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Ina Roß: "Staatliche Förderung ist kein Dauermotor"

Ina Roß: "Staatliche Förderung ist kein Dauermotor"
Foto: © Camille Blake

Wie überlebt man als Künstler*in? Die Kulturmanagerin Ina Roß hat dazu ein Buch geschrieben, mittlerweile ist die dritte Auflage erschienen. Ein Gespräch über Ideen, Instrumente und die Finanzierungsformen von morgen.

 

Interview Jens Thomas 

 

CCB Magazin:  Hallo Ina, du hast gerade dein Buch "Wie überlebe ich als Künstler?" neu aufgelegt. Wenns ums Geld geht, hört bei vielen der Spaß auf. Bist du denn selbst Künstlerin und kannst von deiner Arbeit leben? 

Ina Roß: Ich bin von Hause aus Kulturmanagerin und arbeite seit mehr als zehn Jahren mit Künstler*innen und Kreativen an Themen wie Selbstmarketing, Management, Finanzierung und Selbstorganisation. Mein Prinzip ist Hilfe zur Selbsthilfe. Deshalb heißt mein Buch im Untertitel auch „eine Werkzeugkiste“: Ich gebe den Leser*innen Instrumente, Ideen und Anleitungen an die Hand, die sie dann ihren Bedürfnissen anpassen können. Das mache ich vor allem an Hochschulen, aber auch im Einzelcoaching mit Künstler*innen. Daneben berate ich Kultureinrichtungen und bilde ihre Mitarbeiter*innen weiter.  

CCB Magazin: Deine Erstauflage ist ein paar Jahre alt. In Deutschland sind die Ausgaben für öffentliche Kulturförderung über die Jahre gestiegen - von 9 Milliarden im Jahr 2012 auf über 11 Milliarden im Jahr 2020. Was hat sich seitdem verändert? Welche Formen der Finanzierung und Förderungen gab es damals, welche dominieren heute?

Ina Roß: Dies ist die dritte Auflage des Buchs, die wir diesmal komplett überarbeitet und erweitert haben. Inhaltlich angewachsen ist vor allem das Kapitel „Wie finanziere ich mich?“. Hier habe ich detailliert die Leser*innen an die Hand genommen, wenn es um Anträge für öffentliche Förderungen geht. Wie schreibt frau/man einen Antragstext, wie schaut ein Kurztext aus, wie ein Kostenplan usw. Dazu habe ich mit Leuten aus Jurys oder Kommissionen gesprochen, die sich manchmal Dutzende von Anträgen am Tag ansehen. Mit ihnen habe ich über immer wiederkehrende Fehler oder No-Go‘s gesprochen. Neu ist auch der Abschnitt über Verwertungsgesellschaften, die Kulturförderung der Kirche und das Thema Crowdfunding im Abo-Modell, das neu neben dem Projekt-Crowdfunding dazugekommen ist. Der Abschnitt zum Sponsoring von Unternehmen oder unternehmerischen Stiftungen wurde mit neuen Interviewpartner*innen erweitert.

Mein Prinzip ist Hilfe zur Selbsthilfe: Ich gebe den Leser*innen Instrumente, Ideen und Anleitungen an die Hand, die sie dann ihren Bedürfnissen anpassen können

CCB Magazin: Kurz zusammengefasst: Wie überlebt man als Künstler*in?

Ina Roß: Dazu habe ich 230 Seiten vollgeschrieben – aber wenn ich mich auf einen Ratschlag konzentrieren soll: Macht euch bewusst, dass zum Beruf Künstler*in, neben der kreativen/künstlerischen Seite zu mindestens 50 Prozent auch die organisatorisch-werbende Arbeit dazugehört. Und ihr braucht dafür nicht nur Zeit und Motivation, sondern auch Wissen, Handwerk und gute Einfälle. Das wird den Kunststudierenden an den Hochschulen und Akademien meist so nicht vermittelt. Deshalb versucht unbedingt, euch dieses Wissen so früh wie möglich über die Angebote anderer Anbieter, wie z.B. Kulturbüros, Fachverbände oder Weiterbildungsträger, anzueignen. 

