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Barbara Thiele: „Ohne Risiko ausprobieren“

Barbara Thiele: „Ohne Risiko ausprobieren“
Photo: © Barbara Thiele

Im Interview mit Creative City Berlin: Barbara Thiele vom Berliner Selfpublish-Anbieter epubli: "Jeder kann Autor sein".

Immer mehr Autoren entscheiden sich für eine Selbstpublikation über einen Selfpublisher-Anbieter. Was sind Chancen und Risiken der Selbstpublikation? Wie verändert das Selbstpublizieren die Buchbranche? Wir sprachen mit Barbara Thiele, Geschäftsführerin von epubli, einer Berliner Self-Publishing-Plattform.

 

INTERVIEW   JENS THOMAS

 

CCB Magazin: Hallo Frau Thiele, rund 82 Tsd. neue Bücher werden jährlich in Deutschland neu veröffentlicht, die Publikationszahlen sind aber seit Jahren rückläufig. Zugleich entscheiden sich immer mehr Autoren für einen Selfpublish-Anbieter. Mittlerweile sind das 19 Prozent am deutschen Buchmarkt – Tendenz steigend. Was haben Verlage in den letzten Jahren alles falsch gemacht?

Barbara Thiele: Ich bin nicht in der Position, Verlagen zu sagen, was sie falsch gemacht haben. Ich kann nur über unsere Erfahrungen bei epubli sprechen. Und hier stelle ich zum einen einen erhöhten Bedarf an erschwinglichen eBooks fest. Den bedienen die meisten Verlage aber nicht, dafür jedoch sehr viele Selfpublisher. Zum anderen wird Transparenz immer wichtiger: Im Verlag ist es oft so, dass Autoren ihre Manuskripte dort abgeben, aber kaum oder gar keine Mitsprache bezüglich Erscheinungstermin, Buchtitel oder Coverdesign bekommen. Auch die Höhe der Vorschüsse und die Anteile an den Buchverkäufen sind für die Autoren oft völlig unverständlich. Zum Dritten mögen Leser den persönlichen Kontakt zu Autoren und dafür bietet das Internet tolle Möglichkeiten, von Twitter und Facebook über Blogs und Lesecommunities wie Wattpad und Goodreads, wo Autoren oft sogar mit ihren Lesern diskutieren, wie ihre Geschichte weitergehen oder welche Eigenschaften der Protagonist im nächsten Buch haben soll. Durch den persönlichen Internetauftritt wird der Autor selbst zur Marke. Deshalb rückt die Verlagsmarke zunehmend in den Hintergrund. 

CCB Magazin:Sie sind Geschäftsführerin von epubli, einem Selfpublish-Anbieter aus Berlin. Können Sie uns kurz erklären, wie ihr Service funktioniert?

Barbara Thiele:Autoren müssen sich zunächst ein Profil bei uns anlegen, ihren Text ins passende Format bringen und das Dokument und eine Coverdatei hochladen – den Rest übernehmen wir: Wir stellen eine ISBN zur Verfügung, drucken die Bücher bzw. konvertieren auf Wunsch eBooks, bringen sie in den Buchhandel und in sämtliche eBook-Shops. Jeder Autor entscheidet selbst über Erscheinungsdatum, Preis, Buchcover und -titel sowie über Marketingmaßnahmen für sein Buch. Am Ende erhält der Autor oder die Autorin ein Autorenhonorar von bis zu 80 Prozent  des Verkaufspreises. 

Ich bin nicht in der Position, Verlagen zu sagen, was sie falsch gemacht haben

CCB Magazin:Neben epubli gibt es noch zahlreiche andere Anbieter wie neobooks von der Verlagsgruppe Droemer Knaur, die Self Publishing Plattform Bookrix, triboox und nicht zuletzt auch die Self Publishing Plattform „KDP“ (Kindle Direct Publishing) von Amazon. Was unterscheidet epubli von anderen Anbietern?

Barbara Thiele:Wer bei epubli ist, ist weltweit auf nahezu allen Plattformen vertreten, darunter Apple, Amazon, Thalia, Kobo, PaperC und Skoobe. Und bei uns kann man das Buch sowohl digital als auch als Printbuch veröffentlichen. Seit kurzem können Autoren bei uns auch ihr Taschenbuch für 9,99 Euro publizieren, da wir die Druckpreise stark reduzieren konnten. Die Autoren profitieren dabei weiterhin von unverändert hohen Honoraren. Wir raten unseren Autoren auch, ihr Buch in so vielen Ausstattungsvarianten wie möglich anzubieten, also zum Beispiel als Hardcover, Softcover und eBook.

