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Natacha Aedo Duran: „Grüne Mode muss die Masse ansprechen“ 

Natacha Aedo Duran: „Grüne Mode muss die Masse ansprechen“ 
Photo: © privat

Natacha Aedo Duran ist 26 Jahre alt, Mode-Designerin und kommt ursprünglich aus Brüssel. Dann landete sie in Berlin – genauer genommen an der ESMOD Berlin, wo sie als eine der ersten den Master „Sustainibility in Fashion“ mit Schwerpunkt Nachhaltigkeit absolvierte. Was lernt man in einem solchen Studiengang? Wie hat der Studiengang ihr Bild von der Modeindustrie verändert und will sie die Modeindustrie künftig selbst verändern? Wir trafen die Modemacherin an einem Dienstag im August in den Prinzessinnengärten. 

 

Interview Jens Thomas

 

CCB Magazin: Hallo Natacha, schön, dass das mit dem Interview geklappt hat. Du kommst aus Brüssel und bist seit zwei Jahren in Berlin. Vermisst du Brüssel manchmal? 

Natacha: Ja, schon, ich bin aber auch immer wieder mal dort, um Familie und Freunde zu besuchen. Brüssel ist eine geschichtsträchtige und auf ihre Art sehr schöne Stadt, Berlin aber auch! Brüssel ist sehr klein, hat „nur“ 1,1 Millionen Einwohner, man trifft dadurch auch immer wieder die gleichen Leute auf den Veranstaltungen. Berlin ist viel größer, unruhiger, auch vielfaltiger. In Belgien kaufen oder bauen viele junge Leute auch schon sehr früh Häuser, das ist in Berlin ganz anders. Und Belgier investieren schon sehr früh in Bausparverträge oder Rentenversicherungen. 

CCB Magazin:Du auch? 

Natacha:Ich, nein (lacht). Da bin ich mittlerweile eine Berlinerin. 

CCB Magazin:Erzähl mal, du hast in Brüssel Mode-Design studiert, kamst dann nach Berlin, um an der ESMOD den Studiengang für nachhaltige Mode „Sustainibility in Fashion“ zu belegen. Warum? 

Natacha:Weil dieser Studiengang ein ganz spezieller ist und auf dem aufbaut, was ich bereits gelernt hatte – nur mit dem Schwerpunkt Nachhaltigkeit im Bereich Modedesign, das war mir wichtig. Denn wenn man mit der Modeindustrie in Berührung kommt, merkt man schnell, wie schnelllebig und verschwenderisch das alles ist. Ich wusste, dass ich so nicht arbeiten will. 
 

Bei der Arbeit: Natacha Aedo Duran. Foto: © Sabine Mittermeier

CCB Magazin:Was ist denn so schlimm an der Modeindustrie? 

Natacha:Die Modeindustrie setzt unentwegt auf das Neue, und das schließt Nachhaltigkeit in gewisser Weise aus. Es geht darum, jede Saison das Neueste auf den Markt bringen zu müssen. Bis zu 40 Prozent unserer Kleidung tragen wir aber selten oder nie, trotzdem kaufen wir im Jahr durchschnittlich 60 neue Teile dazu. Durch unser Kaufverhalten kommt die Umwelt einfach an Grenzen. Viele Klamotten enthalten zum Beispiel Spuren der Chemikalie Nonylphenolethoxylate (NPE). Nonylphenolethoxylate werden zu giftigem Nonylphenol (NP) abgebaut und gelangen über das Abwasser in Flüsse und Seen. Laut Greenpeace sind bereits jetzt schon in China über 60 Prozent der Trinkwasserreserven ernsthaft verschmutzt. Zudem wird in kaum einer anderen Branche so viel Wasser verbraucht wie in der Bekleidungsindustrie. Um ein Kilogramm Stoff zu produzieren, werden bis zu 100 Liter verbraucht. 

Die Modeindustrie setzt unentwegt auf das Neue, das schließt Nachhaltigkeit in gewisser Weise aus 

CCB Magazin:Und in dem Studiengang lernt man, das zu verändern? 

Natacha:Ja, man stellt sich von Beginn an die Frage: Wie kann man Mode kreieren, die nach sozialen und ökologischen Gesichtspunkten angefertigt ist, die sich zum Schluss aber auch verkauft? Es geht also immer um den Trias Ökologie, Soziales, Profit. Ziel ist es nicht, eine Alternative zu (er)finden, die unbedingt wie eine Alternative aussieht. Es geht darum, der Realwirtschaft etwas gegenüberzustellen, das nachhaltig ist. Dabei muss Modeproduktion als kompletter Kreislauf begriffen werden, als Kreislaufwirtschaft, indem Nachhaltigkeit bereits im Prozess des Planens und der Produktion angelegt ist. 

CCB Magazin:Ok, erklär doch mal, wie funktioniert das? 

