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Paulina Tsvetanova: "In Berlin braucht Zeit und Geduld"

Paulina Tsvetanova: "In Berlin braucht Zeit und Geduld"
Photo: © privat

Paulina Tsvetanova ist Künstlerin und Kunstmanagerin. Geboren in Plovdiv, Bulgarien, kam sie vor 10 Jahren nach Freiburg und ging dann nach Berlin. Heute arbeitet sie bei sculpture network und der Galerie Flierl in Weißensee. Mit welchen Vorstellungen kam sie in die Stadt? Wie unterscheidet sich die bulgarische Kunstszene von der in Berlin? Ein Gespräch über Wünsche, Hoffnungen, Freiheit in Freiburg und networking in Weißensee.

 

Interview Jens Thomas

 

CCB Magazin: Paulina Tsvetanova, mit welchen Zielen kamen Sie nach Berlin?

Paulina Tsvetanova: Berlin ist eine tolle Stadt. Zunächst wollte ich Malerei oder Modedesign an einer Kunstakademie irgendwo in Deutschland studieren. Nachdem ich die deutsche Schule in Plovdiv / Bulgarien abgeschlossen hatte, entschied ich mich für das Studium der Kunstgeschichte, Philosophie und Christliche Archäologie /Byzantinische Kunstgeschichte in Freiburg. Doch in Freiburg lässt sich‘s zwar gut leben und studieren, auch die Natur ist toll, aber es gibt im Grunde keine Kunst-Szene. Dann ging ich nach München, da sitzt das große Geld, es wird aber nicht für die Kunstszene ausgegeben. In München gibt es nur ein paar wenige große Institutionen, Stiftungen und Sammler, aber keine Kunstszene und Ansammlung von Projekträumen wie in Berlin. Darum ging ich vor drei Jahren nach Berlin, man hat hier den Austausch aller Sparten, das finde ich spannend, nur das Geld fehlt.

CCB Magazin: Sie haben sculpture Network in Berlin aufgebaut.

Paulina Tsvetanova: Ja, sculpture network ist eine non-profit Organisation, die die zeitgenössische dreidimensionale Kunst in Europa fördert. Das internationale Netzwerk bietet umfangreiche Informationen rund um die Skulptur und organisiert europaweit Veranstaltungen, die Künstlern, Kunstvermittlern und Kunstfreunden eine Plattform für Diskussion, Networking und interdisziplinären Austausch bieten. Das Netzwerk existierte zwar schon in Berlin, doch Berlin hatte gerade einmal 80 Mitglieder, heute sind es 120 in Berlin und Brandenburg. Mein Ziel ist es, die Skulptur-Szene besser zu vernetzen und die lokalen Aktivitäten, also Künstlertreffen und Ausstellungen, zu stärken.

CCB Magazin: Sie kommen aus Plovdiv, Bulgarien. Wenn Sie die Kultur- und Kunstszene in Bulgarien mit der in Deutschland und speziell in Berlin vergleichen, welche Unterschiede machen Sie fest?

Paulina Tsvetanova: Bulgarien ist ein armes Land, es gibt dort so gut wie keine Kunstförderung. Viele Künstler verlassen darum auch das Land, das habe ich auch getan. Die Strukturen sind dort noch nicht so erschlossen wie hier, es gibt noch kein richtiges Netzwerkdenken.

CCB Magazin: Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Paulina Tsvetanova: Das ist eine gute Frage. Sagen wir es mal so, wenn ich in Bulgarien einen Künstler kennen lerne, wird dort schnell erwartet, dass ich ihn vertrete. In Bulgarien fehlt den Künstlern oft die nötige Distanz. Die Menschen leben dort sehr dicht aufeinander, und das überträgt sich auch auf sämtliche Formen der Kommunikation, so auch auf Ansprüche und Wünsche. Die Bindungen sind in Bulgarien eher privater Natur, sie ergeben sich aus den tradierten Formen des Zusammenlebens, aber nicht durch professionelles Netzwerken. In Deutschland ist das umgekehrt: man ist zwar bestens vernetzt, bleibt dennoch unverbindlich.
 
CCB Magazin: Sind das Ihrer Meinung nach gute oder schlechte Zeichen, wenn sich eine solche unverbindliche Netzwerklogik durchsetzt?

Paulina Tsvetanova: Teils teils, uns fehlt hier oft einfach die innere Mitte, das Angebot in Deutschland und vor allem in Berlin ist ja gigantisch. Das macht viele aber auch sehr unruhig. Man muss sich hier permanent selbst suchen, finden und definieren. Das ist auch ein gewisser Druck. Das ist in Bulgarien nicht so. In Bulgarien sind die Menschen erst einmal froh, wenn Sie genug zum Leben haben. Hier wiederum kostet die Suche nach Individualität viel Kraft und Zeit, viele verzetteln sich darum auch, weil sie dieses Überangebot gar nicht unter einen Hut bekommen. 

