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Untouchable

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Foto: © Noëlle Kröger, Julia Schneider

Julia Schneider, Comic-Essayistin, und Noëlle Kröger, Künstlerin, widmen sich auf der diesjährigen re:publica mit einem Comic dem brandaktuellen Thema NFTs. Wir haben im Vorfeld der Veröffentlichung mit ihnen darüber gesprochen und schon einen Blick in den Comic erhaschen dürfen. NFT – was ist das eigentlich? Und was hält es für Künstler*innen bereit?
 

INTERVIEW  Boris Messing

 

CCB Magazin:Hallo Julia, Hallo Noëlle, in eurem Buch, Non-Fungible Comic, das ihr auf der re:publica vorstellen werdet, widmet ihr euch dem Thema NFTs. Mal ganz kurz für Dummys, was sind NFTs?

Noëlle Kröger:Ein digitales Artefakt ist im Prinzip unendlich vervielfachbar. Das ist für Künstler*innen problematisch, da ihr Werk dadurch an Wert verliert. Ein analoges Bild ist im Gegensatz dazu an sich schon ein Unikat, das nicht so leicht kopierbar ist. Hinter NFTs steckt die Idee, die Sicherheit und Einmaligkeit eines digitalen Kunstwerks zu gewährleisten, indem es, wie der Name Non-Fungible Token bereits suggeriert, nicht vervielfachbar ist und einem speziellen Eigentümer zugeordnet werden kann. Somit sind NFTs eine Art von Zertifikat, das die Urheber digitaler Artefakte und deren Käufer oder Sammler eindeutig bestimmt. Technisch gesehen lassen sich NFTs nicht ohne Kryptowährungen denken. Sie werden über eine Blockchain gehandelt, oftmals über die Blockchain Ethereum. 

CCB Magazin:NFTs umgibt zusammen mit den mittlerweile Tausenden von Kryptowährungen eine Aura der technologischen Undurchdringlichkeit, wenn sie auch auf der Blockchain-Technologie basieren. Um in einer Blockchain partizipieren zu können, braucht man eine Zugangs-Software, eine „Wallet“. Was bedeutet das?

Julia Schneider:Ganz einfach: Du brauchst in jedem Fall eine Kryptowährung, um mit NFTs am Start zu sein, die Wallet ist in diesem Kontext deine digitale Geldbörse. Die Kryptos bekommst du auf speziellen Tauschbörsen gegen Geld, meistens fallen für den Tausch Gebühren an. Deine Wallet, wo deine Kryptos liegen, sind durch einen digitalen Schlüssel gesichert, der nur dir gehört. Dann gibt es noch einen zweiten Schlüssel, mit dem du auf Plattformen wie beispielsweise Open Sea Handel mit NFTs betreiben kannst. Das Verfahren, die Transaktion, findet dabei über sogenannte „smart contracts“, ein automatisch ablaufendes Verfahren, durch eine Blockchain statt, wie Noëlle es bereits erwähnt hat. Die Schwierigkeit beginnt allerdings bereits mit der Erstellung, dem sogenannten „Minten“ eines NFTs. Ist das geschafft und der Handel über die Blockchain gemacht, lässt sich transparent und eindeutig feststellen, wer der Urheber und Besitzer eines NFTs ist.


"Smart Contracts", "Wallet", "Keys", "Minten" - im Comic wird alles spielerisch erklärt und kontextualisiert. Fotos: Julia Schneider, Noëlle Kröger

CCB Magazin:Der amerikanische Künstler Beeple hat im März 2021 über das Aktionshaus Christie’s einen NFT im Wert von umgerechnet 69 Millionen Dollar verkauft. In eurem Comic wird klargestellt, dass nur 1,8 Prozent aller NFTs für mehr als 800 Dollar verkauft werden, ja, einer von drei NFTs sogar nur für 100 Dollar verkauft wird, was unterm Streich ein Minus für die Künstler bedeutet. Ist der Markt mit NFTs wie der konventionelle Kunstmarkt auch nur einer elitären Oberschicht vorbehalten, die davon profitiert?

Noëlle Kröger:Teils teils. Theoretisch haben ja alle die gleiche Chance, NTFs zu erstellen und damit zu handeln, der Zugang ist also egalitär, anders als der konventionelle Kunstmarkt. Theoretisch haben also alle die gleiche Sichtbarkeit. Praktisch gesehen ist es aber so, dass bekanntere Künstler mehr Aufmerksamkeit bekommen. Die Aufmerksamkeit beginnt ja nicht erst online oder durch den Handel mit NFTs. Die Bekanntheit eines Künstlers oder einer Künstlerin hat viele Facetten. Die haben also eine bessere Chance mit NFTs erfolgreich zu sein. Es gibt aber mittlerweile Leute, die durch NFTs bekannt wurden und auf dem konventionellen Kunstmarkt keine Chance hatten. Das sind oft Leute, die sich schon mit Hilfe von Instagram einen Namen gemacht haben, da gibt es also eine mediale Wechselbeziehung. Sprich, für manche eröffnet sich durch NFTs durchaus eine neue Möglichkeit der Monetarisierung von Kunst, die meisten verdienen aber bisher nichts daran oder machen sogar Verluste.

