Nachhaltigkeit, Vernetzung Zurück

Und: Action bitte!

Und: Action bitte!
Foto: © Daniel Pasche

Jacob Silvester Bilabel hat Mitte der 1990er einer der frühen Digital-Startups gegründet, im Management für Universal Music gearbeitet, MySpace in Deutschland mitaufgebaut, die Green Music Initiative gegründet und noch vieles mehr unternommen. Jetzt hat er im Herbst 2020 das Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit initiiert, eine spatenübergreifende Anlaufstelle für das Thema Betriebsökologie für Kultur und Medien. Wie baut man so ein Netzwerk auf? Wie funktioniert es? Wir haben mit dem Nachhaltigkeitsexperten gesprochen.
 

INTERVIEW   Boris Messing

 

CCB Magazin: Hallo Jacob. Du bist, kann man sagen, ein kultureller Allrounder und hast diverse Unternehmungen und Initiativen gestartet. Wie kam es dazu und was macht einen guten Netzwerker aus?

Jacob Sylvester Bilabel: Das fing bei mir schon in der WG an. Wir haben ja alle mal in WGs gewohnt. Ich habe das sehr genossen. Und wie in jeder WG kommt es irgendwann zu einer Situation, wo man zusammen in der Küche sitzt und einer sagt, der Kühlschrank ist kaputt. Oder wir müssen das Bad neu streichen. Oder die Klingel geht nicht. Und dann fühlt sich keiner verantwortlich und die Sache wird vertagt. Und ich war dann irgendwann derjenige, der sich darum gekümmert hat, dass die Dinge angepackt werden. Das war so der initiale Impuls für mich. Im erweiterten Sinne glaube ich, dass ein guter Netzwerker viele Hüte aufhaben sollte und sich gleichzeitig als neutraler Brückenbauer versteht. Wie du eben sagst, ich habe schon einiges unternommen und ziemlich viele Hüte auf. Das gibt mir die Chance, mit Akteuren aus der Wissenschaft, Kultur und Politik zu reden. Ich bin aber kein Funktionär oder Lobbyist, ich vertrete keine bestimmte Klientel. Die Netzwerke, die ich betreibe, sind teamgetriebene Netzwerke.

CCB Magazin:Im Herbst 2020 hast du das Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit initiiert, das zum Teil von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien finanziert wird. Es versteht sich als spatenübergreifende Anlaufstelle für das Thema Betriebsökologie im Bereich Kultur und Medien. Warum gibt es das erst jetzt?

Jacob Sylvester Bilabel:Tja, man wundert sich oft, warum es dies und das noch nicht gibt. Ich hatte neulich ein Interview mit einer Frau aus der Energiewirtschaft. Die fragte mich, was wir denn so machen würden im Aktionsnetzwerk und welche Maßnahmen wir ergriffen. Sie könne sich nicht vorstellen, wie nachhaltige Kultur gehen soll. Und dann habe ich ihr ein paar Maßnahmen geschildert, und darauf meinte sie, ja, aber das ist doch eine ganz normale Energieberatung. Und ich meinte, ja klar, was sonst. Die Frage ist doch, warum sich die Frage im Kulturbereich noch keiner gestellt hat.

Ein guter Netzwerker sollte viele Hüte aufhaben und sich als neutraler Brückenbauer verstehen. Ich habe viele Hüte auf, das gibt mir die Chance, mit Akteuren aus der Wissenschaft, Kultur und Politik zu reden

CCB Magazin:Wie baut man so ein Netzwerk auf? Was sind die einzelnen Schritte?

Jacob Sylvester Bilabel:Im Grunde genommen treffen wir uns mit Leuten und erzählen ihnen, was wir machen. Im Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit gibt es zwei wichtige Besonderheiten, die es von anderen unterscheidet – und daraus leitet sich auch die Vorgehensweise ab. Als erstes sind wir ein Aktionsnetzwerk, d.h. wir tun die Dinge gemeinsam mit den Partnern unseres Netzwerkes. Zweitens fokussieren wir uns ausschließlich auf die Betriebsökologie. Bereiche wie die soziale Nachhaltigkeit sparen wir aus. Dafür gibt es andere Netzwerke. Wir kooperieren also mit Kulturakteuren, die in Sachen Betriebsökologie etwas ändern wollen. Professor Schellnhuber vom Potsdam Institute for Climate Impact Research hat in diesem Zusammenhang einmal von einem Club der Willigen gesprochen. Unsere Partner sind sehr divers, da ist der Deutsche Museumsbund dabei und die Filmförderungsanstalt, aber auch das Humboldt Forum oder die Fete de la Musique. Sie alle eint der Wille, etwas ändern zu wollen.

