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Hans Peter Kuhn: "Der Mensch braucht Pausen"

Hans Peter Kuhn: "Der Mensch braucht Pausen"
Photo: © Junko Wada

Wie haben sich Klänge historisch durch die Technisierung verändert? Was ist ein guter und angenehmer Sound, was stresst uns? Hans Peter Kuhn ist ein international renommierter Klang- und Lichtkünstler und seit Oktober 2012 Gastprofessor an der UdK. Gemeinsam mit Robert Wilson hat er bereits auf der Biennale in Venedig 1993 einen Goldenen Löwen für eine seiner Installationen gewonnen. Heute stellt er weltweit aus - von der Neuen Nationalgalerie bis zum Centre Pompidou. Seit vergangenem Semester betreut er den Bereich „Experimentelle Klanggestaltung“ im Masterstudiengang Sound Studies an der UdK Berlin. Aktuell haben Studierende des Studiengangs unter seiner Leitung die permanente Klanginstallation "Der Gang der Dinge" entwickelt, die ab dem 29. Mai im Gebäude Bundesallee 1-12 der UdK zu sehen und hören ist. Creative City Berlin sprach mit ihm. 

 

Interview Jens Thomas

 

CCB Magazin: Herr Kuhn, was ist ein guter Sound?

Hans Peter Kuhn:(Lacht) Jeder Sound ist zunächst einmal ‚gut‘, es gibt keine guten oder schlechten Sounds, es gibt nur Sounds, die einem entsprechen und welche, die man aus Geschmacksgründen vermutlich nicht mag. Der Klang ist zunächst ein rein physikalisches Ereignis.

CCB Magazin: Der Klang ist auch ein ästhetisches Stilmittel und hat eine soziale Dimension.

Hans Peter Kuhn:Nicht nur das, das Hören ist sogar ein lebens- und überlebenswichtiger Sinn. Das Hören und die Balance sind unsere ältesten Sinne, beiden entstehen als erstes im Embryo. Wir hören auch viel schneller als wir etwas sehen. Wenn wir einen Knall hören, reagieren wir innerhalb von Millisekunden, dann zucken wir zusammen und erst dann realisieren wir die Situation. Das Hören ist ein Lebensretter.

CCB Magazin:Sie thematisieren Klänge in Ihrer aktuellen Ausstellung "Der Gang der Dinge" im Kontext zwischen Mensch und Umwelt, Innen und Außen. Welche Installationen haben Sie wie und warum umgesetzt?

Hans Peter Kuhn:In der Ausstellung sind insgesamt sechs Arbeiten der Studierenden zu sehen. Sie haben bewusst mit der Ästhetik des Ortes gearbeitet. Anna Bogner hat sich zum Beispiel mit der Geschichte des Gebäudes und dessen Nutzung beschäftigt und schafft eine akustische Beschreibung seiner Nutzung. Rafael Santiago hat sich mit dem Verhältnis von Licht und Tagesablauf beschäftigt; der Klang wird durch die Lichtverhältnisse manipuliert. Jessica Ekomane wiederum befasst sich mit „für einen Flur“ mit dem Fenster als Brücke zwischen Innen- und Außenwelt und zeigt mittels einer interaktiven Installation, wie sich Gebäude und Umgebung klanglich vereinen. Auch „Das Innere der Masse“ von Kanari Shirao bezieht das Publikum in die Klanggestaltung ein: Auf Anstoß von außen hin produziert eine Holzkugel unvorhersehbare Klänge im Inneren eines  komplexen hölzernen Objekts. Christian Losert projiziert die im U-Bahnhof Spichernstraße vorbeifahrenden Züge in den Flur und Thomas Meier macht die geschäftige Situation der Büros mit einer Telefoninstallation zum Thema. 

CCB Magazin:Wie haben sich Klänge denn historisch durch die räumlichen und technischen Bedingungen der Technisierung verändert?

Hans Peter Kuhn: Ziemlich gewaltig. Wenn Sie langfristig über die Jahrhunderte oder Jahrtausende schauen, hat sich in der Klangwelt ein massiver Wandel vollzogen. Als die ersten Maschinen erfunden wurden, waren sie verglichen mit heutigen lauter. Zugleich können Klänge heute aber auch durch den Fortschritt individuell und gewissermaßen abgeschirmt konsumiert werden. Der Walkman ist erst drei Jahrzehnte alt und heute hören wir Musik über unsere Mobiltelefone.

CCB Magazin:Kann man sagen, dass bestimmte Sounds durch die Professionalisierung der Arbeits- und Lebenswelt leiser geworden sind, wir aber durch den Zuwachs an technischen Möglichkeiten zunehmend mehr Klängen ausgesetzt sind?

