Nachhaltigkeit, Vernetzung, Gründung, Förderung, Finanzierung, Karriere, Crowdfunding Zurück

Shai Hoffmann: "Lasst uns Berlin und die Welt grüner, bunter und toleranter machen!"

Shai Hoffmann: "Lasst uns Berlin und die Welt grüner, bunter und toleranter machen!"
Foto: © Svenja Kopyciok

Was hat Crowdfunding mit Nachhaltigkeit zu tun? Darüber schreibt Shai Hoffmann in unserem neuen Magazin "The Big Good Future" #3. Der selbsternannte Karma-Ökonom macht seit Jahren eine Crowdfunding-Kampagne nach der anderen, um nachhaltige Konzepte in die Gesellschaft zu tragen. An dieser Stelle skizziert er eine Bestandsaufnahme - und erklärt, warum er vom Crowdfunding einfach nicht loskommt. 
 

Text Shai Hoffmann   

 

Darf ich mich vorstellen: Ich bin Shai Hoffmann, Sozialunternehmer, Speaker, Moderator und Aktivist. Ich setze mich für gesellschaftliche Belange ein und lanciere Projekte in Sachen Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Politik und Gesellschaft – und ich nutze dazu vor allem eines: Crowdfunding. Crowdfunding ist für mich eine Möglichkeit, meine Ideen zu verwirklichen. Man setzt eine Kampagne auf und braucht keine lästigen Antragsformulare auszufüllen oder irgendwo Schlange zu stehen: Man macht einfach. Und wenn man eine Crowdfunding-Kampagne ein, zwei Mal gemacht hat, weiß man, wie das geht. Ich habe mittlerweile über zehn Kampagnen hinter mir. Ich habe zum Beispiel die Karma Classics auf den Weg gebracht, eine nachhaltige, fair produzierte Alternative zu den Converse Chucks, die man auch selber herstellen kann. Dann bin ich mit dem „Bus der Begegnungen“ zwei Wochen vor der Bundestagswahl 2017 quer durch Deutschland gereist, um mit den Menschen vor Ort ins Gespräch zu kommen. Ausgestattet mit Kaffee und Snacks, ein paar Stühlen, Tischen und mit viel Mut und Energie haben wir uns auf die Marktplätze gestellt und die Menschen gefragt, was sie bewegt. Aktuell produziere ich zudem Israel-Palästina-Bildungsvideos, um das binäre Denken über den Nahostkonflikt aufzubrechen und Widersprüche aushalten zu lernen. Denn Nichtwissen mündet oft in antisemitischen und antimuslimischen Ressentiments – übrigens nicht selten auch bei Lehrenden. Hier zum Diskurs anzuregen, das hat für mich etwas mit einer nachhaltigen und demokratischen Gesellschaft zu tun. Und beides ist untrennbar: Eine funktionierende Demokratie beginnt beim Austausch und Miteinander. Eine nachhaltige Gesellschaft gibt es nur, wenn unsere Ziele gesellschaftlich-sozial und ökologisch nachhaltig sind, wenn Mensch, Natur und Umwelt nicht zu Schaden kommen. 

Ich bin überzeugt, alles, was einem am Herzen liegt, ist zum Schluss am überzeugendsten. Dafür braucht es keine Marketingabteilung. Dafür braucht es nur dich, deinen Mut, deine Zielstrebigkeit und deinen Veränderungswillen