CCB Magazin:Wie groß ist euer Team? Worin bestehen die Aufgaben der Mitarbeiter?

Jacob Sylvester Bilabel:Wir haben in Absprache mit der Beauftragten der Bundesregierung drei große Blöcke definiert. Der erste besteht aus den Pilotprojekten mit unseren Partnern. Der zweite ist die von uns angebotene Weiterbildung zum Transformationsmanager und der dritte Block ein von E.ON Stiftung geförderter CO2-Rechner, der sich gerade in der Testphase befindet. Momentan sind wir vier Leute, die sich um alles kümmern. Die Grundkompetenz ist klassisches Projektmanagement. Jeder hat eine bestimmte Projektverantwortung, die Wege zur Erreichung der Projektziele liegen im Ermessungsspielraum des einzelnen. Der eine beispielsweise kümmert sich um die Weiterbildung, die wir zusammen mit der IHK Köln anbieten, der andere um den CO2-Rechner. Und dann fallen natürlich auch klassische Aufgaben wie die Buchhaltung an.

Das Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit fokussiert sich ausschließlich auf die Betriebsökologie. Unsere Partner, mit denen wir zusammen arbeiten, sind divers, sie reichen vom Deutschen Museumsbund bis zum Humboldt Forum oder der Fete de la Musique. Sie alle eint der Wille, etwas ändern zu wollen

CCB Magazin:Und wie sieht deine tägliche Arbeit aus?

Jacob Sylvester Bilabel:Mein typischer Arbeitsalltag teilt sich in drei Gebiete ein. Ein Teil besteht aus der Kommunikation, den Treffen und vielen, vielen Emails. Der zweite Teil besteht aus Schreibarbeit - die Dokumentation der Projekte, Projektanträge, solche Sachen. Und der dritte Teil besteht aus nachdenken, planen, auf Ideen kommen. Dafür gehe ich gern auf dem Friedhof Invalidenstraße spazieren. Jeden Morgen. Da bin ich fast alleine unterwegs.

CCB Magazin:Es gibt ja mittlerweile mehrere CO2-Rechner. Was ist bei eurem anders?

Jacob Sylvester Bilabel:Im Grunde folgen die alle dem gleichen Prinzip. Das ist keine allzu komplizierte Sache. Die Betriebsökologie eines Theaters ist nicht grundverschieden von der Betriebsökologie einer Lackiererei. Die dicken Brocken, Energie, Gebäude, Logistik etc. sind gleich. Es gibt viele Rechner, die sind aber oft von branchenfremden Kompensationsanbietern, die auch ein geschäftliches Interesse haben. Es gibt aber auch gute Rechner, zum Beispiel den vom Bundesumweltamt, der aber nur für Teile des kulturellen Sektors brauchbar ist. Unser Rechner, den wir vom Art’s Council /  Julie’s Bicycle in England übernommen, adaptiert und für Deutschland angepasst haben, ist dagegen speziell für die Kultur entwickelt worden. Durch bereits 5000 ausgewertete Datensätze ist er ein einfach zu bedienendes Tool, um die Klimabilanz von Kulturinstitutionen zu errechnen. Unser Rechner bietet dir nämlich neben den absoluten Werten auch noch relative Werte an, beispielsweise runtergebrochen auf die Quadratmeter Bühnenzahl, auf die Anzahl der Aufführungen oder auf die Anzahl der Besucher, sogenannte Key Performance Indikatoren mit denen du deine Maßnahmen besser planen kannst. Unser Rechner gibt dir so die Möglichkeit unterschiedliche Theater in Relation miteinander zu vergleichen. Das kann kein anderer Rechner bisher.

CCB Magazin:Wird es bei eurem CO2-Rechner eine zentrale Datenbank geben, wo man die Werte miteinander vergleichen kann?

Jacob Sylvester Bilabel:Nein. Das soll ja kein Konsumentenprodukt oder Journalistenprodukt sein, wo man dann mit dem Finger auf eine Kulturinstitution zeigt und sagt, schau mal wie schlecht deren Klimabilanz ist. Die Daten sind daher nur von den jeweiligen Benutzerinnen einzusehen. Es geht in erster Linie darum, zu sehen, wo man als Kulturinstitution steht, ein Bild von der eigenen Klimabilanz zu haben. Die Benchmark Daten werden daher nur im Rahmen einer Nutzungsvereinbarung zu bekommen sein.

