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EMAS to have

EMAS to have
Foto: © Roland Schneider

Organisationen wollen nicht nur, sie müssen nachhaltiger werden. Aber wie stellt man als Organisation auf Nachhaltigkeit um? Eine Möglichkeit ist die EMAS-Zertifizierung. Was es damit auf sich hat, und was sie Kulturorganisationen bringt, klärt der Technische Direktor der Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin, Christoph Hügelmeyer, im CCB-Interview auf.
 

INTERVIEW  Jens Thomas

 

CCB Magazin:Herr Hügelmeyer, Sie sind Umweltmanagementbeauftragter und Technischer Direktor der Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin. Was genau machen Sie? 

Christoph Hügelmeyer:Ich bin verantwortlich für die technischen Abteilungen der Kulturveranstaltungen des Bundes und damit des Hauses der Kulturen der Welt, des Hauses der Berliner Festspiele inklusive des Martin Gropius Baus und der Berlinale. Ganz konkret heißt das: Ich bearbeite Aufgaben des Personalwesens, des Budgets und der baulichen Instandhaltung sowie der Sanierung der Liegenschaften. Und daneben kümmere ich mich um Fragen des Arbeitsschutzes und die Dinge, die den Nachhaltigkeitsbereich betreffen. 

CCB Magazin:Welche Dinge sind das?

Christoph Hügelmeyer:Ich führe die Aufgabe des Umweltmanagementbeauftragten aus. Und in dieser Rolle bin ich u.a. verantwortlich für die Aufrechterhaltung des Umweltmanagementsystem EMAS. Hierzu initiiere ich die notwendigen Schritte für die Audits, also die internen Umweltbetriebsprüfungen. Genauso leite ich die regelmäßigen Umweltteamsitzungen und koordiniere Veränderungsprozesse hin zu mehr Nachhaltigkeit. Das beinhaltet u.a. die Abstimmungen mit den internen Auditor*innen, die Überarbeitungen der bisherigen Managementstruktur und das Impulsgeben zur nachhaltigen Verbesserung des gesamten Betriebs. Und selbstverständlich trete ich als Kommunikator nach innen und außen auf, um die Aufgaben und Ergebnisse zu präsentieren und zu diskutieren. 

EMAS ist ein europäisches Umweltmanagementsystem, das in den `90er Jahren von der EU eingeführt wurde, um für europäische Unternehmen einen neuen Umweltstandard zu etablieren. Meines Erachtens macht es gerade für Kulturinstitutionen Sinn

CCB Magazin:Für alle, die nicht wissen, was EMAS ist: Wie läuft so eine Zertifizierung ab? Welche Posten werden abgefragt und wer prüft das ganze zum Schluss?

Christoph Hügelmeyer:EMAS ist ein europäisches Umweltmanagementsystem, es steht für Eco-Management and Audit Scheme. Es wurde in den `90er Jahren von der EU mit dem Ziel eingeführt, für europäische Unternehmen einen neuen Umweltstandard zu etablieren – die teilnehmenden Organisationen veröffentlichen dazu eine Umwelterklärung und berichten über ihre direkten und indirekten Auswirkungen auf die Umwelt sowie über die Umweltleistung und Umweltziele. Die Zertifizierung braucht natürlich einen langen Vorbereitungsprozess: Das Unternehmen muss sich zu mehreren Themenfeldern positionieren. Eine Benennung eines Umweltteams, das diesen Prozess führt, ist der erste Schritt. Darauf folgen mehrere.

CCB Magazin:Machen Sie's mal konkret: Welche Schritte sind das?

Christoph Hügelmeyer:Zunächst ist der Kontext der Organisation zu bestimmen: Wer bin ich als Organisation und was will ich erreichen? Dann sind die interessierten Parteien zu benennen, die am Prozess beteiligt sind. Im Weiteren werden die bindenden Verpflichtungen ermittelt, anschließend die direkten und indirekten Umweltaspekte erfasst und bewertet. Darauf folgt die Untersuchung früherer Vorfälle. Es werden Chancen und Risiken analysiert. Daraus wird abschließend ein Leitbild erarbeitet und ein Umweltprogramm erstellt, aus dem konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Umweltleistung folgen. 