Crowdfunding hat also viel mit Nachhaltigkeit zu tun. Auf Plattformen wie Startnext hat heute gefühlt jedes zweite Projekt einen nachhaltigen Impact – und das, weil die Macher und Macherinnen den Menschen nicht einfach etwas verkaufen wollen; es geht darum, Mitstreiter für eine Sache zu finden. Das heißt nicht, dass Crowdfunding per se nachhaltig ist. So gab es mal eine Kampagne, in der ein Autolobbyist Crowdfunding nutzen wollte, um gegen Tempo 30 zu wettern. In der Regel sind das aber Einzelbeispiele, zum Schluss setzen sich meist die guten Ideen durch. Beispiele gibt es zur Genüge: Die Unverpackt-Läden, die Plastikverpackungen beim Einkauf vermeiden, wurden über Crowdfunding groß. Anstatt der angepeilten 45.000 Euro wurden zum Schluss 108.915 Euro eingesammelt – heute gibt es bundesweit 62 Unverpackt-Läden. Das Problem dahinter ist klar: Deutschland steht mit 220,5 kg produziertem Verpackungsmüll pro Kopf an der Spitze in Europa. Der europäische Durchschnitt liegt bei „nur“ 167,3 kg. Obst und Gemüse werden zu 63 Prozent vorverpackt verkauft, jährlich fallen insgesamt über 18 Millionen Tonnen Verpackungsabfälle in Deutschland an. Ein anderes Beispiel sind die Unternehmen einhorn und Soulbottles. Beide konnten Crowdfunding für sich nutzen, um ihre Unternehmen aufzubauen: einhorn hat die Vermögen-Eigentum-Debatte neu entfacht und die Frage aufgeworfen, wie Unternehmen in Zukunft aufgestellt sein müssen, damit die Menschen in den Unternehmen gut und gerne arbeiten. Die Soulbottles produzieren nachhaltige, individuell gestaltete Flaschen aus Glas, um Plastikmüll zu vermeiden – denn weltweit treiben Schätzungen zufolge mehr als 250.000 Tonnen Plastikmüll auf den Ozeanen. Und die Konsumenten entscheiden bei der Produktion über das Design mit. Das heißt, Crowdfunding bringt nicht nur nachhaltige Ideen in die Welt. Man vergewissert sich auch, wer die Idee gut findet, wer mitmacht und Mitstreiter wird. Und ich bin überzeugt, alles, was einem am Herzen liegt, ist zum Schluss am überzeugendsten. Dafür braucht es keine Marketingabteilung. Dafür braucht es nur dich, deinen Mut, deine Zielstrebigkeit und deinen Veränderungswillen.


Aber ist Crowdfunding auch als Finanzierungsform nachhaltig? Unter Umständen ja. Zunächst muss man sagen, dass von einer Crowdfunding-Kampagne nur die wenigsten leben können: Der Durchschnittswert einer erfolgreichen Kampagne liegt in Deutschland bei rund 8.000 Euro. Damit können weder die eigene Arbeit noch weitere Mitarbeiter ausreichend bezahlt werden. Man könnte auch sagen: Hier fängt Selbstausbeutung an. Ich denke aber, dass sich hier gerade ein Bewusstseinswandel vollzieht. Viele achten mittlerweile darauf, dass die eigene Kampagnen-Arbeit finanziert wird. Das ist auch bei mir so. Ich konnte über meine Kampagnen teils über 100.000 Euro einnehmen und darüber das Projekt, meine eigene Arbeitskraft und die Kampagnen-Mitarbeiter bezahlen. Wobei Crowdfunding nicht auf eine reine Finanzierungsform reduziert werden kann. Crowdfunding schiebt Projekte an. Es findet oft auch nur ergänzend zu bereits bestehenden Finanzierungsstrukturen statt – darüber können zum Beispiel neue Magazinreihen, einzelne Festivals oder Film-Einzelproduktionen finanziert werden. Und eine Tendenz macht mir Hoffnung: Auch Stiftungen und die größeren Banken haben mittlerweile das Potenzial von Crowdfunding erkannt. Die sagen, wir finden das gut, wir bezuschussen dich mit einem Kredit, ohne weitere Businesspläne oder größeren Bürokratieaufwand. Hier muss es weitergehen. Auch Förderstrukturen könnten daraufhin angepasst werden, denn ein erfolgreiches Crowdfunding beweist, dass die Idee auf Resonanz stößt. Für die Zukunft wünsche ich mir mehr Mut, auch in den Institutionen. Und ich bin fest davon überzeugt, dass man mit guten, kreativen Ideen und einer packenden Story viel bewirken kann. Traut euch neue Dinge zu, das ist wie eine Liebesbeziehung! Lasst uns Berlin und die Welt grüner, bunter und toleranter machen. Dadurch wird nicht nur die Stadt, sondern auch das Leben lebenswerter.


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