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Daniel Meteo: "Die Marktsituation hat sich komplett gedreht"

Daniel Meteo: "Die Marktsituation hat sich komplett gedreht"
Foto: © privat

Die Musikindustrie befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel: Die alten Verkaufserlöse sind eingebrochen, die Streaming-Dienste wachsen - und die Frage ist, welche Rolle Indie-Labels in diesen Strukturen spielen. Über dieses Thema, die Zukunft der Indie-Labels, sprachen wir auf der diesjährigen Most Wanted mit Daniel Meteo, der als Gründer von Verlagen wie Random House Musick und Random Musick Publishing GmbH seit über zwei Jahrzehnten zahlreiche Musiker*innen unter Vertrag hat. 
 

INTERVIEW  Juliette Holtz    

 

CCB Magazin: Hallo Daniel, du bist Gründer und Mitinhaber von Verlagen wie Random House Musick und Random Musick Publishing GmbH und hast auf der diesjährigen Most Wanted Music zum Thema Indie-Labels gesprochen. Was hat dich am meisten überrascht?

Daniel Meteo: Überrascht hat mich, wie gut besucht der Slot war und wie interessiert die Besucher*innen waren – denn jetzt, wo alles digital verfügbar ist und die Grenze zwischen Major und Indie brüchig wird, fragt man sich, was ein Indie-Label heute noch ausmacht. 

CCB Magazin:Bevor wir ins Detail gehen: Stell dich bitte einmal kurz vor: Wer bist du und was hast du mit Indie-Labels gemein?

Daniel Meteo:Ich bin in Essen aufgewachsen und 1997 nach Berlin gekommen – hier fing auch alles an: Zunächst hatte ich eine eigene Veranstaltungsagentur und habe mir mit dem Indie-Label „Shitkatapult“ ein Büro geteilt. Hier kam die Idee auf, ein eigenes Indie-Label zu gründen: Ich rief die Verlage Random Noize Musick und Random Musick Publishing GmbH ins Leben, über die wir seit nunmehr 20 Jahren Acts wie Anika, Apparat, Moderat, Dj Koze, toechter oder Pilocka Krach unter Vertrag haben. Dann habe ich über die Jahre noch diverse Clubs und Veranstaltungen in Berlin betreut, wie die Maria am Ostbahnhof, Volksbühne, Demand oder den Ocean Club. Und zusammen mit Tom Thiel spiele ich im Dub/Hip-Hop-Electronica-Duo Bus.

Ein Indie-Label ist noch immer ein Indie-Label, vor allem ist es aber ein Gütesiegel und Netzwerk, wo die Leute hingucken und sagen: „Ich kaufe mir diese Platten, weil sie eben von diesem Label sind"

CCB Magazin: Als du 1997 nach Berlin gegangen bist, war Berlin noch ein Zufluchtsort für Kritiker und Aussteiger, der Musikmarkt wurde zudem von den sogenannten großen Sechs dominiert. Heute teilen sich die drei großen Majors Universal, Sony und Warner den Markt auf, die auf einen Anteil von 80 Prozent kommen – und viele der Indie-Labels sind mittlerweile Sublabels der drei Großen. Was macht ein Indie-Label heute noch aus?

Daniel Meteo:Ich würde sagen, ein Indie-Label ist noch immer ein Indie-Label, die Marktsituation hat sich nur komplett gedreht: Die meisten Erlöse machen Musiker*innen heute über die Live-Auftritte, das macht rund 80 Prozent aus, das ist zunächst aber unabhängig von Major oder Indie. Der große Unterschied zwischen Major und Indie ist: Majors arbeiten mit Vorschüssen, Indies nicht. Wenn ein Künstler wie Max Herre beispielsweise bei Universal eine neue Platte rausbringt, wird dort oft ein Millionenbetrag für Videoproduktion und Marketing bereitgestellt. Die Indies gehen dagegen weder derart in Vorleistung noch ist die Verteilerstruktur die gleiche: Ein Major-Label behält in der Regel 80 Prozent der Gewinne, deckt aber die ganzen Kosten im Vorfeld ab. Im Indie-Bereich macht man in der Regel einen „Profit-Split-Deal“: Das heißt, die Gewinne werden zwischen Künstler*in und dem Label 50/50 aufgeteilt, ein Großteil der Arbeit muss der Akteur aber selbst übernehmen. Und zum Thema Sublabel lässt sich sagen: Bei Vertriebsdeals, wie sie im Rap-Bereich üblich sind, behält der Künstler sein eigenes Label, Sony bekommt dann beispielsweise nur 11 Prozent von den Umsätzen. Das Label kümmert sich dann aber auch nicht mehr um die Werbung und den ganzen Rest.

CCB Magazin:Zu dir und deiner Arbeit: Wie läuft die Arbeit bei einem Label wie deinem ab? Wie unterstützt ihr eure Künstler*innen? Wie sucht ihre eure Acts aus?

Daniel Meteo:Bei uns ist immer viel Arbeit auf dem Tisch. Im Moment bin ich beispielsweise mit dem Management einer queeren schottischen Musikerin im Gespräch, die eher „folkige“ Musik macht. Hier versuchen wir neue Wege zu gehen und auch neue Acts zu finden. Wir sind mittlerweile auch mehr ein Verlag, das heißt, wir suchen auch Labels für unsere Künstler*innen aus. Unsere Hauptarbeit besteht letztlich darin, mit unseren Künstler*innen gut zusammenzuarbeiten: Wir sind immer die ersten Ansprechpartner für unsere Musiker*innen und unterstützen sie, wo es nur geht.

