Sustainability, Crowdfunding back

FreiVon: Wir machen Schuh, was machst Du?

FreiVon: Wir machen Schuh, was machst Du?
Photo: © FreiVon

Am Anfang war die Idee, zum Schluss wurde ein Schuh draus: FreiVon ist ein neues veganes Schuhlabel aus Berlin und ein verheiratetes Paar, Sarah und Paul, ein veganer Familienbetrieb sozusagen. Beide haben gerade ihre erste Schuh-Kollektion auf den Markt gebracht – finanziert über Crowdfunding. Wir fragen: Wie stellt man so einen Schuh her? Warum lederfrei und wie hilfreich ist dafür eine Crowdfunding-Kampagne

 

Interview Jens Thomas

 

CCB Magazin:​ Hallo Sarah und Paul, ihr habt FreiVon gegründet, ein veganes Schuh-Label aus Berlin. Gerade ist euer erster Schuh auf dem Markt. Wie oft seid ihr eigentlich schon gefragt worden, ob man eure Schuhe essen kann? 

Sarah: Oh Gott! Ja, das ist der Klassiker, das wurden wir schon so oft gefragt. Aber unseren Schuh kann man wirklich nicht essen.

CCB Magazin:Wie kamt ihr darauf, einen veganen Schuh herzustellen? Es gibt doch schon so viele vegane Schuhe. 

Sarah: Das stimmt, und es gibt mittlerweile auch wirklich sehr schöne, die Auswahl wird auch immer besser. Aber es gab nicht den, den wir wollten. Eines Tages bin ich mein Schuh-Regal durchgegangen und ich fand einen schönen klassischen italienischen Schnürer. Da dachte ich mir: Das wäre doch toll, wenn es den auch in einer veganen Version gäbe. 

Paul: Wir haben natürlich zuvor geschaut, ob es nicht schon einen ähnlichen in einer veganen Version gibt, aber wir fanden keinen. Oft waren die Schuhe aus irgendeinem Billig-Kunstleder und man wusste nicht, wie der Schuh hergestellt wurde. Da habe ich zu Sarah gesagt: Komm, lass uns den Schuh doch einfach selbst zusammen herstellen! 

CCB Magazin:Und dann? 

Sarah: Dann ging‘s los, das war im März. Wir haben zunächst alles zusammengetragen, was uns wichtig war. Klar war: Wir wollten einen Schuh, der alles mitbringt, der nicht nur vegan ist, sondern auch nachhaltig. 

Sieht irgendwie aus wie Schuhsalad, kann man aber trotzdem nicht essen: der erste vegane Schuh von FreiVon. Foto: © FreiVon

CCB Magazin:Was heißt nachhaltig? 

Paul: Nachhaltig heißt für uns, dass der Schuh nicht nur unter ökologisch umweltfreundlichen Bedingungen hergestellt ist, sondern auch unter fairen Arbeitsbedingungen - und dass er vor allem lange hält. Viele vegane Schuhe sind aus einem Billig-Kunstleder, das mit vielen Chemikalien behandelt wurde. Wir hingegen wollten einen Schuh, der biologisch abbaubar oder recycelbar ist. Oder am besten beides.

CCB Magazin:Und wie stellt man so einen Schuh her? 

Paul: Zunächst sind wir völlig naiv an die Sache herangegangen. Wir dachten, okay, nehmen wir einfach biologisch abbaubares Kunstleder. Bei der Recherche haben wir dann aber gemerkt, dass es so einfach nicht ist: Zum einen werden an Schuhmaterialien ganz andere Anforderungen gestellt, alleine schon was die mechanische Belastbarkeit betrifft. Zum anderen ist Bio nicht gleich Bio. Zuerst wollten wir eine rein natürliche Faser verwenden, weil das ein nachwachsender Rohstoff ist. Oft ist es aber so, dass die Fasern so verarbeitet sind, dass man das Produkt im Anschluss nicht mal mehr recyclen kann. Dann dachten wir an Kork. Kork-Sohlen sind aber nichts anderes als Sondermüll. Die sind total verklebt und chemisch behandelt. Kork-Sohlen kann man zum Schluss im Grunde nur noch schreddern oder verbrennen. Darum haben wir uns jetzt für erdölbasierte Innensohlen aus PU-Schaum entschieden. PU-Schaum ist schon upgecycelt aus der Matratzenindustrie, es sind Abfälle von Schaummatratzen, die wieder recycelt werden können. 