CCB Magazin:Und was passiert dann? 

Christoph Hügelmeyer:Danach beginnt die Datenerfassung zu den Bereichen Energieverbrauch, Emissionen, Material, Wasser, Abfall und Flächenverbrauch. Hier lassen sich sämtliche Posten aufschlüsseln: Wie viel und welcher Strom wird verwendet? Wie hoch ist der Papierverbrauch? Wo lassen sich Dinge grundsätzlich einsparen? Sogar Tankrechnungen lassen sich auswerten – EMAS ist ein System, das zur Vereinfachung teilweise mit Pauschalen arbeitet. Die Prüfung erfolgt einerseits durch ein internes Auditor*innen-Team, andererseits durch einen externen Gutachter, der einer staatlichen Überwachung unterliegt. Alle drei Jahre erfolgt eine Rezertifizierung – in den Zwischenjahren findet ein Überwachungsaudit statt. Je nach Größe und Kapazitäten des Unternehmens ist eine Zertifizierung innerhalb eines Jahres abgeschlossen.

CCB Magazin:Können Sie mal ein konkretes Beispiel bringen? Wer aus dem Kulturbereich hat eine solche EMAS-Zertifizierung bereits gemacht? 

Christoph Hügelmeyer:Wir selbst haben eine EMAS-Zertifizierung erstellt. Neben uns gibt es natürlich eine weitere, wenn auch kleine Anzahl an Kulturinstitutionen, die EMAS eingeführt haben bzw. auf dem Weg sind, EMAS einzuführen. Die KBB hat sich 2013 beispielsweise in einem ca. einjährigen Prozess zertifizieren lassen. Auch die Kulturstiftung des Bundes (KSB) und der Evangelische Kirchentag haben EMAS eingeführt. Meines Wissens befinden sich der PACT Zollverein und die SPK (Stiftung Preußischer Kulturbesitz) momentan ebenso in der Einführungsphase. In Deutschland waren im Jahr 2018 ca. 1200 Organisationen zertifiziert. Durch die Entscheidung, dass die obersten Bundesbehörden ebenfalls EMAS einzuführen haben, wird sich diese Zahl in den kommenden Jahren sicherlich noch erhöhen.

CCB Magazin:Man sagt, dass EMAS für viele Kulturschaffende nicht in Frage kommt. Es sei zu sperrig und aufwändig, gerade weil Aspekte wie Gebäudesanierung etc. im Mittelpunkt stehen. Wem würden Sie von einer EMAS-Zertifizierung abraten? 

Christoph Hügelmeyer:Abraten würde ich keinem. EMAS ist natürlich nicht primär auf Veranstaltungen zugeschnitten, das stimmt. Es ist ein betriebsökologisches Konzept und richtet sich an Institutionen. Dass es aber zu groß und sperrig für Kulturinstitutionen ist, kann ich nur teilweise bestätigen. Das Verfahren ist zwar etwas aufwändiger als beispielsweise das Umweltmanagementsystem ISO 14001, da es bei EMAS zusätzlich um eine umfassende Umwelterklärung geht, die veröffentlicht werden muss. Es basiert jedoch auf der ISO 14001. EMAS bietet damit gerade für Kulturinstitutionen eine große Flexibilität in der Ausgestaltung. Auch die Darstellung von Veranstaltungen wäre grundsätzlich möglich, bedarf aber einer genaueren Anpassung. Für eine solche Anpassung stellt sich die Frage, was mit einer Zertifizierung erreicht werden soll: Welche Bereiche möchte ich betrachten und worauf liegt mein Fokus? Wo habe ich den größten Handlungsbedarf und welches sind die größten Emissionstreiber? Auf Basis dieser Antworten kann ein sehr individuelles System auf die eigene Kultureinrichtung zugeschnitten werden.

CCB Magazin:Was kostet eine EMAS-Zertifizierung?

Christoph Hügelmeyer:Das lässt sich nicht genau beziffern. Der größte Posten betrifft vermutlich die Personalkosten zur Erarbeitung des Systems. Im laufenden Prozess entstehen vor allem Kosten in der Buchung des Auditors und der Durchführung des Audits. Diese belaufen sich auf einen niedrigen vierstelligen Betrag.

