Nachhaltigkeit, Räume Zurück

Tatjana Kaube von Kulturraum Berlin: Ich habe einen (T)Raum

Tatjana Kaube von Kulturraum Berlin: Ich habe einen (T)Raum
Foto: © privat

In Berlin sind die Räume für Kulturschaffende bedroht. Die Kulturraum Berlin GmbH will das ändern. Aber wie?
 

INTERVIEW   Jens Thomas

 

CCB Magazin:Tatjana, ihr seid die Kulturraum Berlin GmbH. Euer Ziel ist es, den Raumbestand in Berlin für Kunst- und Kulturschaffende zu sichern. Die Mieten in Berlin sind in den letzten fünf Jahren um rund 44 Prozent gestiegen. Die Räume für Kulturschaffende sind mehr denn je bedroht. Überschätzt ihr euch nicht mit eurem Vorhaben?

Tatjana Kaube: Ganz und gar nicht, wir nehmen die Herausforderung einfach an! An der Mietenexplosion können wir erst mal nichts ändern, das ist klar. Wir arbeiten aber an ganz pragmatischen Lösungen, so zum Beispiel an der Umsetzung des Arbeitsraumprogramms. Dafür akquirieren wir neue Räume.

CCB Magazin:Das heißt jetzt?

Tatjana Kaube:Wir mieten Räume an, richten sie je nach Bedarf her und vermieten sie zu geförderten Konditionen an die Künstler*innen – und wir entwickeln über das Arbeitsraumprogramm hinaus Konzepte und Strategien für die Weiterentwicklung der räumlichen Infrastruktur für die Künstler*innen der Stadt. Darüber hinaus nehmen wir an stadtentwicklungspolitischen Prozessen teil. Wir erarbeiten Nutzungskonzepte für Kulturstandorte oder helfen privaten Initiativen, die von Raumverlust bedroht sind. Eine ganze Menge also.

Berlin braucht bezahlbare Produktions- und Präsentationsräume. Auch das hat etwas mit Nachhaltigkeit zu tun. Darum kümmern wir uns

CCB Magazin:Kannst du mal schildern, wie ihr da vorgeht? Wie sieht ein Arbeitsalltag bei euch aus?

Tatjana Kaube:Ganz unterschiedlich. Wir vernetzen, bündeln und vermitteln, und das jeden Tag aufs Neue. Dazu holen wir alle nötigen Kräfte an den Verhandlungstisch. Man muss wissen: Das Land Berlin hat seit rund 30 Jahren ein Arbeitsraumprogramm, früher hieß es noch Atelieranmietprogramm. Schon damals konnten sich die Künstler*innen die Mieten für ein Atelier nicht leisten. Diese Situation hat sich in den letzten Jahren dramatisch verschärft. Früher haben die Kulturverwaltung und das Atelierbüro im kulturwerk des bbk berlin das Programm selbst durchgeführt, später wurde die GSE Gesellschaft für Stadtentwicklung gGmbH als Immobilienpartner mit ins Boot geholt. Heute sind die Berliner Immobiliengesellschaft GmbH (BIM) für die landeseigenen Liegenschaften und das Bündnis Freie Szene Berlin e. V. für die Sparten Musik, Darstellende Künste, Tanz, Literatur und Projekträume in das Programm involviert. Unsere Aufgabe ist es, all diese Kräfte mit dem Ziel zu koordinieren, dass am Ende Räume für die Freie Szene erhalten bleiben und neue geschaffen werden.

CCB Magazin:Kannst du mal ein Praxisbeispiel geben? Wann habt ihr wo wie für wen Räume gesichert?

Tatjana Kaube:Da fallen mir gleich zwei Beispiele ein. Aktuell sichern wir einen Raum für Tanzproben, der kurz vor der Verdrängung stand. Den Raum haben wir ins Programm mitaufgenommen. Ein weiteres Beispiel ist ein Musikprobenhaus, das kürzlich vor dem Aus stand. Das haben wir angemietet und es wird gerade hergerichtet.

CCB Magazin:Müssen sich die Künstler*innen bei euch bewerben?

