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Paul Andexel und Krystof Zlatnik: "Phantastikfeindlichkeit ist Teil unseres kulturellen Bewusstseins"

Schwerpunkt Genrefilm

Paul Andexel und Krystof Zlatnik: "Phantastikfeindlichkeit ist Teil unseres kulturellen Bewusstseins"
Photo: © Genrenale

Krystof Zlatnik (links) und Paul Andexel (rechts) von der Genrenale

Welche Chancen hat der deutsche Genrefilm auf dem internationalen Filmmarkt? Darüber will das Festival Genrenale 3 am 11. und 12. Februar 2015 in Berlin diskutieren und dem Genrefilm ein neues Zuhause geben. Wir sprachen mit den Festivalleitern Paul Andexel und Krystof Zlatnik über die Zukunft des Genrefilms und warum man das Festival über Crowdfunding finanzieren will.

 

INTERVIEW  JENS THOMAS

 

CCB Magazin: Hallo Paul, hallo Krystof, im Februar 2013 seid ihr mit der ersten Genrenale 1 während der Berlinale gestartet. Jetzt wollt ihr die Genrenale 3 als erstes Festival und Anlaufstelle für den Genrefilm etablieren. Warum wurde der Genrefilm bislang so gemieden?

Krystof Zlatnik: Weil uns die „Kultur“ für Genrefilme abhandengekommen ist. Während der deutsche Film Anfang des letzten Jahrhunderts noch für seinen Expressionismus und damit auch für seine „Phantastik“ bekannt war, wie zum Beispiel in Das Cabinett des Dr. Caligari oder Metropolis, zeichnete sich die Zeit um die beiden Weltkriege geradezu durch eine „Phantastikfeindlichkeit“ aus. Diese „Phantastikfeindlichkeit“ ist noch immer Teil unseres kulturellen Bewusstseins. Das hat wiederum dazu geführt, dass Filmen in Deutschland gerade dann Bedeutung zugemessen wird, die „nah an der Realität“ sind, die also ein aktuelles Problem behandeln oder sonst einen realen Nutzen für die Gesellschaft darstellen - oder, indem sie direkt als „Kunst“ identifiziert werden können.  

CCB Magazin:Was sind die Gründe für diese „Phantastikfeindlichkeit“?

Krystof Zlatnik: In Deutschland wird noch immer, anders als in den meisten anderen Ländern, stark zwischen Hochkultur und Trivialkultur unterschieden. Fantasy, Horror oder Science Fiction gelten darum als weniger wert, als banal, sie werden als trivial empfunden und von der Hochkultur abgelehnt. In anderen Ländern ist Trivial- bzw. Popkultur hingegen Leitkultur. Hinzu kommt in Deutschland eine starke Realismusfixierung, die aus einer Angst vor der Verführungskraft starker Bilder resultiert. Zur Zeit des Nationalsozialismus hatte diese Fantasiefeindlichkeit Hochkonjunktur. Thriller oder Science Fiction galten als subversiv. Die 68er-Generation warf "Raumpatrouille Orion" faschistoide Tendenzen und "Der unendlichen Geschichte" Eskapismus vor, weil man darin eine Abkehr von der Aufarbeitung des Nationalsozialismus sah. 

In Frankreich, Amerika, England, Schweden oder Japan tun sich Förderer, Filmemacher und das Publikum lange nicht so schwer wie hierzulande, den Genrefilm anzuerkennen 

CCB Magazin:Diese „Phantastikfeindlichkeit“ ist also ein deutsches Phänomen?

Krystof Zlatnik: In gewisser Weise ja, das zeigt sich auch am Genrefilm, dem wir uns widmen. In Frankreich, Amerika, England, Schweden oder Japan tun sich Förderer, Filmemacher und das Publikum lange nicht so schwer wie hierzulande, den Genrefilm anzuerkennen und zu schätzen. Dort kann der Genrefilm Unterhaltung mit Anspruch verbinden und selbst dann nicht wertlos sein, wenn er nur unterhält.  

