Nachhaltigkeit
Sina Herrmann: "Museen müssen Multiplikatoren sein"
Museen stehen vor großen Herausforderungen, auch was die Nachhaltigkeit betrifft. Ein …
Um Sportartikel herzustellen, verwendet die Industrie in der Regel Elasthan. Das Berliner WINT Design Lab um Felix Rasehorn und Robin Hoske hat in ihrem Projekt GOLD eine Alternative dazu entwickelt – und wurde mit dem diesjährigen Bundespreis Ecodesign ausgezeichnet. Ein Gespräch über Schlachthofreste, die Goldschlägerhaut und Alternativen, die es braucht.
CCB Magazin:Hallo Felix und Robin, ihr habt gerade den Bundespreis Ecodesign gewonnen. Wie überrascht wart ihr, dass ihr zum Schluss zu den Gewinnern gehört habt?
Felix:Ja, wir waren etwas überrascht, vielmehr fühlten wir uns aber geehrt. Unser Konzept ist ja schon etwas radikal.
CCB Magazin:Inwiefern?
Robin:Weil es an den Grundfesten der Modeindustrie rüttelt. Das Problem ist, dass die Textilindustrie noch immer vorrangig erdölbasierte Materialien herstellt, um beispielsweise elastisches Material zu gewinnen. Dafür wird in der Regel Elasthan verwendet, das besonders reißfest und dehnbar ist. Es ist aber weder kreislauffähig noch kann der Stoff nachwachsen, und mehr als die Hälfte aller Textilien werden aus synthetischen Fasern gefertigt. Der Anteil dafür steigt Jahr für Jahr an, der Energieanteil zur Gewinnung ist immens. Uns kam die Idee auf, Kollagen zur Herstellung zu verwenden, um einen nachwachsenden Rohstoff zu haben. Dafür haben wir die sogenannte Goldschlägerhaut zur Prototypengewinnung verwendet.
CCB Magazin:Was genau ist die Goldschlägerhaut? Und welches Problem löst ihr damit?
Felix:Die Goldschlägerhaut ist ein biologisch einzigartiges, abbaubares und auch höchst attraktives Material, das als Alternative zu erdölbasierten Stoffen fungieren kann. Die dafür verwendeten Rohstoffe sind alle nachwachsend. Unser Ziel war es, ein veganes, hochleistungsfähiges aber auch kreislauffähiges Textil zu entwickeln. Das Präsentationsmuster, mit dem wir mit dem Bundespreis Ecodesign ausgezeichnet wurden, ist eine leichte und wasserabweisende Outdoorjacke, die durch ein klares Design hervorsticht.
CCB Magazin:Könnt ihr mal erklären, wie die Projektidee entstanden ist?
Robin:Die Projektidee kam im Austausch mit dem Biotech Start-up Mimotype Technologies auf. Entstanden ist sie aus einem einjährigen Forschungskonsortium heraus. Wir haben die Macher von Mimotype zunächst auf einer Veranstaltung im Naturkundemuseum kennengelernt, furchtbar nette Typen. Das sind alles Biotechnologen, die sich mit bio-chemischen Prozessen beschäftigen – geforscht wird also nicht nur an Kollagen, sondern beispielsweise auch an organischen LEDs. Wir kamen mit der Textilidee auf sie zu. Denn wir haben nach einem Material gesucht, das extrem dehnbar und wasserabweisend ist. Das haben wir schließlich in der besagten Goldschlägerhaut gefunden, die eine echte Alternative zum Elasthan ist.
Felix: Die Goldschlägerhaut ist ein biologisch einzigartiges, abbaubares und höchst attraktives Material, das als Alternative zu erdölbasierten Stoffen fungieren kann. Die dafür verwendeten Rohstoffe sind alle nachwachsend
CCB Magazin:Warum seid gerade ihr darauf gekommen? Warum ist das der Modeindustrie nicht vorher eingefallen?
Robin:Gute Frage. Ein Grund könnte sein, dass die Bio-Reaktoren, die man für die Herstellung braucht, noch nicht genügend Kapazität haben, um das Kollagen im großen Stil herzustellen. Auch sind die Grundmaterialien, die man dafür benötigt, recht kostspielig. Auf der anderen Seite gibt es bereits einige Forschungsvorhaben, die vergleichbar sind. So wird beispielsweise schon länger an biosynthetische Proteine geforscht, die sich verspinnen lassen. Fäden aus Spinnenseide sind nämlich extremen belastbar und elastisch. North Face hat darüber zum Beispiel eine ganze Kollektion in Kollaboration mit dem Unternehmen Spiber hergestellt. Das Ergebnis war einen Parker, der eine Reisfestigkeit vergleichbar mit der Spinnenseide hat. Wir haben eben die Lücke mit dem Kollagen entdeckt.