Julia Schneider:Ein anderer Aspekt ist, dass der traditionelle Kunstmarkt sich bisher noch wenig für digitale Kunst interessiert. Ich sehe NFTs in jedem Fall als ein interessantes Spielfeld für Künstler*innen, in dem sie sich ausprobieren können und eine ganz neue Kunst entstehen kann.

NFTs sind ein Teil des gedachten Web3, sie versuchen ein Gegenmodell zum Web2, dem Plattform-Kapitalismus, zu sein, wo die Wertschöpfung des Contents von einigen wenigen abgeschöpft wird. Es ist aber noch ein Experiment, bei dem man nicht sagen kann, wie es ausgeht

CCB Magazin:Ein weiterer Nachteil für NFT-Künstler ist, dass sie durch den Wegfall eines Vermittlers ihrer Kunst, beispielsweise eines Galeristen, nun auch neue Aufgaben übernehmen müssen wie Marketing, Social Media, Website, die Rechtewahrnehmung usw. Ist das nicht eine Zumutung?

Julia Schneider:Du sprichst einen wunden Punkt an. Diesem Thema widmen wir uns auch in unserem Comic. Künstler*innen, die ihre digitale Kunst in Form von NFTs verkaufen wollen, müssen sich mit Kryptowährungen auskennen, über die der Handel betrieben wird. Sie müssen überhaupt erst wissen, wie man einen NFT erstellt. Sie brauchen eine Wallet, Englisch sprechen müssen sie sowieso – und dann kommen erst die Dinge dazu, die du genannt hast. Die Erstellung und der Handel mit NFTs ist also eine sehr komplexe Sache, die Zeit in Anspruch nimmt, die für das Schaffen der eigenen Kunst verloren geht.



Ob NFTs der Schlüssel sind für eine gerechtere Monetarisierung von digitaler Kunst und digitalem Content, muss sich noch zeigen. Fotos: Julia Schneider, Noëlle Kröger

CCB Magazin:Erschwerend kommt derzeit bei NFTs die hohe Plagiatsquote hinzu: ihr schreibt, dass vermutet wird, dass bis zu 80 Prozent aller NFTs plagiiert, sagen wir es genauer, geklaut wird, oder Fake ist. Ein rein technisches Problem? Ein rechtliches?

Julia Schneider:Da sitzen die Rechtsspezialisten gerade dran. Das ist eine offene Frage, wie man das rechtlich klärt. Und das berührt im Übrigen auch die allgemeine Frage, wie man Rechte in der digitalen Ökonomie überhaupt absteckt. Es geht da um die Frage, was ist was wert? Und: Wie können wir Eigentümer von etwas sein, dass wir nicht anfassen können? Das Problem mit den NFTs ist beispielsweise auch, dass ihre Transaktion zwar sicher über die Blockchain läuft, die digitalen Artefakte an sich aber in großen Serverfarmen abgespeichert werden. Die Daten bleiben damit in der Kontrolle dieser Farmen, großer Tech-Firmen. Und was passiert eigentlich mit den Daten, wenn so eine Serverfarm pleite geht? Das ist rechtlich und volkswirtschaftlich alles nicht klar, was da gerade passiert. Politik und Regulierung hinken der Entwicklung hinterher.

Noëlle Kröger:Ein Beispiel für ein Fake-NFT ist ein Kunstwerk von Banksy, das irgendjemand als NFT verkauft hat. Davon abgesehen, dass man nicht einmal weiß, wer hinter Banksy steckt, muss natürlich die Frage geklärt werden, wer was als originales NFT verkaufen darf.

Das Problem mit den NFTs ist , dass ihre Transaktion zwar über die Blockchain läuft, die digitalen Artefakte  aber in großen Serverfarmen abgespeichert werden. Die Daten bleiben damit in der Kontrolle großer Tech-Firmen. Und was passiert eigentlich mit den Daten, wenn so eine Serverfarm pleite geht?

CCB Magazin:NFTs sind, kann man sagen, ein Instrument oder eine Anwendung des Web3, das selbst nicht genau definiert ist, aber dem die Vorstellung zugrunde liegt, ein dezentraleres, egalitäreres Internet zu schaffen, in dem alle partizipierenden Creator mitverdienen. Aller Content soll einen Wert bekommen. Das erinnert ein bisschen an die Euphorie der Anfänge des Internets. Ist das am Ende nicht eine Utopie?