Tatjana Kaube:Ja. Denn es handelt sich überwiegend um geförderte Räume. Dazu müssen bestimmte Kriterien erfüllt werden. Man muss beispielsweise als Künstler*in professionell ausgebildet sein und ein spartenspezifischer Vergabebeirat entscheidet zum Schluss, wer einen Raum bekommt. Das alles machen wir natürlich nicht allein, sondern in Zusammenarbeit mit den Partnern und anderen Organisationen. 

Das Team von Kulturraum Berlin GmbH: Foto © Kulturraum Berlin GmbH


CCB Magazin:Ihr unterstützt zudem die Senatsverwaltung für Kultur und Europa bei verschiedenen diversen Standortentwicklungen, von Konzeption über bau- und kulturfachliche Prüfung und Einbindung von Interessensgruppen bis hin zur Öffentlichkeitsarbeit. Wie genau sieht diese Zusammenarbeit aus?

Tatjana Kaube:Für Kultur Räume Berlin agieren wir in einem breiten Spektrum von Immobilienentwicklung über Mietangelegenheiten bis hin zur Auseinandersetzung mit künstlerischen Bedarfen. In all unseren Prozessen sind wir deshalb oft als Vermittler*innen unterwegs, zwischen den Sparten oder zwischen Künstler*innen und Immobilienunternehmen. Unsere Expertise in all diesen Bereichen, auch im Stakeholder-Management, wird deshalb gerne an anderer Stelle in Anspruch genommen. Wir sind – allerdings erst seit kurzem – zum Beispiel in die Entwicklung des Cateringgebäudes im ehemaligen Flughafen Tegel zum Kulturstandort involviert. 

CCB Magazin:Aber ist eure Arbeit nicht ein Tropfen auf den heißen Stein? Die Probleme sind doch viel größer; es geht um die generelle Verknappung und Verteuerung von Wohnraum. Glaubst du, dass eine Institution wie eure an der Situation für Künstler*innen in der Stadt langfristig etwas ändern kann?

Tatjana Kaube:Im Kleinen ja, und schrittweise natürlich. Dass Berlin ohne Kultur nicht Berlin ist, wissen alle. Und dass der Immobilienmarkt ein rasantes Tempo angenommen hat und die Kunstszene bedroht ist ebenso. Hier braucht es in der Tat stadtpolitische Entscheidungen. Aber wir sehen, dass die Kunstszene ausdifferenzierter und die Prozesse zur Entwicklung von Liegenschaften partizipativer geworden sind, gleichzeitig sind die rechtlichen Rahmenbedingungen umfassender. Das überfordert nicht nur private Initiativen. All das konnte auch die Kulturverwaltung nicht mehr leisten und hat deshalb beschlossen, die Umsetzung des Arbeitsraumprogramms auszulagern. 

CCB Magazin:Warum seid ihr eine GmbH?

Tatjana Kaube:Um flexibel agieren zu können. Wir haben so ganz andere Möglichkeiten als eine Verwaltung. Wir können kurzfristig handeln und als Generalmieterin einspringen – und dazu ganz neue Wege gehen. Da wir aber öffentlich gefördert und Tochter einer öffentlich-rechtlichen Stiftung sind, agieren wir nicht wie eine gewinnorientierte GmbH, sondern im Interesse des Landes Berlin. Ab 2023 sind wir auch gemeinnützig.

CCB Magazin:Ihr agiert an der Schnittstelle zur Immobilienwirtschaft. Gab es Widerstände gegen eure Arbeit?

Tatjana Kaube:Auch das. Die Verbindung von Kunst, Kultur und Immobilienwirtschaft schmeckt nicht jedem. Die einen sind verunsichert durch Veränderungen und neue Prozesse. Andere, weil sie staatliche Förderung grundsätzlich skeptisch sehen oder nicht verstehen, warum wir mit öffentlichen Geldern am privaten Immobilienmarkt teilnehmen. Das Thema ist komplex, wie du siehst. Die Vermittlung darum umso wichtiger.

CCB Magazin:Die Berliner Förderlandschaft teilt sich bislang in die Non-Profit Künstlerförderung und die wirtschaftsorientierte Kreativwirtschaftsförderung auf. Das Referat für Stadtplanung/Entwicklung war über Jahre nie mit im Boot. Wollt ihr diese Lücke füllen?

