne zu. Aber diesen Erdball zu retten, das ist doch ein hehres Ziel.

CCB Magazin:Was ist ihr Ziel? Um was geht es bei Ihrem Projekt?

Nicola Bramkamp:Ich will das Thema Nachhaltigkeit in die Kultur bringen. 2014, als ich angefangen habe, gab es noch kein Fridays for Future und keine Greta Thunberg. Als Theaterleiterin in Bonn hatte ich damals das große Bedürfnis, mich inhaltlich mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen. Sehr schnell musste ich feststellen, dass es tolle Expertisen und wichtige Informationen aus der Wissenschaft gibt. Die aber beim breiten Publikum nicht ankamen. Hier setzt “Save the World” an: Wir inszenieren Wissen - ungewöhnlich, spektakulär, emotional.  Wir verbinden Künstler*innen, Wissenschaftler*innen und Expert*innen der Klimadiskussion und so entstehen innovative, künstlerische Formate der Wissensvermittlung.

Wir müssen Themen wie die Nachhaltigkeit emotional erfahrbar machen. Das Theater schafft hier einen sinnlichen Zugang. Es emotionalisiert Wissen

CCB Magazin:Was schafft das Theater, was Wissenschaft und Politik nicht schaffen?

Nicola Bramkamp:Das Theater erreicht wahnsinnig viele Menschen - und schafft einen sinnlichen Zugang. Wissenschaftler*innen und Künstler*innen sind oft gute Tandems, denn was die eine Seite kann – zuspitzen, bebildern, performen, kann die andere nicht so gut. Wir müssen, wenn es um die Überwindung der Klimakrise geht, nicht nur Fakten kommunizieren. Wir müssen die Thematiken emotional erfahrbar machen. Innerhalb der Weltklimakonferenzen der UN 2017 haben wir zum Beispiel eine Kinderdemo inszeniert. Es gab ein Video zu einem Song von Bernadette La Hengst, in dem 500 Kinder gegen den Klimawandel demonstriert haben. Ein Jahr später, bei der Weltklimakonferenz in Kattowitz, wo wir ebenfalls das Kulturprogramm kuratiert haben, sprach dann Greta Thunberg zum ersten Mal öffentlich – und daraufhin wurde Fridays for Future populär. Die Debatte kam endlich in der breiten Bevölkerung an. Es braucht eben nicht nur im Theater Held*innen und starkes Storytelling. Die Klimakrise ist die größte Herausforderung, vor der die Menschheit je stand. Kreativität und Kunst können hier visionär vorausblicken. Was später Realität wird, war oft schon zuvor auf der Bühne.

Im Gespräch mit der CCB-Redaktion: Nicola Bramkamp von Save the World. Foto © Thilo Beu
 

CCB Magazin:Welche inhaltlichen Fragen stehen bei “Save the World” im Zentrum?

Nicola Bramkamp:Unser Hauptthema ist die Nachhaltigkeit in der ganzen Breite. Dabei orientieren wir uns an den 17 Nachhaltigkeitszielen der UN, die Nachhaltigkeit nicht nur als Umweltthematik begreifen, sondern davon ausgehen, dass sich eine nachhaltige Gesellschaft mit Themen wie Gender Equality, Bildung oder sozialer Gerechtigkeit beschäftigen muss. Genau das gerät im Nachhaltigkeitsdiskurs oft in den Hintergrund. „Save the World“ setzt hier an. Wir haben z.B. Theaterstücke zu Klimathemen auf die Bühne gebracht, aber auch mit künstlerischen Interventionen die Stadt bespielt. Klima, Zahlen, Daten, Wetter - die Themen sind wahnsinnig abstrakt und wir wollen sinnlich vermitteln und ästhetisch sensibilisieren. Es geht aber auch um Fragen wie: Wie können wir im Kulturbereich nachhaltiger produzieren und uns trotzdem ästhetisch mit diesen Themen auseinandersetzen? Wie können wir eine nachhaltige Gesellschaft gestalten, unser Zusammenleben neu denken, klimaneutral, gerecht, vielfältig?

CCB Magazin:Und, wie lautet Ihre Antwort?

