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Smart aber fair

Smart aber fair
Foto: © Edyta Gontarski

Magdalena Ziomek und Alicja Möltner haben vor sechs Jahren die SMartDe eG in Berlin gegründet, eine Genossenschaft zur Stärkung von Selbstständigen. Ihr Ansatz steht im Lichte der sozialen Nachhaltigkeit: Denn die Arbeitsbedingungen von Kreativschaffenden und anderen Selbstständigen sind oft prekär. Es fehlt die soziale Absicherung – insbesondere für diejenigen, die nicht über die Künstlersozialkasse versichert sein können.
 

Text Magdalena Ziomek     undAlicja Möltner

 

Alles fing vor etwa acht Jahren an. Magda arbeitete damals im Projekt agitPolska, Alicja als freischaffende Kulturmanagerin und Musikerin, und wie so viele Kreativschaffende plagten uns Fragen wie: Wie komme ich über die Runden? Wie organisiere ich meine Arbeit, sodass ich sozial abgesichert bin? Die Zahlen sprechen ja seit Jahren eine klare Sprache: Über vier Millionen Selbstständige arbeiten in Deutschland, 2,3 Millionen davon sind Solo-Selbstständige. Die Hälfte zahlt nicht in die Rentenversicherung ein, und nur ein Bruchteil hat Zugang zur Arbeitslosenversicherung. Darüber hinaus hadern viele mit dem Papierkram, mit dem persönlichen Haftungsrisiko, wenn etwas schiefläuft, auch mit den Aufträgen oder verspäteten Zahlungen der Kunden. Das alles betrifft die Sicherung der künstlerisch-kreativen Existenz.

Aus diesen Gründen haben wir vor sechs Jahren die Genossenschaft Smart in Deutschland gegründet. Das Ziel: die soziale Absicherung von Selbstständigen verbessern. Wir treten für einen Arbeitsansatz der sozialen Nachhaltigkeit ein, denn nur 14 Prozent der Kreativen in Deutschland erwirtschaften als Freiberufler oder Selbstständige überhaupt einen Jahresumsatz von mehr als 17.500 Euro, so die Berechnungen des Bundeswirtschaftsministeriums im „Monitoringbericht Kultur- und Kreativwirtschaft 2020“. Und dass viele Solo-Selbstständige erheblichen sozialen und wirtschaftlichen Risiken ausgesetzt sind, wurde während der Corona-Pandemie nochmals deutlich. Hier setzen wir an: Ab einem Mitgliedsanteil von 50 Euro jährlich kann jeder Mitglied in unserer Genossenschaft werden. Alle aktiven Smart-Mitglieder können Aufträge über die Genossenschaft abwickeln und von der Genossenschaft angestellt sein. Auf der Basis ihrer Einnahmen erhalten sie von Smart ein gemitteltes Monatsgehalt. Dabei sind die Mitglieder weiterhin für die Auftragsabsprache mit dem Kunden und die Leistungserbringung zuständig. Smart übernimmt aber die administrative Abwicklung des Auftrages: Wir stellen dem Kunden die Leistung in Rechnung und kümmern uns um die Reisekostenabrechnung, Auslagener-stattung und unter Umständen sogar um das Mahnwesen. Wenn Aufträge über eine Anstellung bei Smart abgewickelt werden, muss der- oder diejenige auch keine eigene Selbstständigkeit beim Finanzamt anmelden und spart sich so viel bürokratische Arbeit. Zum Schluss führt die Genossenschaft die Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer ab. Bei jedem über Smart abgewickelten Auftrag fließt eine Gebühr von sieben Prozent der Netto-Auftragssumme an unsere Genossenschaft. Davon werden die gemeinschaftlich genutzten Services finanziert.

Wir wollen die soziale Absicherung von Selbstständigen verbessern. Denn die Hälfte aller Solo-Selbstständigen zahlt nicht mal in die Rentenversicherung ein

Soweit die Fakten. Wie sieht das aber in der Praxis aus? Ein Beispiel: Eine Tour-Managerin betreut eine Tournee; die Auftragslage ist ganz unterschiedlich – im Sommer ist während der Festival-Saison viel los, im Winter eher Flaute. Im Rahmen einer Anstellung bei Smart lässt sich durch die Einnahmen ein monatlich stabiles Durchschnittsgehalt generieren. Denn wenn bestätigte Aufträge im Sommer reinkommen, geht die Genossenschaft in Vorleistung und zahlt schon vorher ein Gehalt auf der Basis der zukünftigen Aufträge aus.

Wir schließen also eine Lücke, was längst überfällig ist. Und wir wissen nur zu gut um die Bedürfnisse von Kulturschaffenden: Wir kommen alle aus der Kultur – wir sind Musiker, Kulturmanagerinnen, Kreative aller Art. Angefangen hat Smart in Belgien. Seit sechs Jahren haben wir nun ein Büro in Berlin – gerade sind wir das vierte Mal umgezogen. Anfangs waren wir in einem Co-Working-Space im Bethanien, mit vier Personen und einem Schreibtisch. Dann waren wir in einer Garage am Mehringdamm, seit 2018 sitzen wir am Mehringplatz. Kürzlich haben wir unsere Büros mit Räumen in der Wilhelmstraße erweitert: einem Raum für die Berater*innen, einem Coworking-Space für die Genossenschafts-Mitglieder und einem Raum für Workshops. Wir sind heute Teil eines europaweiten Smart-Netzwerkes mit Büros in Ländern wie Frankreich, Spanien, Italien, den Niederlanden, Schweden, Österreich und eben Deutschland – mit insgesamt über 95.000 Mitgliedern! Anfangs waren vor allem selbstständige Tänzer, Musikerinnen, Autoren und Installationskünstlerinnen Smart-Mitglieder, heute haben wir Zulauf aus nahezu allen Berufsfeldern der Kultur- und Kreativbranche und vor allem von denjenigen, die nicht über die Künstlersozialkasse versichert sein können: Dazu gehören Produzenten, Softwareentwicklerinnen, Kommunikationstrainer, Marketingberaterinnen, Tontechniker und viele mehr.

Wir haben klein angefangen, wir sind allmählich gewachsen, und genau das wollen wir für unsere Mitglieder auch: Unser Ziel ist es, Kreativschaffenden die Möglichkeit zu geben, ihre Aktivitäten in einem sicheren und sozial nachhaltigen Status auszuüben – und die Praxis zeigt, dass unsere Mitglieder im Laufe der Zeit immer erfolgreicher und umsatzstärker werden.


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