CCB Magazin:Ihr wollt dem Genrefilm über die Genrenale 3 ein neues Zuhause geben. 2013 fand die Genrenale zum ersten Mal statt. Wie kam es dazu? 

Paul Andexel: Das Filmfestival entstand aus purer Leidenschaft für den Genrefilm und aus dem Grund, dass wir selber Filme, die wir lieben, in Deutschland machen und auf der Leinwand sehen wollen. Mein Kollege Krystof und ich fassten 2013 sehr kurzfristig den Entschluss, parallel zur damaligen Berlinale deutsche Genrefilme zu zeigen. Krystof hatte einen Piloten für eine Martial-Arts-Sci-Fi-Western-Serie realisiert. Ich wollte meinen Diplomfilm der HFF Potsdam, YOU MISSED SONJA, die erste deutschen Stephen King Verfilmung, einem interessierten Publikum präsentieren. Also mieteten wir uns mit Hilfe eines Sponsors ein Kino und luden Interessierte ein. Wir zeigten zwei weitere deutsche Genrefilme und einige Trailer. Das Interesse war riesig. Viele Leute kamen im Anschluss auf uns zu und bedankten sich für das Aufkeimen des deutschen Genrefilms durch unsere Initiative. Da wurde uns klar, dass wir hier weiter machen müssen.

CCB Magazin:Ihr plant gerade die Genrenale 3 für den 11. und 12. Februar 2015. Worauf liegt der Schwerpunkt diesmal?

Paul Andexel: Für die Genrenale 3 wollen wir das Programm auf zwei Tage erweitern und zum ersten Mal auch Langfilme als Deutschlandpremieren präsentieren. Dazu werden wir eine Auswahl der besten Genre-Kurzfilme des letzten Jahres inklusive eines Langfilms zeigen – unter anderem die Deutschlandpremiere von “Radio Silence”, ein Horrorthriller, der sehr erfolgreich über die internationalen Genrefestivals getourt ist und mit der Genrenale endlich sein deutsches Premierenfestival findet. Zu den Filmen wird es zusätzlich eine Podiumsdiskussion mit mehreren Filmemachern zum Storytelling im Genrefilm geben, außerdem eine Preisverleihung, Party und möglicherweise eine Pitchingveranstaltung.

CCB Magazin:Der Genrefilm richtet sich erfahrungsgemäß an ein jüngeres Publikum. Auch wird der Markt stark von amerikanischen Produktionen dominiert. Vor welchen Herausforderungen steht der Genrefilm in Deutschland? 

Mit der Genrenale wollen wir zeigen, zu was der deutsche Genrefilm qualitativ heute fähig ist 

Krystof Zlatnik: Was wir brauchen ist ein neues und hohes Niveau der Drehbücher und der dafür nötigen Erfahrung hierzulande im Genrebereich. Darüber wollen wir auch auf der diesjährigen Genrenale diskutieren. Es fehlt in Deutschland einfach noch die nötige Erfahrung im Bereich des Genreffilms, und so werden in den Entscheidungsgremien zum Beispiel Horrorfilme oft pauschal abgelehnt, ohne ein Grundverständnis dafür zu haben, warum auch diese Filmgattung wertvoll und die deutsche Perspektive dafür erhaltenswert ist. Und selbst wenn das Interesse am Genrefilm mittlerweile da ist, gibt es noch kein Vertrauen eines Kernpublikums in den Genrefilm. Auch haben deutsche Produktionen meist nur ein geringeres Budget zur Verfügung und kommen so nur schwer an jene internationalen visuellen Qualitäten heran, die ein Genrefilm erst so reizvoll macht. Oft bleiben deutsche Genrefilme auch qualitativ weiter hinter den Drehbucharbeiten und der Schauspielumsetzung von amerikanischen Vorbildern zurück und sind so nur wenig erfolgreich.

CCB Magazin:Regisseure wie Sebastian Niemann oder Oliver Hirschbiegel haben aber durchaus Erfolg.