CCB Magazin:Ein Missverständnis, das immer wieder bei eurem Produkt aufkommt, ist, ob es vegan ist oder nicht. Einerseits wird es aus natürlichen Stoffen gewonnen und kann nachwachsen. Andererseits habt ihr für die Herstellung Schlachthofabfälle verwendet. Warum eigentlich?
Felix:Es stimmt, wir haben für den Demonstrator Reste aus dem Schlachthof verwendet, um Proteine im großen Stil gewinnen zu können. Wir wollten am Anfang nicht mit einem kleinen Stück Stoff um die Ecke kommen, sondern die besagte Jacke vorzeigen können. Dazu wurde vom Lederforschungsinstitut FILK Freiberg die Goldschlägerhaut, die den Magen der Kuh bedeckt, extrahiert. Anschließend haben wir daraus die DNA-Sequenz entnommen und ausgelesen. Dieser Teil der Information könnte künftig aber auch synthetisch kopiert und in einem Bioreaktor durch Bakterien nachgebildet werden. Das hat dann zum Schluss nichts mehr mit Fleisch oder Ähnlichem zu tun. Im Gegenteil: Für die Herstellung der Kollagenfasern müssen keine Tiere geschlachtet werden. Auch bedarf es keiner toxischen Nachbearbeitung wie beispielsweise bei Leder. Das Kollagen ist nicht nur umwelttechnisch jeder Plastikfaser überlegen. Es ist zu hundert Prozent biologisch abbaubar und vegan.
CCB Magazin:Was habt ihr für einen Hintergrund? Wie kam es dazu, dass ihr das wurdet, was ihr macht?
Robin:Wir sind beide Industriedesigner und haben an der Weißensee Kunsthochschule studiert. Wir kennen uns aus dem Studium, ich komme aus Frankfurt am Main, Felix ist aus Berlin. Während des Studiums haben wir gemeinsam gegründet – das WINT Design Lab. Uns treibt die Vision an, Dinge in der Gesellschaft zum Positiven zu verändern.
Felix: Wir sind ein Designlabor, das an vielen Schnittstellen arbeitet – so zum Beispiel zu Design und KI. Bei allen Projekten geht es uns um die ökologische und technologische Verantwortung durch entsprechende Designpraxen
CCB Magazin:Was genau ist das WINT Design Lab? Was macht ihr da alles?
Felix:Oh, eine ganze Menge. Wir sind ein Designlabor, das an vielen Schnittstellen arbeitet – so zum Beispiel zu Design und KI. Bei allen Projekten geht es uns um die ökologische und technologische Verantwortung durch entsprechende Designpraxen. So haben wir beispielsweise ein KI gestütztes Physiotherapie Armband entwickelt, eine digitale Ultraschallverbindungstechnik für luft- und wasserdichte Textilien ins Leben gerufen oder experimentieren mit unserem Roboterarm, der uns bei der Arbeit hilft – bei allem steht der Innovationscharakter im Vordergrund, der Wissensdurst auf neue Technologien und Lösungen. Dazu verbinden wir die Designdisziplin mit Wissensgebieten aus Biologie, Materialwissenschaft, Softwareentwicklung und anderen Feldern. Bei uns gibt es keine Grenzen.
CCB Magazin:Noch mal zurück zum Projekt GOLD. Wie hat die Industrie bislang darauf reagiert?
Robin:Eigentlich ganz gut. Adidas ist ja schon als Schirmherr mit im Projekt und auch daran interessiert in das Folgeprojekt einzusteigen. Auch die RWTH Aachen ist mit an Bord. Das Interesse ist auf jeden Fall da.
CCB Magazin:Wo wollt ihr mit GOLD noch hin?
Felix:Wir machen einfach da weiter, wo wir aufgehört haben. Wir sind und bleiben auf die biologischen Materialeigenschaften fokussiert. Wir werden die bio-technologische Reproduktion in einem weiteren Forschungsprojekt in den kommenden Jahren validieren – Ziel ist es, ein absolut industriefähiges Produkt auf den Markt zu bringen, das technisch, ästhetisch und ökologisch wertvoll ist und einen Mehrwert schafft.
Rubrik: Innovation & Vision
Schon gelesen?
Abonniere unseren monatlichen Newsletter!
Wir verwenden Cookies, um dir ein optimales Website-Erlebnis zu bieten. Durch Klicken auf „Alle akzeptieren“ stimmst du dem zu. Unter „Ablehnen oder Einstellungen“ kannst du die Einstellungen ändern oder die Verarbeitungen ablehnen. Du kannst die Cookie-Einstellungen jederzeit im Footer erneut aufrufen.
Datenschutzerklärung | Impressum
Wir verwenden Cookies, um dir ein optimales Website-Erlebnis zu bieten. Durch Klicken auf „Alle akzeptieren“ stimmst du dem zu. Unter „Ablehnen oder Einstellungen“ kannst du die Einstellungen ändern oder die Verarbeitungen ablehnen. Du kannst die Cookie-Einstellungen jederzeit im Footer erneut aufrufen.
Datenschutzerklärung | Impressum