Tatjana Kaube:In gewisser Weise ja. Es gab aber schon Projekte, bei denen zusammengearbeitet wurde, z. B. bei Atelierwohnungen oder bei einzelnen Vorhaben, bei denen die Stadtentwicklungsverwaltung finanzielle Mittel bereitgestellt hat. Es ist aber auf jeden Fall wünschenswert, in diesem Bereich noch enger zusammenzuarbeiten. Und wir hegen große Hoffnungen, mit der neuen Legislaturperiode neue Ansatzpunkte für eine enge Zusammenarbeit zu finden.

CCB Magazin:Ihr sagt, ihr agiert mit einem interdisziplinären Team "an der Schnittstelle zwischen Verwaltung, Freier Szene und gemeinwohlorientierter Immobilienwirtschaft". Was genau ist mit gemeinwohlorientierter Immobilienwirtschaft gemeint?

Tatjana Kaube:Damit sind erst einmal die zwei Immobiliendienstleiser gemeint: Die BIM als landeseigene GmbH, die bei diesem Projekt in unserem Auftrag arbeitet, und die GSE, die eine gemeinnützige Einrichtung und Treuhänderin für das Land Berlin ist. Und auch darüber hinaus achten wir darauf, dass wir mit unserem Handeln im privaten Immobilienmarkt nicht selbst zum Preistreiber werden. Das Gemeinwohl muss immer im Blick sein.

CCB Magazin:Unser neues Magazin beschäftigt sich mit Nachhaltigkeit für die Kultur. Ihr sprecht auf eurer Homepage von "nachhaltigen und szenennahen Raumkonzepten für die kulturelle Nutzung in Berlin". Was bedeutet Nachhaltigkeit für euch?

Tatjana Kaube:Nachhaltigkeit steht für uns, auf unsere Arbeit bezogen, für Langfristigkeit. Zum einen versuchen wir die Standorte möglichst lange zu sichern, aber auch so flexibel zu entwickeln, dass die Nutzung ohne großen Aufwand geändert werden kann je nach Bedarfen. Und auch im ganz klassischen Sinn wollen wir die Räume im Arbeitsraumprogramm nachhaltiger ausstatten, angefangen bei Ökostrom bis hin zu Fahrradständern statt Parkplätzen.

CCB Magazin:Abschließend ein Blick in die Zukunft: Wie sieht das Berlin – idealerweise – im Jahr 2030 aus?

Tatjana Kaube:Berlin wird in zehn Jahren größer gedacht werden müssen als jetzt – also nicht nur innerhalb oder außerhalb vom S-Bahn-Ring. Dadurch wird sich die Gesellschaft in ihrer Vielfalt wieder mehr durchmischen. Wir verstehen Kunst und Kultur ganzheitlich und wollen der Kunst in den Bezirken Raum geben. Und die, die sie produzieren, werden dabei eine wesentliche Rolle spielen – sie sind die Pionier*innen dieser Stadt. 

 


Kennst du schon? Unser neues Magazin zum Thema Nachhaltigkeit und Kultur

 

Du willst das neue CCB Magazin kostenlos bestellen? [Hier gehts lang]

 

Rubrik: Specials

rss

Schon gelesen?

schließen
schließen

Cookie-Richtlinie

Wir verwenden Cookies, um dir ein optimales Website-Erlebnis zu bieten. Durch Klicken auf „Alle akzeptieren“ stimmst du dem zu. Unter „Ablehnen oder Einstellungen“ kannst du die Einstellungen ändern oder die Verarbeitungen ablehnen. Du kannst die Cookie-Einstellungen jederzeit im Footer erneut aufrufen.
Datenschutzerklärung | Impressum

Cookie-Richtlinie

Wir verwenden Cookies, um dir ein optimales Website-Erlebnis zu bieten. Durch Klicken auf „Alle akzeptieren“ stimmst du dem zu. Unter „Ablehnen oder Einstellungen“ kannst du die Einstellungen ändern oder die Verarbeitungen ablehnen. Du kannst die Cookie-Einstellungen jederzeit im Footer erneut aufrufen.
Datenschutzerklärung | Impressum