CCB Magazin:Ich formuliere es mal plakativ: die großen Posten der Energiewende müssen durch Innovation im technologischen Bereich gelöst werden. Energieerzeugung und Energiespeicherung, Gebäudeeffizienz und Mobilität – das ist Sache von Wirtschaft und Forschung. Was kann denn die Kultur dazu beitragen? Und wo liegen die Grenzen eines Netzwerkes wie des euren?

Es braucht neue Narrative, um für das Problem des Klimawandels zu sensibilisieren und eine positive Anpackstimmung zu kreieren

Jacob Sylvester Bilabel:85 Prozent der Emissionen der Kultur sind identisch mit allen anderen Berufen, das betrifft die von dir genannten Posten. Es stimmt aber nicht, dass die Kultur keinen Einfluss darauf hat. Einer der großen Energiefresser sind zum Beispiel Kühlung und Lüftung. Durch ein effizientes System lässt sich das deutlich verbessern. Jetzt sagst du, ja, aber die Technologie, die dazu benötigt wird, kommt nicht von der Kultur. Wenn du aber nun weißt, in einem Museum wird viel Energie durch die Kühlung und Lüftung verbraucht, dann hast du hier einen spezifischen Hebel identifiziert, mit dem sich arbeiten lässt. Es braucht auch neue Narrative, um von der Angst vor Verzicht wegzukommen. Mit neuen Narrativen meine ich, welche sozialen Experimente sind notwendig, um für das Problem des Klimawandels zu sensibilisieren und eine positive Anpackstimmung zu kreieren.

CCB Magazin:Mal eine ehrliche Einschätzung bitte: Wie groß ist die Resonanz bei den Kultur- und Kreativschaffenden bisher? Wie nehmen sie euer Netzwerk an?

Jacob Sylvester Bilabel:Die Resonanz ist sehr gut. Es ist ganz einfach: Die, die sich dafür interessieren, kommen auf uns zu. Wir haben heute bereits 30 Partnerinnen aus den unterschiedlichsten Bereichen von Oper bis Museum, von Festival bis Filmförderung und von Bibliothek bis IHK.

CCB Magazin:Wo liegt das größte Hindernis für eine grünere Kreativwirtschaft? Mangelt es am Willen oder am Geld? Oder ist es am Ende doch die noch zu mangelhafte Technologie?

Jacob Sylvester Bilabel:Die Kreativwirtschaft ist ein sehr heterogener Sektor mit vielen Teilbereichen. Dort gibt es einzelne Innovatoren, die sich entscheiden haben, sich dieser Herausforderung proaktiv zu stellen. Denn: trotz der Dringlichkeit der Klimakrise und klaren nationalen Zielvorgaben bei der Einsparung von CO2 gibt es praktisch keine Vorschriften und Rahmenbedingungen für die einzelnen Unternehmungen, die diese Innovationen fordert und fördert. Diese Prozesse sind also (noch) freiwillig. Es gibt umgekehrt aber auch geförderte Kulturinstitutionen, die keinen Millimeter alleine gehen können und sehr wenig ändern. Die Technologie ist da, der Wille nicht immer. Zudem gibt es gewisse strukturelle Probleme. Ich nenne mal ein Beispiel: viele wollen was ändern, aber das Gebäude, in dem sie veranstalten, gehört der Stadt, der Kommune, dem Land – und so können sie nicht einfach ändern, was sie wollen. Insgesamt sehe ich den Kreativsektor aber als sehr innovationsgetrieben.

CCB Magazin:Was hast du mit dem Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit noch vor?

Jacob Sylvester Bilabel:Das Ziel ist es, noch mehr und stabilere Brücken zu bauen zwischen der Kultur einerseits und Wissenschaft und Forschung andererseits. Wasserstofftechnologie, effizientere Kühlungssysteme, eine smartere Energieversorgung – diese Innovationen müssen sichtbarer und genutzt werden. Dafür braucht es eine stärkere Vernetzung.

CCB Magazin:Jacob, du bist passionierter Surfer, habe ich gehört. Was war die größte Welle, die du bisher genommen hast?

Jacob Sylvester Bilabel:Oh, das war in Marokko, Taghazout. Die war sicher fünf Meter hoch! Leider bin ich nur ein mittelbegabter Surfer. Aber was soll’s.


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