Nicola Bramkamp:Es gibt viele kleine Schritte, die zu einem großen Ganzen werden: Wir Kulturschaffende müssen zunächst mal in unseren eigenen Institutionen beginnen. Wir müssen achtsamer im Umgang mit Ressourcen werden, mit der Natur, aber auch mit uns Menschen. Klimatechnisch geht es dabei um die ganze Palette, es betrifft klassische organisatorische Fragen zum Reisen, Catering, der Müllvermeidung aber auch die großen Überthemen und betriebsökonomischen Fragen, wie Heizung, Lüftung und Strom. Das wird man nicht alles von jetzt auf gleich ändern können. Aber wir dürfen das nicht länger ignorieren. Wir müssen Klimabilanzen erstellen und dort ansetzen, wo der größte Handlungsbedarf entsteht, z.B. was die verschiedenen Materialien, die wir einsetzen, für einen ökologischen Fußabdruck haben. Ich arbeite dazu als Dozentin an der Hochschule für bildende Künste Hamburg (HFBK) mit Bühnenbild-Studierenden zusammen. Dort überlegen wir, wie umweltbelastend beispielsweise Styropor im Vergleich zu Pressholz oder PVC ist. Hierzu müssen wir Zahlen erheben, Studien machen und ein Gefühl dafür entwickeln, wo wir in Zukunft hinwollen. Jedes Theater kann ganz praktisch einen Beitrag leisten.

Wir Kulturschaffende müssen zunächst einmal in unseren eigenen Institutionen beginnen. Wir müssen achtsamer im Umgang mit Ressourcen werden, mit der Natur, aber auch mit uns Menschen

CCB Magazin:In England sind Klimabilanzen von Kultureinrichtungen seit 2012 eine Grundvoraussetzung für Fördermittel geworden. Was halten Sie von dieser Idee?

Nicola Bramkamp:Das finde ich absolut notwendig. Das gilt ja nicht nur in England, auch in Schweden ist das so. In England hat es dazu geführt, dass der Energie-Verbrauch im Kultursektor gegenüber 1990 um 23 Prozent gesenkt wurde. Hierzulande herrscht leider noch immer das Prinzip, sich am günstigsten Angebot bei der Vergabe orientieren zu müssen - auch das müssen wir ändern. Wir brauchen insgesamt neue Transparenzkriterien, auch in Bezug auf Diversität oder Geschlechtergerechtigkeit. In Schweden wird beispielsweise geschaut, wie die soziale Gesundheit der Mitarbeiter*innen ist, wie viele Frauen in einem Theater arbeiten und wie die Klimabilanz ausfällt. Das sind alles Punkte, wie wir die Förderkriterien verändern können - und müssen. Die Geschlechterdebatte in der Kultur ist in vollem Gange, mit vielen guten Beispielen. Seit 2020 gibt es beispielsweise eine Frauenquote für die Regieauswahl beim Theatertreffen. Dennoch, in Deutschland sind wir da weit hinten. Beim Thema Gender-Pay-Gap sind wir im Kulturbereich sogar europäisches Schlusslicht: Frauen in der Kulturbranche verdienen immer noch rund 35 Prozent weniger als Männer und unter 30 Prozent der Führungspositionen im Theater sind bisher in weiblicher Hand.

CCB Magazin:Sehen Sie die Gefahr, dass die soziale Nachhaltigkeit zugunsten eines grünen Fußabdrucks im Kulturbereich in den Hintergrund gerät? Alle sind plötzlich mit Klimabilanzierungen beschäftigt. Welche Rolle könnte das Theater für die soziale Nachhaltigkeit spielen?

Nicola Bramkamp:Hier sehe ich großes Potenzial! Es hängt ja alles zusammen. Wir müssen anfangen, unsere Institutionen grüner und gerechter zu denken. 2018 haben Lisa Jopt und ich die Konferenz Burning Issues - Performing Arts an Equality ins Leben gerufen, die aus der Me-Too-Bewegung heraus entstanden ist. Geschlechtergerechtigkeit und Abbau sowie Ahndung von Machtmissbrauch sind in unserer Branche ein großes Thema. Das ist strukturell bedingt - allein in Berlin gab es jüngst drei Machtmissbrauchsskandale in großen Kulturinstitutionen. Und Corona hat das Thema noch verschärft: man brauchte dringend Jobs, man konnte nicht spielen, die Sichtbarkeit war kleiner, und das heißt, es gab auch mehr Möglichkeiten, diese Situation in mächtigen Positionen auszunutzen. Wir arbeiten sehr daran, dass sich das ändert. Mein Engagement für Gender Equality und Klimagerechtigkeit haben am Ende damit zu tun, dass ich davon überzeugt bin, dass wir eine nachhaltigere Gesellschaft erschaffen müssen - sowohl in den ökonomischen, ökologischen als auch in den politischen und privaten Strukturen. Das müssen wir auf und hinter der Bühne umsetzen. Wir können inspirieren, aufklären, vermitteln. Das Theater ist hierzu ein wichtiger Motor der Transformation: Es hält der Gesellschaft den Spiegel vor. 

 


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