CCB Magazin:Und wie sieht der Aufnahmeprozess konkret aus? Was muss ein Künstler mitbringen, um bei euch unter Vertrag genommen zu werden?

Daniel Meteo: Neben der Musik, die uns gefallen muss, vor allem Fleiß. Ich sage allen meinen Künstler*innen immer, dass Diversität nicht nur die Musik betrifft, sondern auch die Herangehensweise an den Beruf. Heute kommt man nur voran, wenn man bereit ist, verschiedene Wege zu gehen. Dazu gehört, Musik auch für Theater oder Film zu machen, in anderen Projekten mitzuwirken oder auch mal einen Job nebenher zu haben. Ich würde auch ungerne Künstler*innen auf dem Label haben, die nur auf eine Karriere als Musiker*in setzen und hoffen, davon allein zu leben – der Druck wäre zu groß.

CCB Magazin: Der Musikmarkt hat sich in den letzten Jahren komplett gedreht. Wurden früher vor allem physische Formate verkauft, werden heute über das Digitalgeschäft, hauptsächlich über Audio-Streaming, 81,5 Prozent der Verkaufserlöse generiert. Immer mehr Künstler*innen vermarkten sich zudem über Crowdfunding selbst. Braucht es heutzutage überhaupt noch ein Label?

Daniel Meteo: Ich würde sagen: ja. Ein Label nimmt einem ja nicht nur Arbeit ab und unterstützt beim Booking oder sonstigen Fragen. Ein Label ist zudem ein Gütesiegel und ein Netzwerk, wo die Leute hingucken und sagen: „Ich kaufe mir diese Platten, weil sie eben von diesem Label sind“. Das ist bei mir auch oft so. Schlussendlich bringt ein Label auch ein gewisses Know-How mit, was dem Künstler oft fehlt, weil er oft keinen Abstand zu sich selbst hat. Aber ja, man kann eine Platte heute natürlich selbst produzieren und vermarkten, das ist wesentlich einfacher als früher.

Wir haben Künstler, die wir über alles lieben und wissen aber, dass sie nie erfolgreich werden, weil sie zu schwierige Musik machen oder auf Fotos immer doof aussehen

CCB Magazin: Die Geschichte der Indie-Labels reicht weit zurück: Schon in den 1940er Jahren gab es um die 400 Independent-Labels in den USA. Wirklich populär wurden die Indies aber erst mit dem Aufkommen von Punk und Hardcore ab den 1980er Jahren, dabei eilte den Bands immer der Ruf voraus, sich gegen kommerzielle Vereinnahmung zu stemmen. Würdest du sagen, dass Indie-Labels mehr überzeugt sind vom dem, was sie tun, weil nicht primär der kommerzielle Erfolg im Vordergrund steht?

Daniel Meteo: In einem großen Label sind die Leute auch überzeugt, vielleicht aber nicht so sehr davon, was der Musiker macht. Es geht darum, dass man erfolgreich ist. Wir dagegen haben Künstler unter Vertrag, die wir über alles lieben und wissen aber, dass sie nie erfolgreich werden, weil sie zu schwierige Musik machen oder auf Fotos immer doof aussehen – viele gehen auch nicht auf Live-Konzerte oder lehnen Social Media ab. Bei einem Major läuft das anders: Wenn ein Künstler oder eine Künstlerin da unterschreibt, ist eigentlich klar, er oder sie muss diese ganzen Spielchen mitmachen und Disziplinen durchlaufen – ob man das gut findet oder nicht.

CCB Magazin: Du bist nun schon seit 20 Jahren im Label-Business dabei. Was braucht man, um in dieser Branche so lange durchzuhalten?

Daniel Meteo: Ich würde sagen neben Lust und Leidenschaft vor allem Fleiß. Für mich ist das ein knallharter Beruf, der sehr anstrengend sein kann. Und du musst das auch wirklich wollen. Ich glaube, man kann in diesem Beruf auch nur überleben, wenn man bereit ist, immer wieder mal andere Wege zu gehen. Darum haben wir vor zwei Jahren auch eine zweite Firma gegründet, über die wir explizit nicht-weiße Männer signen, also Frauen, People of Colour, Queers, weil wir ein bisschen gelangweilt waren von dem ganzen Einheitsbrei der letzten Jahre. Wenn man etwas so lange macht wie ich, muss man immer wieder mal etwas anderes machen, sich neue Schwerpunkte setzen. Und zu unserem Geschäftsmodell gehört mittlerweile auch, dass wir unsere Musik an Film- und Serienproduktionen verkaufen – zuletzt sogar in Formaten wie Tatort oder Breaking Bad.

CCB Magazin: Zum Schluss bitte noch einen Blick in die Glaskugel: Wie sieht die Zukunft der Indie-Labels aus? Und welche Ratschläge würdest du jemandem geben, der heute ein Indie-Label gründen möchte?

Daniel Meteo: Ich sehe die Zukunft der Labels vor allem im Bereich Do-it-yourself, aber auch, wie eben schon erwähnt, im Bereich der Auftragsarbeit. Alleine von einem kleinen Sublabel kann kaum einer mehr überleben. Und wenn ich einen Ratschlag geben müsste: Ihr müsst große Lust darauf haben, was ihr macht, habt viel Geduld und bringt die Bereitschaft mit, auch Rückschläge zu ertragen. Am Ende ist das wie bei vielen anderen Branchen auch, es geht um Arbeit, die anstrengend ist, aber auch Spaß macht – die Musikbranche ist nur gerade enorm unter Druck.

Rubrik: Specials

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