Julia Schneider:Genau das bildet den Rahmen unseres Comics. Die Diskussion darüber, wer das Internet definiert, mit welchem Ziel usw. NFTs sind ein Teil des gedachten Web3, dadurch versuchen sie auch ein Gegenmodell zum Web2, dem Plattform-Kapitalismus, zu sein, wo die Wertschöpfung des Contents von einigen wenigen abgeschöpft wird. Das alles ist aber derzeit noch sehr abstrakt, ein Experiment, bei dem man nicht sagen kann, wo es sich hin entwickelt oder wie es ausgeht.

CCB Magazin:Ein großer Kritikpunkt an NFTs sowie an Kryptowährungen allgemein ist der hohe Energieverbrauch. Darüber hinaus sind Kryptowährungen wie Ether oder Bitcoin äußerst volatil. Gerade schmieren sie ziemlich ab. Mal ganz dumm gefragt: Wieso braucht man eigentlich eine Kryptowährung, um NFTs zu kaufen? Bei Amazon kann man doch auch mit normalem Geld bezahlen.

Julia Schneider:Gute Frage. Meiner Meinung nach könnten NFTs auch mit „normalem“, also Fiat-Geld, wie Euro oder Dollar, funktionieren.

Noëlle Kröger:Es gibt Versuche, stabilere Kryptowährungen aufzubauen. Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, hat sich eine Kryptowährung auch an den Dollarkurs gebunden. Eine Sache könnte sein, dass es eine kulturelle oder ideologische Sache ist, Krypto-Fans glauben daran, dass ihr Modell sich als dezentrales Finanzsystem ohne Autorität weltweit durchsetzen wird. Sie wollen den Handel mit NFTs vielleicht gar nicht anders.

Der hohe Energieverbrauch der Blockchains ist ein schwer zu lösendes Problem. Dass es dafür eine Lösung geben wird, stellt sich von Seiten der Befürworter als ein oftmals beschworenes, aber unfundiertes Narrativ dar. Dass Kryptos und NFTs in naher Zukunft umweltfreundlich sein werden, ist eine Art von Beschwörungszauber

CCB Magazin:In eurem Comic erklärt ihr im Detail die technologischen und ökonomischen Grundlagen von NFTs, wägt Vor- und Nachteile ab. Zu welchem Schluss seid ihr gekommen?

Noëlle Kröger:Ich glaube, wir sind beide davon überzeugt, dass NFTs nicht so schnell verschwinden werden. Ich persönlich finde aber, dass die Nachteile derzeit noch überwiegen. Das Versprechen der NFTs, Künstler*innen mehr Freiheit und eine bessere monetäre Vergütung zu ermöglichen, erfüllt sich nicht. Ich sehe darin eher eine weitere wirtschaftliche Spekulationsblase.

Julia Schneider:Es gibt nicht einfach ein Yes oder No. Ich sehe zum einen das Umweltproblem durch den hohen Energieverbrauch der Blockchains als ein schwer zu lösendes Problem. Dass es dafür eine Lösung geben wird, stellt sich für mich von Seiten der Befürworter als ein oftmals beschworenes, aber unfundiertes Narrativ dar. Dass Kryptos, NFTs usw. in naher Zukunft umweltfreundlich sein werden, ist eine Art von Beschwörungszauber. Morgen, morgen, morgen… Andererseits finde ich es eine tolle Errungenschaft, dass es im Internet einen unmittelbaren Austausch geben kann. Kulturschaffende und Künstler*innen können sich dadurch auf vielfältige Weise ausprobieren, was uns alle kulturell bereichert.

CCB Magazin:Letzte Frage: Was verdient ihr eigentlich mit eurem Comic?

Julia Schneider:Unser Comic wird unter einer offenen cc-Lizenz erscheinen: auf der Projektwebsite nonfungiblecomic.org kann man ihn gratis herunterladen, lesen und teilen. Diese cc-Lizenz zielt darauf ab, unsere Arbeit und das Thema NFTs möglichst vielen Privatpersonen zugänglich zu machen und gleichzeitig das Projekt - das wir ohne Vorleistungen erstellt haben - nach Möglichkeit gegenzufinanzieren. Wie bei meinen anderen Comics gibt es hier verschiedene Wege: über Einladungen zu Vorträgen, Ausstellungen, Weiterverarbeitungen und den Verkauf von Print-Exemplaren für Liebhaber*innen des gedruckten Comics. Zu meinen (positiven) Erfahrungen mit diesem recht neuen Veröffentlichungs-Modell – Self-Publishing plus Open Licensing – werde ich auch auf der .txt-Konferenz, dem neuen Format der re:publica, am 11. Juni sprechen.


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Rubrik: Wissen & Analyse

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