CCB Magazin:Was kam bei euch denn von was? Die vegane Lebensweise vom Schuh oder der Schuh von der veganen Lebensweise? 

Sarah: Das Vegane war zuerst da, ganz klar. Paul ist bereits seit 2005 Veganer und dann beschäftigt man sich zwangsläufig damit. Wir sind ja auch noch verheiratet! So kam eins zum anderen. Ich bin dann von heute auf morgen Veganerin geworden, von Voll-Fleisch zu vegan sozusagen.

Eine Kuh hat genauso Empfindungen wie wir – sie empfindet Freude, Glück oder auch Angst und Panik

Paul: Bei mir kam der Impuls durch mein Philosophie-Studium. Ich verdiene zwar mein Geld heute als Programmierer, die Philosophie war aber der Einstieg ins Vegane. Die Frage ist nämlich, was macht ein Lebewesen aus? Und wenn man sich mit Kognitionsforschung auseinandersetzt, stellt man fest, dass alle Wirbeltiere im Grunde das gleiche Bewusstsein haben. Eine Kuh hat genauso Empfindungen wie wir – sie empfindet Freude, Glück oder auch Angst und Panik. Da war für mich klar, dass ich vegan leben möchte. 

"Bis heute gibt es kein richtiges Schuh-Recycling-System." Foto: © FreiVon.

CCB Magazin:In Deutschland ernähren sich mittlerweile über sieben Millionen Menschen fleischlos, rund 800.000 von ihnen sind Veganer. Zugleich hat sich die Fleischproduktion in den letzten drei Jahrzehnten verdreifacht. Motivieren oder demotivieren euch solche Zahlen? 

Paul: Demotivieren tut uns gar nichts, im Gegenteil. Gerade das zeigt doch, dass der Fleischkonsum, der letztendlich ja Billig-Fleischkonsum ist, so nicht weitergehen kann. Ich denke auch, dass der derzeitige vegane Trend gerade darum so sichtbar ist, weil eben so viel Billig-Fleisch konsumiert wird. Auch wir wollen dem mit FreiVon was entgegensetzen, aber auf eine ganz praktische Art und Weise. Wir sind kein Zeigefinger-Label. Wir wollen nicht groß drüber reden, sondern machen. 

Wir wollen der Gesellschaft etwas entgegensetzen, aber auf eine ganz praktische Art und Weise

CCB Magazin:Schränkt euch die vegane Lebensweise in irgendeiner Art und Weise ein? 

Sarah: Nein, überhaupt nicht! Gerade in einer Stadt wie Berlin ist das mittlerweile auch so einfach, vegan zu leben, und ist auch so viel gesünder. Das zeigen mittlerweile viele Studien. 

Paul: Für mich ist das Vegane eine absolute Bereicherung. Nur beim Herstellungsprozess des Schuhs kamen wir an Grenzen: Zum einen gibt es bis heute kein richtiges Schuhrecycling-System, es gibt noch nicht mal ein Nachhaltigkeits-Gütesiegel für vegane Schuhe. Zum anderen war es wirklich schwierig, einen Schuhmacher zu finden, der auch vegane Schuhe herstellt. So hatte ich am Anfang bei der Berliner Schuhmacher-Innung angerufen, weil wir am liebsten direkt in Berlin einen Schuhmacher gefunden hätten. Der Chef der Schuhmacher-Innung meinte aber nur: „Was, einen Schuh ohne Leder? Das ist ja ekelhaft!“ Das war‘s dann. Jetzt sind wir in Pirmasens gelandet. 

CCB Magazin:Pirmasens? Kann man das essen? 

Paul: Nein, (lacht), das ist ein Städtchen in Rheinland-Pfalz, 40.000 Einwohner groß. Pirmasens war sozusagen über Jahrzehnte die Schuhhauptstadt in Deutschland - da gab es etliche Schuh-Fabriken, Leisten- und Materialhersteller. Auch heute gibt’s dort noch eine Fachhochschule, wo man Schuhhandwerk und Schuh-Design studieren kann, zudem das ISC, das Internationale Schuh-Kompetenzzentrum sowie das PFI, eine Prüfstelle, die weltweit aktiv ist und die selbst Schuh-Optimierungsprozesse in China kontrolliert. In Pirmasens hab ich bei der IHK angerufen. Die Frau am Telefon hat mir gleich einen Kontakt zu einem Schuhmacher dort gegeben. Der stellt jetzt unsere Schuhe her.  