CCB Magazin: Wenn du Künstler*innen einen Tipp geben würdest: Welche(n) Fehler gilt es zu vermeiden?

Ina Roß: Auch wenn wir in Deutschland glücklicherweise öffentliche Förderung haben und sich junge Künstler*innen beim Start helfen lassen können: Vergesst nicht, dass es die Gefahr gibt, für die Förderung zu alt zu werden. Das heißt, es ist wichtig, sich ein Publikum oder potentielle Käufer*innen aufzubauen und zu pflegen, für den Fall, dass die öffentlichen Förderer wegbrechen. Wie ihr das macht, dafür gibt mein Buch viele Beispiele und Ideen. Staatliche Förderung versteht sich meist als Starthilfe für die künstlerische Karriere, nicht als Dauermotor. Es gilt die Lebensweisheit von den Eiern, die möglichst auf verschiedene Körbchen verteilt werden sollten.

Staatliche Förderung versteht sich meist als Starthilfe für die künstlerische Karriere, nicht als Dauermotor. Es gilt die Lebensweisheit von den Eiern, die möglichst auf verschiedene Körbchen verteilt werden sollten

CCB Magazin: Vor allem in den letzten Jahren hat sich ein neues Wirtschaftsverständnis Platz gemacht: wertebasiert statt profitfixiert, Postwachstum statt Wachstum. Zum Beispiel, indem das Thema Nachhaltigkeit ins Zentrum gerückt wird. Vielen Künstlern war die Vermarktung unter wirtschaftlichen Vorzeichen stets ein Graus. Verändert sich dieses Verhältnis gerade durch eine neue Werteorientierung? Entstehen dadurch neue Kooperationen und neue Finanzierungsformen?

Ina Roß: Wie ein Künstler, eine Künstlerin der Vermarktung gegenübersteht, wird beeinflusst von der Persönlichkeit der Künstler*in, der Ausbildung und nicht zuletzt von den künstlerischen Inhalten. Es gab schon immer Künstler*innen, die der Kooperation mit Unternehmen, die weit über das einfache Sponsoring hinausgingen, offen gegenüber standen und darin eine Win-Win-Situation erkannt haben. Unter dem Label „Büro Orange“ wurden von Siemens in München zum Beispiel Künstler*innen schon vor zwanzig Jahren als kreative produktive „Störer“ ins Unternehmen eingeladen oder bei der Gasag kam es mit Künstler*innen und Mitarbeiter*innen zur Zusammenarbeit - um nur zwei prominente Beispiele zu nennen. Da gibt es viel Spielraum für neue Ideen und Kooperationen sowohl von Seiten der Künstler*innen als auch der Unternehmen. Und mit dem Thema Nachhaltigkeit ist ein interessanter neuer Fokus entstanden, der die Prioritäten und die Bedingungen der Zusammenarbeit verändern wird. Darauf kann man gespannt sein. 

CCB Magazin: Wenn du dein Buch in 5 Jahren noch mal neu auflegen solltest: Wie finanzieren sich Künstler*innen in der Welt von morgen?

Ina Roß: Wenn Du mir vor fünf Jahren gesagt hättest, dass wir erst einen Lockdown und dann einen Krieg in der Ukraine erleben, hätte ich das kaum für möglich gehalten. Deshalb bin ich vorsichtig mit Prognosen. Trotzdem hoffe ich, dass die Allianz zwischen der Gesellschaft und ihren Künstler*innen stärker wird. Wenn staatliche Instanzen sich durch anhaltende Krisen mehr aus der Förderung zurückziehen, wie es jetzt leider schon vielerorts passiert, dann kommt es auf die Zivilgesellschaft an. Plattformen wie Patreon oder Steady sind Pioniere dieses zivilgesellschaftlichen Engagements im digitalen Bereich. Und ich hoffe, dass uns allen bewusst wird, dass wir auch als Einzelne etwas dafür tun müssen, damit Deutschland ein kulturell reiches Land bleibt.

Rubrik: Wissen & Analyse

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