Krystof Zlatnik: Ja, aber es gibt noch keine Kontinuität, was den Output von erfolgreichen deutschen Genrefilmen angeht. Es gibt bislang nur vereinzelte Filme, die in der Wahrnehmung des Publikums aber noch nicht als eigene “Marke” funktionieren. Und schafft es mal ein deutscher Genrefilm auf die Leinwand, bleibt er meist hinter den Erwartungen zurück, was wiederum als Rechtfertigung dafür dient, dass der deutsche Genrefilm noch nicht funktioniert.

CCB Magazin:Was ist das Besondere für euch am Genrefilm?

Krystof Zlatnik: Beim Genrefilm geht es ums „Erleben“; es geht um das „Spüren“ und um „Austesten” von Grenzen. Der Genrefilm lässt uns Geisterbahn fahren, andere Welten erleben und extreme Situationen austesten. Dabei nutzt er auf ganz besondere Art und Weise alle Möglichkeiten des Kinos, von der Bildgestaltung bis zum Sounddesign und der Musik. Als Filmform funktioniert er viel direkter und kann mit einer jüngeren Generation in Dialog treten, die sich ansonsten nicht für das deutsche Kino interessiert.

CCB Magazin:Deutsche Kinoproduktionen gewinnen an Popularität. Die deutsche Kinofilmindustrie generiert mittlerweile einen Jahresumsatz von fast 1,4 Milliarden Euro, zugleich verliert die deutsche Filmindustrie an Wettbewerbsfähigkeit; die Fördersysteme anderer Länder sind deutlich attraktiver und die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Kinofilme ist stark abhängig von der Filmförderung. Ihr wollt die Genrenale über ein Crowdfunding finanzieren. Was hat euch zum Crowdfunding bewegt?

Paul Andexel: Die Idee zum Crowdfunding kam uns, als uns klar wurde, dass es in unserer Arbeit immer auch um den Zuschauer als Konsumenten einer deutschen Genrekultur geht. Mit der Genrenale wollen wir zeigen, zu was der deutsche Genrefilm qualitativ heute fähig ist. Dafür brauchen wir ein Publikum und durch das Crowdfunding konnten wir schnell größere Bekanntheit erlangen und Fans gewinnen, die uns noch gar nicht kannten.

CCB Magazin:Eine Studie von ikosom zeigte, dass sich ein Crowdfunding für Filme häufig nur als Lückenfinanzierung eignet und auch nur in Kombination mit anderen Finanzierungsprojekten. Ihr habt 5.000 Euro als Zielsumme für die Kampagne veranschlagt, insgesamt kostet die Genrenale aber 24.000 Euro.

Paul Andexel: Ja, wir werden die Genrenale auch nicht ausschließlich über Crowdfunding finanzieren, wir werden auch auf Partner aus der Industrie zurückgreifen, die ein grundlegendes Interesse daran haben, dass sich eine filmische Vielfalt etabliert und eine Genrekultur entstehen kann. Das Besondere am Crowdfundings ist ja, dass wir die Reaktionen des Publikums auf unsere Vorhaben über die Kampagne testen können. Viele Firmen, die uns unterstützen wollten, haben uns klar gemacht, dass wir erst einmal ein Publikum gewinnen sollen, bevor wir finanzielle Unterstützung von ihnen erhalten. Dieses Publikum haben wir jetzt über die Kampagne gewonnen.

CCB Magazin:Beim Crowdfunding geht es ums Geben und Nehmen: Was erhalten die Unterstützer der Kampagne von euch zurück?

Paul Andexel: Es gibt Flyer und Poster der Genrenale, außerdem exklusive T-Shirts mit dem markanten Bärenkopf. Es können mit den Beiträgen Tickets erworben werden. Das geht von Einzelvorstellungen, zu Tages-, Festival- und VIP-Tickets, für den VIP-Bereich und freien Eintritt zur GENRENALE-Party. Als besonderes Highlight bieten wir in diesem Jahr einen Shuttelservice mit persönlichem Fahre zum Festival und wieder nach Hause. Für offizielle Sponsoren an Firmen gerichtet bieten wir dazu die Möglichkeit, Logos in unserem Werbematerial zu positionieren - auf Flyern, Postern oder in unseren Trailern. Je nach Beteiligung gibt es hier verschiedene Pakete, wobei die größten auch die beste Positionierung und größte Verbreitung garantieren.