CCB Magazin:Eine Umfrage von Buchtalent bei großen deutschsprachigen Publikumsverlagen in 2013 ergab, dass nur 0,5 Prozent aller eingereichten Manuskripte von den Verlagen veröffentlicht werden, bei den großen Publikumsverlagen ist die Zahl noch geringer. Sie sprechen mit epubli gezielt Indie-Autoren an. Kommen zu ihnen vor allem die Autoren, die es bei den Verlagen nicht geschafft haben?

Barbara Thiele:Das auch, aber längst nicht nur! Einige unserer sehr erfolgreichen Selfpublisher und vor allem Selfpublisherinnen haben es nie bei einem Verlag versucht und kämen auch nicht auf die Idee, das zu tun, einfach, weil sie bei uns viel besser verdienen und viel mehr Entscheidungsfreiheit haben. Umgekehrt kommen auch viele Verlagsautoren zu uns, die sich bei einem traditionellen Verlag nicht gut aufgehoben fühlten. Außerdem gibt es noch eine Menge sogenannter Hybrid-Autoren, die sowohl beim Verlag als auch selbst publizieren. In der Gesamtheit sind unsere Autoren vor allem solche, die ihre Inhalte unabhängig veröffentlichen und weltweit verkaufen wollen – gedruckt und als eBook, in sämtlichen Shops weltweit.

CCB Magazin:Sie vertreiben auch über Amazon. Amazon ist in letzter Zeit massiv in die Kritik geraten, weil der Online-Versandhändler als börsennotierter Allround-Branchenriese bessere Konditionen anbietet und die Preise drückt. Amazon hat das Self Publishing durch das Kindle Direct Publishing popularisiert: Hier gibt es weder Grundkosten, noch Mindestlaufzeit, keine Kündigungsfristen und auch keine Abtretung der Nutzungsrechte. Amazon verspricht seinen Autoren 70 Prozent der Nettoeinnahmen bei einem Verkaufspreis des Buches zwischen 2,99 und 9,99 Euro. Wie sehen Sie diese Entwicklung? Stellt sie eine Gefahr für die Branche dar?   

Barbara Thiele:Amazon macht ein gutes Geschäft mit Selfpublishing. Abzuwarten ist aber, ob die Dominanz eines Players nicht monopolistische Strukturen schafft und es dadurch auf längere Sicht zu steigenden Preisen für die Verbraucher kommt. Viele Autoren nutzen Kindle Direct Publishing natürlich aus den von Ihnen genannten Gründen. Und klar, Amazon ist für viele ein wichtiger Vertriebspartner, auch für uns. Doch auch Apple, Google, Tolino und Kobo sind starke Shops, wie wir an den eBook-Verkäufen unserer Autoren sehen können.

CCB Magazin:Bedeutet die Zunahme des Selfpublishing dann nicht eher eine permanente Wettbewerbssteigerung als eine Demokratisierung des Wettbewerbs?

Barbara Thiele:Nein, Selfpublishing ist einfach eine neue Art der Veröffentlichung, eine neue Chance für Autoren, das Büchermachen selbst in die Hand zu nehmen. Denn viele Autoren haben erkannt, dass sie selbst viel mehr erreichen können, weil sie mehr Entscheidungsspielraum im Selfpublishing haben und ihre eigenen Netzwerke besser nutzen können. Trotzdem schließt das eine die Kooperation mit Verlagen nicht aus, wie die Vielzahl an Hybrid-Aautoren bei uns zeigt: Sie verlegen einige Bücher im klassischen Verlag, andere eigenständig über epubli.

Die Autoren Giulia Pines & Paul Sullivan von epubli. Foto: ©  Sibilla Calzolari.

CCB Magazin:Wie wird das Selfpublishing den Buchmarkt und die Branche in nächster Zeit insgesamt verändern?

Barbara Thiele:Selfpublishing gewinnt immer mehr an Bedeutung, längst ist es im Mainstream angekommen. Das zeigt sich auch am neuen Selbstbewusstsein der Selfpublishing-Autoren. Die in einem offenen Brief von Selfpublishern geäußerte Kritik am Buchhandel, der Selfpublishing-Bücher bisher überwiegend ignoriert, halte ich für berechtigt. Neben dem Onlinehandel sind lokale Buchhandlungen immer noch sehr wichtig, um Bücher zu kaufen. Und solange diese Buchhandlungen keine Selfpublishing-Titel im Angebot haben, lassen sie sich sehr viel entgehen. Denn dass sich Indie-Bücher gut verkaufen, zeigt ein Blick auf die Bestsellerlisten im Internet.

CCB Magazin:Lassen Sie uns aber über Geld reden: Eine aktuelle Studie zum Selfpublishing-Markt von Matthias Matting (selfpublisherbibel.de) zeigt, dass das Gros der Selfpublisher im Durchschnitt nicht mehr als 500 Euro pro Monat verdient. Was wissen Sie über die Erfolgswege ihrer Autoren? Etablieren sie sich auf dem Markt oder bewegen sie sich in einem prekarisierten Feld?

