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Daniel Kroh: „Ich wusste, ich muss das retten“

Daniel Kroh: „Ich wusste, ich muss das retten“
Photo: © Dario Srbic

Die einen gucken dumm aus der Wäsche, die anderen machen was draus: Daniel Kroh ist so einer, in seinem Atelier am Berliner Ku'damm recycelt er speziell Arbeitskleidung. Sein Konzept nennt er ReCLOTHINGS. Was verbirgt sich dahinter? An einem Sonntag im September traf Creative City Berlin den gelernten Schneider in seinem Atelier, um über goldene Hände in digitalen Welten, eigene Schnittkonstruktionen zwischen Verschwendung und Verwertung zu sprechen. 

 

Interview Jens Thomas   

 

CCB Magazin: Daniel, du nennst dein Konzept „ReCLOTHINGS“. Was darf man sich darunter vorstellen?

Daniel Kroh: Ich gestalte alte Arbeitsbekleidung um und konstruiere etwas Neues, das nenne ich ReCLOTHINGS. Das ist meine Marke.

CCB Magazin:Wie gehst du dabei vor?

Daniel Kroh:Zuerst sichte ich das Material und zerlege es in Einzelteile. Dann gehe ich mit neuen Schnittkonstruktionen über den Stoff und schaue, wo schöne Gebrauchsspuren sind, die setzte ich dann in einen neuen Kontext. Ich gehe mit den Gebrauchsspuren immer gestalterisch um.

CCB Magazin:Du kommst ursprünglich aus dem Handwerk.

Daniel Kroh:Ja, ich bin gelernter Herrenschneider und habe anschließend Design studiert. Diese beiden Dinge versuche ich in meiner Arbeit zusammenzuführen. Das Handwerk ist immer ein zentrales Element. Es ist die Arbeit mit den Händen.

CCB Magazin:Der Soziologe Richard Sennett fasst unter das Handwerk den Bauer einer Stradivari-Geige genauso wie den Linux-Programmierer. Du arbeitest ausschließlich mit den Händen, nicht digital?

Daniel Kroh:Ja, denn mich interessieren diese Wege der Online-Distribution einfach nicht. Ich will das anfassen können, was ich produziere. Ich will die Qualitäten spüren und in der Hand halten. Denn es sind nicht nur Gebrauchspuren, die in einem Kleidungsstück stecken. Es sind Geschichten von Menschen.

CCB Magazin:Klamotten können sprechen?

Daniel Kroh:Ja (lacht), so in etwa, zumindest sagen sie etwas über uns aus, die sie tragen. Man muss einfach sagen, Mode ist heute unheimlich kurzlebig. Mode ist Teil einer Wegwerf-Industrie. Ich versuche dem etwas entgegenzustellen. Meine Arbeit ist handgemacht, jedes Teil für sich. Meine Produkte lassen sich darum auch nicht industrialisieren, man kann sie auch nicht konfektionieren, wie man das in der Mode so schön sagt.

Meine Kleidungsstücke sind das Gegenteil einer Uniform, es sind Narben drin, die der Arbeiter zurückgelassen hat

CCB Magazin:Die Fotografin Herlinde Koelbl zeigte kürzlich in ihrer Ausstellung “Kleider machen Leute”, wie die Uniform den Menschen entindividualisiert. Du personalisierst Kleidungsstücke, indem du die individuellen Spuren belässt?

Daniel Kroh:Ja, meine Kleidungsstücke sind das Gegenteil einer Uniform, auf der Kleidung, die ich bearbeite, sind Narben zu sehen, die der Arbeiter zurückgelassen hat. Das vergessen wir heute nur allzu oft: Wir kaufen, wir konsumieren. Die Jeansindustrie zum Beispiel produziert unentwegt gekünstelt einen Used Look, mit Sandstrahlung, mit Waschungen, mit vielen Chemikalien. Hosen für Arbeiter werden dann nach dreißig Waschungen aussortiert und weggeworfen. Das ist Verschwendung, so können wir nicht ewig weitermachen.

"Meine Kleidungsstücke sind das Gegenteil einer Uniform." Foto: © Dario Srbic

CCB Magazin:Du verstehst deine Arbeit als politisch?

Daniel Kroh:In gewisser Weise ja, nur auf eine völlig unverkrampfte Weise. Ich tue etwas Gutes mit Kreativität, ohne Macht auszuüben. Meine Produkte sind nachhaltig, ich achte zum Beispiel darauf, dass ich keine Chemikalien verwende. Und ich produziere vor Ort, der Kontakt zu meinen Kunden ist mir wichtig. 

CCB Magazin:Du verkaufst deine Produkte nicht einmal bei Dawanda?

Daniel Kroh:Nein, die Menschen kommen zu mir und sagen mir, was sie wollen. Sie stehen dann direkt vor mir. Die Kunden haben das Gefühl, dass ich ihnen nichts andrehen will. Und vielleicht ist das auch so eine Marktlücke, die ich fülle. Die Wenigsten entsprechen heute den normalen Konfektionsgrößen, die Stücke sind entweder zu lang oder zu kurz, zu breit oder zu schmal. Ich fertige das dann passend an für sie, hier in meinem  Atelier. 