CCB Magazin:Für was wird das Geld der Kampagne ausgegeben?  

Paul Andexel: Das Crowdfunding-Budget fließt hauptsächlich in Werbemittel und das Marketing, um das Festival zu bewerben. Wir waren schon in den vergangenen Jahren mit unseren Postern, Flyern und Stickern in der Stadt stark vertreten und selbst Tom Hanks hat unsere letztjährigen Flyer mit dem Claim “no more drama” getwittert. Daher sind dieses Geld und diese Arbeit für uns sehr wichtig, einfach um auf uns, die Vision und die Notwendigkeit aufmerksam zu machen. Neben dem Crowdfunding vertrauen wir zudem auf die Finanzierung großartiger Partner aus der Industrie, wie die Tele 5, UFA Fiction, Syrreal Entertainment und Chinzilla Film. Wir erarbeiten aktuell noch Kooperationen mit anderen Partnern, die wir hoffentlich noch im Januar offiziell verkünden können.

CCB Magazin:Was würdet Ihr anderen Projekten raten, die auch eine Crowdfunding-Kampagne planen: Auf was kommt es an?

Krystof Zlatnik: Auf Offenheit und Ehrlichkeit, da man die Crowdfunder letztendlich zu ganz besonderen Partnern macht. Darum sollte man alles immer ganz transparent machen, seine Entscheidungen, Pläne, Wünsche und Ziele offenlegen. Außerdem ist ein gutes Video wichtig. So kann sich jeder schnell einen Überblick über das Projekt verschaffen, gleichzeitig stellen sich die Macher persönlich vor. Vieles läuft beim Crowdfunding über Sympathie gegenüber den Machern und dem Projekt, weil man als Funder das Gefühl haben will, dass das Geld in guten Händen ist. Im Prinzip sollte das Video wie eine perfekte Bewerbung sein, nur eben nicht für den Arbeitgeber, sondern für seine Freunde und die Leute, die das unterstützen, was man selbst unterstützen würde. 

Vieles läuft beim Crowdfunding über Sympathie

CCB Magazin:Wie würdest du die Crowdfunding-Kampagne im Nachhinein bewerten? Hat sie sich gelohnt?

Paul Andexel: Ja, hat sie, die Resonanz übertrifft schon jetzt unsere Erwartungen. Innerhalb von nur neun Tagen hatten wir über 50 Prozent unseres angesetzten Budgets. Vier Tage zuvor hatten wir bereits 88 Prozent der Finanzierungssumme, sprich knapp 4.500 Euro. Das Crowdfunding war für uns Teil eines Experiments: Über die Kampagne konnten wir herausfinden, ob es eine Zielgruppe für uns gibt und ob ein Bedarf für das da ist, was wir machen.

CCB Magazin:Wie geht es nach der Kampagne weiter?

Paul Andexel: Die Genrenale 3 wird stattfinden, jetzt planen wir das Festival. Zum Glück haben wir die 5.000 Euro eingenommen. Das Festival hätten wir aber auch durchgeführt, wenn weniger Geld zusammengekommen wäre. Da sind wir anders als ein herkömmlicher Film, der unter einem bestimmten Budget gar nicht drehen kann. Darum hatten wir uns im Vorfeld auch für Indiegogo als Plattform entschieden, weil man dort durch die Option des “flexible Fundings” eine geringere Summe als die veranschlagte einbehalten kann. Jetzt geht es an die Festival-Planung. Es gibt viel zu tun. Wir packen das an.

CCB Magazin:Paul und Krystof, vielen Dank für dieses Gespräch und viel Erfolg!

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