Hans Peter Kuhn:Darüber können wir zumindest mutmaßen, wir haben darüber keine Untersuchungen über die Jahrhunderte, vermutlich ist das aber so. Was wir ganz sicher wissen, ist, dass es früher zumindest in der Nacht stiller war. Heute haben wir im Durchschnitt einen höheren Lärmpegel, auch bedingt durch die Zunahme des Autoverkehrs der letzten Jahrzehnte. Insgesamt werden technische Geräte aber leiser, sie werden nutzerfreundlicher, denken Sie nur an die neuen Haushaltsgeräte oder an die heutigen Computer. Auch die neuen Elektroautos sind wesentlich leiser als die bisherigen. Zugleich haben wir kaum mehr Pausen, in denen es still ist. 

Früher war es in der Nacht stiller, dafür haben wir heute im Durchschnitt einen höheren Lärmpegel

CCB Magazin:Hat das etwas mit einer permanenten Verfügbarkeit zu tun? Die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmt, mobile und zeitlich entgrenzte Arbeit nimmt zu.

Hans Peter Kuhn:Das hat ganz sicher etwas damit zu tun. Das wird auch über die nächsten Jahre oder Jahrzehnte nicht mehr gut gehen, wenn wir so weitermachen. Ein Teil der Menschen zeigt schon jetzt Krankheitssymptome durch zunehmenden Stress. Der Mensch braucht Pausen. Das Problem heute ist wahrscheinlich gar nicht das der Lautstärken, sondern das der Schnelligkeit.

Kugeln erzeugen im inneren des Objekts unvorhersehbare Klänge. Foto © Jenny Uhlenbrok.

CCB Magazin:Auch Berlin ist eine schnelllebige Stadt. Sie leben seit über drei Jahrzehnten hier. Wie haben sich die Klänge der Stadt im Laufe der Jahre verändert?

Hans Peter Kuhn:Berlin ist erst einmal keine laute Stadt. Berlin ist so groß wie New York, hat aber nur ein Drittel der Einwohner und darum wesentlich mehr Raum für die Menschen. Berlin ist überhaupt nicht stressig. Das erzählen mir auch immer wieder Besucher, die ich treffe. Berlin ist vergleichsweise leise aufgrund seiner vielen Grünflächen, wesentlich leiser als Paris oder London. Wenn Menschen durch die Stadt gestresst sind, dann wohl eher aufgrund des neuen Medienhypes, der Schnelligkeit zur Folge hat. Ein Beispiel aus meiner Praxis: Früher brauchten sie zur Produktion von Soundcollagen mehrere Tage, das machen sie heute in einer Stunde, die Kids erledigen das nebenbei. Dadurch steigt aber auch der Druck, etwas in einem bestimmten Zeitintervall schaffen zu müssen. Da bildet auch Berlin keine Ausnahme. 

Berlin ist überhaupt nicht stressig

CCB Magazin:Auch Sie setzen Ihre Klanginstallation mittels der neuen Medien um.

Hans Peter Kuhn:Ja, das ist ja auch nichts Schlechtes. Man darf die neuen Möglichkeiten auch schätzen und nutzen. Das machen wir dann auch bewusst in unserer Ausstellung und setzen uns mittels neuer Medien mit aktuellen Entwicklungen auseinander. Unsere Arbeiten zielen aber eher auf Entschleunigung, nicht auf Beschleunigung.

CCB Magazin:Seit dem vergangenen Semester betreuen Sie den Studiengang Master Sound Studies an der UdK. Was lernen die Studierenden konkret in Ihren Kursen?

Hans Peter Kuhn:Zuerst einmal geht es um die künstlerische Auseinandersetzung mit Klängen, es geht nicht um ökonomische Verwertbarkeit. Dazu bietet die UdK zwar auch Kurse an, zum Beispiel im Bereich Sound-Design. Bei uns geht es aber um Reflexion, darum, etwas künstlerisch zu thematisieren und es umzusetzen.

CCB Magazin:Der Markt für Künstler und Sound-Designer ist schwer umkämpft. Was macht man im Anschluss, wenn man Sound Studies studiert hat?

Hans Peter Kuhn:Zum einen kann man den Weg des Künstlers gehen, diesen Weg habe ich gewählt, man kann aber auch als Tontechniker im Theater arbeiten, sich wissenschaftlich damit beschäftigen, auch die Bereiche Klangverarbeitung und Werbung sind wachsende Märkte. Unsere Lebens- und Arbeitswelt ist heute so durchdacht: Wer sich einen Porsche kauft, will auch fühlen, dass er eine teure Sportmaschine hat. Nun sind aber die Motoren heute stark gedämpft und im Auto ist es eher leise. Darum werden im Inneren Soundsysteme eingebaut, die dem Fahrer den Sportwagen-Sound simulieren. Auch hier kommen unsere Leute zum Einsatz, auch wenn sich nicht jeder von ihnen einen Porsche leisten kann.

CCB Magazin:Herr Kuhn, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.


"Der Gang der Dinge" eröffnete am 29. Mai im Gebäude Bundesallee 1-12 der UdK und ist als Dauerausstellung zu sehen.

Hier gehts zur Veranstaltung.

Category: Knowledge & Analysis

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