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Matthias Busch: „Wir wollten nicht nur Coverband XY sein“

Matthias Busch: „Wir wollten nicht nur Coverband XY sein“
Foto: © Marta Witak

In unserer neuen Reihe „Wie bist du in Form“ fragen wir, welche Rechtsformen für Kreativschaffende die richtigen sind: GbR, GmbH, gGmbH oder alles zusammen? Wie organisiert man sich? Die zwölfköpfige A-Cappella-Band Stimmgewalt entschied sich für eine GbR, vertreten durch drei Gesellschafter. Mit zwei von ihnen haben wir gesprochen.  
 

INTERVIEW  Boris Messing

 

CCB Magazin:Hallo Matthias und Heike. Gemeinsam mit zehn anderen bildet ihr die A-Cappella-Band Stimmgewalt. Zuerst einmal: Was für Musik macht ihr und wie habt ihr euch gefunden? Seid ihr alle professionelle Musiker*innen?

Matthias Busch:Stimmgewalt gibt es schon seit über zehn Jahren, ich bin wie Heike aber erst später dazugestoßen. Am Anfang, vor meiner Zeit, gab es noch eine Art von Bandleader, der alle Entscheidungen traf. Heute entscheiden wir dagegen alles basisdemokratisch. Wir singen hauptsächlich Metal-, Gothic- und Rock-Arrangements und sind, was unsere gesangliche Vorbildung anbelangt, breit aufgestellt, von professionell bis ambitionierter Amateur ist alles dabei. Unsere eigenen Kompositionen kamen dann erst in jüngerer Zeit hinzu. Die Überlegung war hier unter anderem auch, mit eigenen Songs mehr Auftrittsmöglichkeiten zu bekommen und auf dem Markt ernst genommen zu werden. Wir wollten einfach nicht nur Coverband XY sein. 

CCB Magazin:Wie viele Auftritte habt ihr denn so im Jahr? Gab es besondere Highlights? 

Matthias Busch:Das schwankt sehr. Interessanterweise haben wir während der Pandemie, obwohl wir weniger gesungen haben, uns dazu entschieden, weiter zu professionalisieren und aktiver Auftrittsmöglichkeiten zu suchen. So kamen dann Auftritte zustande, mit denen wir gar nicht gerechnet hatten. Wir wurden beispielsweise von der Urania Stiftung angefragt, ob wir nicht für die Verleihung des Courage-Preises singen wollen. Da haben wir dann vor Robert Habeck und Klaus Lederer u. a. ein Rammstein-Arrangement zum Besten gegeben. Für Joachim Witt haben wir auf der alljährlichen Veranstaltung „Gothic meets Klassik“ in Leipzig die Backing-Vocals gesungen und sind auch auf seinem Livealbum zu hören. Das war ein großer Meilenstein für uns.  

Heike Blauert-Lühe:Mitten in der Pandemie hatten wir auch ein Konzert in der Passionskirche in Berlin, wo wir selbst Veranstalter waren. Das war für mich persönlich ein absolutes Highlight. Die Stimmung im Publikum war sehr gut, weil alle, glaube ich, froh waren, dass so etwas überhaupt stattfinden konnte.  

Matthias Busch: Die meisten Bands gründen eine GbR, Chöre organisieren sich oft als Verein. Wir sind etwas dazwischen, wollten aber vor allem professionell nach außen wirken und haben uns daher gegen den Verein entschieden

CCB Magazin:Vor einem Jahr habt ihr euch entschlossen, aus Stimmgewalt eine GbR zu machen. Was waren die Gründe dafür? Warum eine GbR?

Matthias Busch:Viele Jahre lief unsere Band als Hobby nebenbei. Einzelne von uns haben Auftritte und damit verbundene Einnahmen über ihre Selbstständigkeit abgerechnet. Mit zunehmenden Einnahmen durch Auftritte und gleichzeitig größeren Ausgaben beispielsweise durch unsere Albumproduktion wurde es aber notwendig, die Geldangelegenheiten professioneller anzugehen. So eine Albumproduktion liegt ja gerne mal im fünfstelligen Bereich, das kann ein Einzelner nicht mehr so ohne Weiteres über seine Selbstständigkeit abrechnen. Dementsprechend haben wir überlegt, was wir machen können, und uns für eine GbR entschieden. Die meisten Bands gründen eine GbR, Chöre organisieren sich oft als Verein. Wir sind etwas dazwischen, wollten aber vor allem professionell nach außen wirken und haben uns daher gegen den Verein entschieden.

Heike Blauert-Lühe:In der Chorszene ist es oft so, dass es einen Chorleiter gibt, der den Ton angibt und die anderen sind so etwas wie austauschbare Orgelpfeifen. Genau das wollten wir nicht. Wir entscheiden basisdemokratisch und agieren mehr wie eine Band als ein Chor. Die Gesellschafter der GbR von Stimmgewalt sind in diesem Kontext wie eine Taskforce, die sich um den ganzen finanziellen Kram kümmert. 