CCB Magazin:Du kommst ursprünglich aus Hessen und bist gelernter Schneider. Wie kam es dazu, dass du dich speziell mit Arbeitsbekleidung beschäftigt hast?

Daniel Kroh:Oh je, da müsste ich ein bisschen ausholen.

CCB Magazin:Ja bitte, nur nicht mit den Händen..

Daniel Kroh:Ok (lacht), anfangs war ich für eine Firma tätig, nein ich müsste eigentlich noch weiter ausholen.

CCB Magazin:Bitte, du hast das Wort.

Daniel Kroh:Während meines Studiums kam ich auf die Idee, die Mensafrauen in meiner Uni neu einzukleiden. Ich dachte mir, das kann doch nicht sein, dass wir hier auf einer Hochschule für Gestaltung sind und unsere Küchenfrauen in irgendwelchen Kitteln umher laufen, die nach nichts aussehen. Darum hab ich sie neu eingekleidet. Zugegebenermaßen war das ein ziemlich anspruchsvolles Projekt. Man sah endlich nicht mehr diese Möchtegernmodels auf dem Laufsteg, sondern richtige Küchenfrauen in richtigen Küchenklamotten. Da steckte viel Arbeit drin, viel Leidenschaft, viel Echtheit und viel Humor. 

Wöchentlich entsteht eine riesengroße Masse von bis zu drei Tonnen Textilien, die einfach in der Müllverbrennung landen!

CCB Magazin:Es geht dir ums Authentische?

Daniel Kroh:Auch das, es geht mir darum, dass wir uns bewusst werden, wie wir leben, was wir konsumieren und anziehen. Als ich irgendwann auf dieses aussortierte Material gestoßen bin, habe ich gesehen, dass heute ganze Schiffscontainer mit Klamotten verfrachten werden. Wöchentlich entsteht eine riesengroße Masse von bis zu drei Tonnen Textilien, die einfach in der Müllverbrennung landen, weil sie so gut brennen. Als ich das entdeckte, wusste ich, das muss ich retten.

CCB Magazin:Das klingt nach einem Auftrag.

Daniel Kroh:Ja (lacht), das ist es auch. Wir verschwenden heute einfach zu viele Ressourcen, dabei wissen wir ganz genau, dass wir so nicht weiterleben können. Wenn ich dann mit meiner Arbeit Akzente setzten kann, umso besser.

CCB Magazin:Viele Künstler achten heute auf nachhaltige Produktion. Die Regisseurin von „Die Zukunft pflanzen, Marie-Monique Robin, ist kürzlich in sechs Länder gereist, um aufzuzeigen, dass die gesamte Weltbevölkerung nachhaltig ohne Pestizide ernährt werden kann. Sie sagt: Die kleinen Handelskreisläufe müssen gefördert werden, weil die Großen den Markt kontrollieren, die Gewinne einfahren und vielerorts nicht nachhaltig handeln. Müssen wir im Kleinen anfangen?

Daniel Kroh:Beides ist wichtig: Jeder kann heute einen Beitrag leisten, und jeder wird auch künftig einen Beitrag leisten müssen, egal ob als Konsument oder Produzent. Wir selbst sind in der Pflicht, dann sind es aber natürlich auch die großen Konzerne, die nachhaltig handeln müssen. Wenn sich darüber ein nachhaltiges Bewusstsein durchsetzt, sind wir auf dem richtigen Weg. 

CCB Magazin:Nicht nur nachhaltige Produktion, auch das Handwerk liegt derzeit im Trend, wie erklärst du dir das?

Daniel Kroh:Das Handwerk hat einen goldenen Boden, es steht für ehrliche und gute Arbeit. Denn was würden wir heute machen, wenn wir keine Mechaniker, Handwerker oder Ingenieure hätten? Wir wären aufgeschmissen. Das Handwerk hält uns vor Augen, dass wir es sind, die diese Arbeit verrichten und nicht die Maschinen. Wir denken heute, alles mechanisieren und technologisieren zu können, das ist ein Trugschluss.

CCB Magazin:Daniel Kroh, wie geht es bei dir weiter, was wirst du in Zukunft machen?

Daniel Kroh:Das ist eine gute Frage, ich plane maximal ein Geschäftsjahr im Voraus, das reicht mir an Planung. Derzeit kleide ich einen schwingenden Tisch mit meinem Material ein. Der Tisch ist in Zusammenarbeit mit Walking-Chair entstanden, am 30.September werden wir den Tisch dann im Rahmen der Vienna Design Week im technischen Museum Wien präsentieren.

CCB Magazin:Vielen Dank für dieses Gespräch.


www.danielkroh.com

Portfolio von Daniel Kroh auf Creative City Berlin

Category: Innovation & Vision

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