CCB Magazin:Eure erste Kollektion ist jetzt auf dem Markt. Der Schuh sieht gut aus, kostet aber auch 240 Euro. Wer kauft den? 

Sarah: Den kaufen natürlich - weil es ein Frauenschuh ist - vor allem Frauen. Das Interessante ist aber, dass sich gerade viele Männer für den Schuh interessieren. Viele melden sich und sagen: „Geil, ich such so was fürs Büro, habt ihr den auch als Männerschuh?“. Darum haben wir uns jetzt gedacht, dass die nächste Kollektion der gleiche Schuh als Männerversion ist. Männer haben auch mit dem Preis weniger ein Problem, hier haben sich, wenn, nur Frauen beschwert. Wir wollten den Schuh zu Anfang gerne für 150 Euro verkaufen, damit ihn sich auch viele leisten können. Die Herstellung ist aber doch kostspieliger als gedacht, darum ist er jetzt teurer.

CCB Magazin:Ihr habt den Schuh über Crowdfunding finanziert. Warum? 

Sarah: Weil es im Grunde kein Risiko darstellt und wir auch keinen Kredit aufnehmen wollten. Das Crowdfunding war für uns auch wie eine Art Markt-Test, wir wussten ja gar nicht, ob so einen Schuh überhaupt jemandwill. Was uns wirklich überrascht hat: Es waren vor allem Unbekannte, die uns unterstützt haben, die den Schuh jetzt kaufen. Insgesamt haben wir 15.000 Euro eingenommen. Wir stellen 60 Stück her.

CCB Magazin:Wie lief die Kampagne insgesamt? 

Paul: Sie war anstrengend. Das hätten wir echt nicht gedacht, dass man wirklich 24 Stunden auf Alarm ist. Wir hatten natürlich das Glück, medial gut begleitet worden zu sein, es gab unheimliche viele Blogbeiträge über uns, was zugleich bedeutete, dass ganz viele Leute ihre Meinung zum Schuh loswerden wollten. Dem wollten wir aber nachkommen. Gerade negative Kommentare wollten wir nicht einfach unkommentiert über einen Tag im Netz stehen lassen.  

CCB Magazin:Was gab es für negative Kommentare?  

Sarah: Viele waren skeptisch und oft kam der Klassiker: „Wie, ist das ist jetzt wieder der nächste Plastikschrott, der auf dem Müll landet?“ Auch wir mussten ja erst mal lernen, was es alles bedeutet, so einen Schuh nach speziellen Kriterien herzustellen, welche Materialien dafür in Frage kommen und wie wir das kommunizieren können. Auf der Homepage findet man zahlreiche Infos. Und wir haben jetzt einen Barcode in die Zunge des Schuhs einnähen lassen. Wenn man mit dem Handy drüberfährt, bekommt man alle Infos zu unseren Materialien. Das ist doch wirklich toll! Das hat sonst noch keiner. Wir wollen absolut transparent sein. 

CCB Magazin:Wenn ihr ein Crowdfunding-Kampagne noch mal starteten würdet. Was würdet ihr anders machen? 

Paul: Erst mal machen wir keine Crowdfunding-Kampagne mehr, die nächste Produktion stemmen wir über die jetzigen Bordmittel. Wenn wir aber noch mal eine Kampagne machen würden, würden wir die Summe etwas niedriger ansetzen. Wir hätten uns wohl mit 10.000 anstelle von 15.000 Euro viel Stress ersparen können. Wir haben von dem Geld auch nur Leisten gekauft, Schnittwerkzeuge und ähnliches finanziert, und den Schuhmacher bezahlt. Für uns war da jetzt nichts drin. 

CCB Magazin:Was plant ihr für die Zukunft? Wollt ihr irgendwann einmal von FreiVon leben? 

Sarah: Das wäre natürlich toll, aber es ist ein weiter Weg. Für die nächsten zwei Jahre wollen wir aber alles auf eine Karte setzen. Wir wollen aber langsam wachsen. Wir werden nicht das nächste Nike oder Puma, aber wir wollen Vorreiter sein. Und irgendwann wollen wir auch mal ein paar Angestellte haben. 

CCB Magazin:Sarah und Paul, viel Erfolg! 


Alle Infos zu FreiVon findet ihr hier: www.freivon-schuhe.de
 

Category: Innovation & Vision

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