CCB Magazin:An welchen Stellen entstehen die meisten Probleme? Und was hält Kulturinstitutionen noch immer von einer EMAS-Zertifizierung ab? 

Christoph Hügelmeyer:Die meisten Probleme entstehen in der Durchführung durch die Vielzahl an Themen und aufgrund der fehlenden Kapazitäten der Mitarbeitenden. Da es im Kulturbereich noch nicht üblich ist, Arbeitsstellen für Nachhaltigkeit zur Verfügung zu stellen, scheitern einige Projekte schlichtweg am Zeitfaktor. Auch stellt die Verwendung von Zuwendungen bisher ein Problem dar: Es gibt noch keinen EMAS-spezifischen Fördertopf. Ist eine kulturelle Förderung beispielsweise an die Durchführung von kulturellen Veranstaltungen gebunden, muss man das irgendwie bezahlen. Darum fordern viele Akteure auch, richtigerweise, dass eine Finanzierung künftig nicht aus kulturellen, sondern aus anderen Töpfen erfolgen soll. 

CCB Magazin:Werden Bewerber auch abgelehnt? Kann man dann nachbessern? Wie hoch ist die Quote derer, die keine Zertifizierung erhalten? 

Christoph Hügelmeyer:Das kann ich nicht beantworten. Grundsätzlich steht die Zertifizierung jedem offen. Eine Ablehnung kann ich mir nur in dem Rahmen vorstellen, dass die Kriterien zur Zertifizierung nicht erfüllt wurden und nachgearbeitet werden müssen. Auch zur Quote habe ich keine Informationen. Das müsste man direkt über emas.de erfragen. 

CCB Magazin:Kürzlich haben 19 Kulturinstitutionen in einem Pilotprojekt der Kulturstiftung des Bundes eine Klimabilanzierung erstellt. Was genau ist der Unterschied zur EMAS-Zertifizierung?

Christoph Hügelmeyer:Der Unterschied besteht in der grundsätzlichen strukturellen Einbettung ins Unternehmen. Im Rahmen des Pilotprojekts haben die Institutionen eine Klimabilanzierung durchgeführt. Wie am Ende mit diesem Ergebnis umzugehen ist und wie weitere Schritte aussehen können, beantwortet das Projekt nicht. Somit fehlt ein Leitfaden für die weitere Bearbeitung. Genau das bietet EMAS. Ich will aber nicht sagen, dass die Klimabilanzierung unnütz ist, im Gegenteil. Das Pilotprojekt der Kulturstiftung des Bundes hat sogar einen wichtigen Nutzen, weil es im Gegensatz zu EMAS über die Bilanzierung einen konkret messbaren CO2-Wert bietet. Ich denke, dass über kurz oder lang alle Kulturinstitutionen ihren ökologischen Fußabdruck verbessern sollten - ob durch eine Klimabilanzierung oder über EMAS. 

CCB Magazin:Letzte Frage: Wir erleben gerade, dass viele Institutionen unter einem enormen Druck stehen, ökologisch bzw. klimaneutral zu werden. Und die Frage ist immer, wer bezahlt das zum Schluss. Welche Unterstützungsleistungen wünschen Sie sich konkret von der Politik? 

Christoph Hügelmeyer:Es braucht neue Förderprogramme, die sich nicht nur aus kulturellen Mitteln speisen, sondern auch die wirtschaftlichen, energetischen und klimapolitischen Töpfe anzapfen. Und neben einer rein finanziellen Förderung benötigt es Wissen und Vernetzung. Hier sei verwiesen auf den Fraktionsbeschluss der Grünen zum Thema „Green Culture Desk“ und „Green Culture Fond“. Und im Bereich der Vernetzung braucht es eine Verstetigung und Verbreiterung des Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit in Kultur und Medien. Zum Schluss kommt die Politik nicht drum herum, neben den monetären Budgets zukünftig Klimabudgets zur Verfügung zu stellen. Die Institutionen brauchen einen Richtwert, um die Umweltauswirkungen ihre Kulturarbeit beziffern zu können. Wie mit monetären Budgets auch, müssen dazu Posten innerhalb der Institution geschoben werden können. Nur so werden Projekte mit einer hohen Umweltauswirkung möglich. 


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