In Bulgarien sind die Menschen erst einmal froh, wenn Sie genug zum Leben haben

CCB Magazin: Hatten Sie das so erwartet, als Sie nach Deutschland und Berlin gekommen sind?

Paulina Tsvetanova: Ehrlich gesagt, hatte ich anfänglich gar kein Bild von Deutschland, nur vage Vorstellungen. Ich war vorher ja nur zu Besuch hier, auf Museumsreisen. Da bekommt man nur einen Ausschnitt mit. Mir hat es am Anfang auch gar nicht hier gefallen. Viele kommen ja nach Berlin mit ganz großen Hoffnungen und Vorstellungen, dass man hier seine Heimat und Zukunft finden kann. Ich denke, man braucht hier sehr viel Zeit und Geduld, mindestens fünf Jahre, um anzukommen. Auch ich habe Bulgarien verlassen, um meinen Weg zu finden: ich bin gegangen als ich 18 Jahre alt war. Für mich war der Schritt ein Weg, um mich zu emanzipieren. Es war ein Schritt in die Unabhängigkeit und Selbständigkeit, um mich entfalten zu können. Ich weiß aber gar nicht, ob man in dieser Stadt überhaupt jemals ankommen kann und muss.

CCB Magazin: Wie meinen Sie das?

Paulina Tsvetanova: In Berlin ist alles permanent im Umbruch, man weiß gar nicht, wo man morgen und schon gar nicht in ein paar Jahren steht. Das ist aufregend aber auch sehr anstrengend.

CCB Magazin: Würden Sie sagen, dass Sie mittlerweile angekommen sind? Sie leiten seit Kurzem die Galerie der Kunstgießerei Flierl.

Paulina Tsvetanova: Auf eine gewisse Weise ja, mein Job macht mir wirklich großen Spaß, ich habe in der Galerie Flierl im September im letzten Jahres angefangen und leite seitdem die Galerie, die an eine Kunstgießerei angeschlossen ist. Ich habe damals gesagt: Ich möchte diese Galerie emanzipieren und sie als eigenständigen Betrieb etablieren. Vorher hat sie primär als Werkstatt- und Produzentengalerie, eben als Showroom der Gießerei funktioniert. Mein Ziel ist es, dass sich die Galerie in der Zukunft finanziell selbst tragen kann. Dazu möchte ich die Gießerei interdisziplinär aufzustellen, kunstübergreifend, von der klassischen figurativen Bronzeskulptur bis zur zeitgenössischen abstrakten Skulptur aus unterschiedlichsten Materialien und Stilrichtungen. 

In Berlin ist alles permanent im Umbruch, man weiß gar nicht, wo man morgen und schon gar nicht in ein paar Jahren steht

CCB Magazin: Sie kümmern sich um die Vermarktung. Wie funktionieren die Vernetzung vor Ort in Weißensee und der Zusammenschluss mit anderen Kulturschaffenden im Bezirk?

Paulina Tsvetanova: In Weißensee ist sicher großes Potenzial vorhanden, sodass sich der Bezirk künftig als Kunststandort etablieren kann. Das hat natürlich auch etwas mit der Kunsthochschule Weißensee zu tun, durch die viele nach Weißensee kommen. In Weißensee gibt es einige sehr spannende kommunale Galerien und Kultureinrichtungen, die ein gutes Programm auf die Beine stellen. Wir sind stets an einer Zusammenarbeit mit internationalen Künstlern aus dem Bezirk interessiert, wie zum Beispiel mit Künstlern vom ECC Network. Ich bin gespannt, wie sich alles weiter entwickeln wird.

CCB Magazin: Sie sind Kunstmanagerin und Künstlerin zugleich. Wie gelingt Ihnen dieser Spagat?

Paulina Tsvetanova: Wenn ich ehrlich bin, kann ich mich selber gar nicht gut vermarkten, das kann ich nur für andere. Ich stelle mich einfach nicht gerne in den Vordergrund mit meiner Kunst. Ich weiß auch gar nicht, woran das im Detail liegt. Vermutlich ist die Angst vor Enttäuschung zu groß, wenn man eigene Arbeiten verkauft. Ich denke aber auch, dass es besser ist, wenn das andere für einen tun. Viele Künstler sind, ich sage das etwas vorsichtig, sehr selbstsüchtig. Etwas Bescheidenheit kann nie schaden. Denn um Kunst gut vermarkten zu können, braucht man nicht nur viele gute Kontakte, sondern auch einen gewissen, professionellen Abstand zu sich selbst. Der kühne Blick eines Kurators ist dann oft der bessere.

CCB Magazin: Paulina Tsvetanova, vielen Dank für dieses Gespräch.
 


Portfolio der Kunstgießerei und Galerie Flierl auf Creative City Berlin


 

Category: When I moved to Berlin

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