Matthias Busch:Mit der GbR wollten wir also die anfallenden Aufgaben entzerren. Es ist wesentlich leichter, sich zu dritt um die Finanzen zu kümmern als zu zwölft. Damit sind wir handlungsfähiger und sparen uns Zeit, die wir fürs Kreative übrighaben.  

Die ganze Stimmgewalt auf einem Bild. Foto: Marta Witak

CCB Magazin:Stimmgewalt hat derzeit drei Gesellschafter. Als Gesellschafter habt ihr Anspruch auf den Gewinn durch Auftritte, Merchandising etc. Wie habt ihr das vertraglich geregelt? Oder anders gefragt: Ändert die Tatsache, dass einige von euch Gesellschafter sind und andere nicht, etwas an dem Bandgefüge? 

Heike Blauert-Lühe:Das Konstrukt hat natürlich seine Lücken und ist nicht ganz zu Ende gedacht für den Fall, dass wir mal erfolgreicher sein sollten. Es stimmt, dass wir als Gesellschafter Anspruch auf die Einnahmen haben, theoretisch. Im Moment ist es aber so, dass wir ausgeben, was wir einnehmen. Als wir uns damals beraten ließen, habe ich auch mit einer Frau aus dem Finanzamt gesprochen, die meinte, dass sie ja froh sei, dass wir uns überhaupt angemeldet hätten und unsere Umsatzsteuer geltend machen würden. Viele Bands bewegen sich in der Illegalität, und das wollten wir nicht. Aber ja, falls Rammstein uns bitten würde, sie auf einer Tour zu begleiten, müssten wir das Konstrukt nochmal überdenken.

CCB Magazin:Ein steuerlicher Nachteil der GbR ist, dass sie Spitzensteuersätzen der Einkommensteuer von bis zu 45 % unterliegt. Lohnt sich die GbR finanziell überhaupt für euch? 

Matthias Busch:Wir machen gerade unsere erste Steuererklärung, von daher wissen wir das noch nicht. Aber ich gehe nicht davon aus, dass wir viel zahlen müssen. Wenn überhaupt.  

Heike Blauert-Lühe:Bis jetzt decken die Einnahmen unsere Ausgaben. Allerdings ist es so, dass wir langfristig schon in den schwarzen Zahlen sein müssen, sonst sagt das Finanzamt, was wir machen ist nichts als Liebhaberei. Ein paar Jahre hat man jedoch Zeit, um sich zu entwickeln. 

Heike Blauert-Lühe: Die Gesellschafter der GbR von Stimmgewalt sind wie eine Taskforce, die sich um den ganzen finanziellen Kram kümmert. Entscheidungen werden prinzipiell aber von allen basisdemokratisch entschlossen

CCB Magazin:Als Gesellschafter haftet ihr mit eurem Privatvermögen. Spielt das in eurem Fall überhaupt eine Rolle in der Praxis?

Heike Blauert-Lühe:Darüber haben wir uns viel Gedanken gemacht, sind aber zu dem Schluss gekommen, dass das Risiko überschaubar ist. Sagen wir mal, einer von uns schüttet bei einem Auftritt ein Glas Wasser übers Mischpult, dann haftet er oder sie mit seiner oder ihrer privaten Haftpflichtversicherung. Und Verträge, die uns unter gewissen Umständen, zum Beispiel durch Nichtwahrnehmung eines Auftritts, mit hohen Beträgen haftbar machen wollten, würden wir einfach nicht unterschreiben. 

CCB Magazin:Mal blöd gefragt, was passiert, wenn ein Gesellschafter bei euch aussteigt, bricht die GbR dann auseinander? 

Heike Blauert-Lühe:Das haben wir vertraglich so geregelt, dass es möglich ist aus der GbR auszuscheiden oder einzusteigen. Wir könnten auch nur zu zweit weitermachen. 

CCB Magazin:Wo wollt ihr langfristig hin? Ist es euer Ziel, von der Musik leben zu können?

Matthias Busch:Ich würde gern davon leben können, realistisch gesehen, ist das jedoch schwierig. Wir sind genremäßig zwar ziemlich breit aufgestellt, weil wir einerseits den klassischen Chorklang bedienen und andererseits solistisches Belting oder auch Folkgesang darbieten. Aber insgesamt bewegen wir uns in einer Nische. Mittelfristig sehe ich uns in jedem Fall auch mal mit bekannteren Acts auf der Bühne stehen und mehr Backing-Vocals anbieten. Und auch eine stärkere Festival-Präsenz kann ich mir gut vorstellen.

Heike Blauert-Lühe:Ich denke, dass wir uns mit unserer neusten Albumproduktion, die wir über Crowdfunding finanziert haben, an einem Wendepunkt befinden. Damit wollen wir jetzt bald auf den Markt und hoffen, dafür ein Label begeistern zu können.  

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