Barbara Thiele:Immer häufiger geben epubli-Autoren ihren Job auf und leben vom Schreiben. Wir haben diverse Autoren, die 5-stellige Autorenhonorare kassieren, viele liegen im mittleren 4-stelligen Bereich. Thema Erfolg: Der misst sich ja nicht nur in Zahlen! Jeder einzelne unserer 8.500 Autoren hat seine großen und kleinen Erfolge: sei es in Form einer besonders guten Rezension, als Porträt in der Zeitung oder über die wachsende Anzahl Facebook-Fans, die eigene Familie, die die Bücher super findet, oder über die erste eigene Lesung. Jeder kann Autor sein, das ist das Tolle am Selfpublishing. Jeder kann es ohne Risiko einfach ausprobieren. 

Immer häufiger geben epubli-Autoren ihren Job auf und leben vom Schreiben

CCB Magazin:Verglichen mit den USA ist das Selfpublishing hierzulande aber noch eine Marginalie. Dort überstieg schon 2008 die Zahl der auf Bestellung erschienenen Titel (285.400) die der „normal“ in Großauflagen gedruckten neuen Titel (275.200) (Quelle: FAZ). Allein im Jahr 2011 ist die Zahl der in Eigenregie verlegten Titel um weitere 80.000 gestiegen. Was unterscheidet den deutschen vom amerikanischen Markt?

Barbara Thiele:Die USA sind ein Land der Selfmade-Erfolge und der Unternehmer. Die „Jeder ist seines Glückes Schmied“-Mentalität ist dort viel verbreiteter als hierzulande, wo man sich gern auf Strukturen, Institutionen und ein gesellschaftliches wie politisches Netz verlässt. Die Erkenntnis, dass man Dinge selbst in die Hand nimmt, damit gegebenenfalls auch mal auf die Nase fällt aber auch unglaublich erfolgreich sein kann, ist hier noch relativ frisch. Das ändert sich aber gerade.

CCB Magazin:Wie schätzen Sie neue Finanzierungswege in diesem Sinne beispielsweise über das Crowdfunding ein? Wird das die Buchbranche und den Literaturmarkt in den nächsten Jahren verändern?

Barbara Thiele:Ja, bestimmt. Crowdfunding wird weiterhin enorm zur Demokratisierung des Büchermachens beitragen. Und das Modell ist vor allem für Selfpublisher sinnvoll, die professionell Bücher machen wollen, aber kein eigenes Startkapital haben. Über eine Crowdfunding-Kampagne können sich Selfpublisher beispielsweise ein professionelles Layout und Lektorat und eine kleine Startauflage für Rezensionsexemplare finanzieren. Toller Nebeneffekt: Autoren generieren Aufmerksamkeit für ihr Buch, lange bevor es erscheint. Auch das ist eine Art des Marketings.

CCB Magazin:Seit Ende Juli 2014 vertreibt epubli auch E-Books über Skoobe, einen eBook-Abo-Service. Was hat es damit auf sich?

Barbara Thiele:Wir arbeiten stetig daran, unser Vertriebsnetz zu erweitern. Und gerade in Zeiten, in denen Händler und Verlage auf dem Rücken der Autoren über Konditionen streiten, ist es für Autoren essentiell, ihre Netzwerke zu vergrößern und die Leser über neue Wege zu erreichen. So entsteht das vielfältige Angebot, das sich Leser wünschen. Vor diesem Hintergrund war die Kooperation mit Skoobe für uns ein ganz logischer Schritt.

CCB Magazin:Sie haben auch das epubli lab gegründet, eine Anlaufstelle für Autoren, um Workshops und Webinare rund um das Thema Buch- und Autorenmarketing abzuhalten. Was wollen Sie erreichen?

Barbara Thiele:Mit den labs wollen wir Unternehmer-Autoren und solchen, die es werden wollen, das Handwerkszeug für die Vermarktung ihrer Bücher an die Hand geben. Die labs sind inzwischen ein fester Bestandteil unseres Konzepts. Insgesamt wollen wir natürlich weiterhin der Ansprechpartner Nummer eins für Autoren sein und ihnen unser Digital-Know-How vermitteln. Unseren Fokus auf Digitales wollen wir beibehalten. Unsere Botschaft lautet: epubli ist die Plattform für Indie-Autoren, die digital und unternehmerisch denken, die nicht nur gern Bücher schreiben, sondern sie auch selbst vermarkten.

CCB Magazin:Frau Thiele, viel Erfolg und danke für dieses Gespräch.
 


Profil von epubli auf Creative City Berlin

Category: Knowledge & Analysis

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