Natacha:Die Kreislaufwirtschaft ist ein Drei-Stufen-System: Die erste Phase ist die Konstruktions- und Produktions-Phase. Hier werden Materialien ausgesucht, die zu 100 Prozent recyclebar sind und recycelt werden können - und die darum umweltschonend sind. Die zweite Phase ist die User-Phase: Hier geht es um eine bessere Unterstützung und die Beratung der Kunden, um ein nachhaltiges Bewusstsein zu stärken, das sich dann auch in der Praxis niederschlägt, indem Kleidung lange getragen wird und so erhalten bleibt. Auch geht es darum, über mögliche Distributionswege und die Verbreitung eines nachhaltigen Konzepts zum Nachdenken anzuregen. Die dritte Phase ist die Recycling-Phase: In dieser Phase werden die Materialien von den „Usern“, also den Konsumenten, wieder an die Unternehmen zurückgegeben, damit sie im Anschluss wiederverwertet werden können.  

CCB Magazin:Und das klappt auch in der Praxis? 

Natacha:Das klappt, wenn sich alle Beteiligten daran halten, das ist natürlich oft noch nicht der Fall. Darum lernt man im Studium auch, wie man Firmen kontaktiert und auf sie zugeht, um sie für nachhaltige Produktionen zu gewinnen. Zum Schluss handelt man dann im Grunde wie eine eigenständige Modefirma: Man spezialisiert sich und arbeitet mit einer Modefirma zusammen. Ich zum Beispiel habe mit der schwedischen Outdoorfirma Peak Performance kooperiert. Das fand ich spannend, da gerade die Outdoor-Industrie im Bereich Nachhaltigkeit an Grenzen kommt. 

CCB Magazin:Inwiefern? 

Natacha:Weil speziell im Bereich Outdoor und Sportbekleidung Textilien benötigt werden, die besonders atmungs- und bewegungsaktiv sind. Da reicht Biobaumwolle oft einfach nicht aus. Sportkleidung besteht in der Regel aus Kunststoffen der Erdölgewinnung, die man so nicht ohne weiteres wiederverwerten kann. Nimmt man hingegen Biobaumwolle, ist sie zwar kompostierbar, sie verbraucht aber Unmengen an Wasser - und Biobaumwolle lässt sich auch nicht unendlich wiederverwerten, weil man immer wieder eine Extraktion der Rohmaterialien vornehmen muss und der Stoff so an Qualität verliert. Polyester dagegen ist belastbar, verbraucht wenig Wasser und trocknet schnell. Man kann also nicht einfach sagen, dass Biobaumwolle immer nachhaltiger ist. Zum Schluss ist es eine Abwägungsfrage, welches Verfahren insgesamt am schonendsten für die Umwelt ist und was für unsere Zukunft besser und nachhaltiger wäre.   

CCB Magazin:Das klingt so, als gebe es speziell im Bereich Outdoor bislang noch keine wirkliche nachhaltige Lösung? 

Natacha:Doch, eine Lösung gibt es immer, nur ist der Prozess von der Logistik her oft enorm aufwändig. Auch wären die entsprechenden Unternehmen die Verantwortlichen, die die Klamotten wieder zurücknehmen müssten. Die Arbeit der Unternehmen würde also nicht beim Produzieren und Verkaufen aufhören. Die Unternehmen müssen den Recycling-Prozess mit einplanen und einkalkulieren.  

CCB Magazin:Man bräuchte also eine Art Pfandmodell für den Modebereich? 

Natacha:Ja, das wäre eine Lösung, es müsste eine Rückgabe für die Unternehmen geben, die verpflichtend ist. I-Collect zum Beispiel macht das jetzt schon, das ist ein Recycling-Service, mit denen auch H&M und Esprit zusammenarbeiten. I-Collect sortiert Kleidung aus, die noch tragbar ist und wählt Stoffe aus, die recycelt und zu neuen Stoffen gesponnen oder gestrickt werden können. Der Rest wird gedowncycelt, das heißt: der Stoff wird so runtergebrochen, dass er nur noch in anderen Fachgebieten zum Einsatz kommen kann. 

So kann nachaltig: Die Kollektion "URBEON" von Natacha Aedo Duran. Foto: ©  Marie Weikopf, Models: Marko Berghoff & Christian Birkelbach, Hair & Make up Artist: Natalie Köppe | Styling: Natacha Voranger.

CCB Magazin:Wenn Du eine Bilanz ziehen würdest: Wo steht die nachhaltige Modebranche derzeit? Was hat sich schon entwickelt, was muss sich noch entwickeln? 

Natacha:Es gibt mittlerweile viele kleine Labels, die auf Nachhaltigkeit setzen. Das ist schön zu beobachten. Labels wie Armed Angels, Uniforms for the dedicated oder Knowledge Cotton Apparel haben es auch verstanden, einen angesagten Look zu kreieren, der nicht nach Öko aussieht. Das war lange ein Problem: Oft haben irgendwelche Ökos nachhaltige Kleidung entworfen, die aber auch so aussah. Wichtig ist, dass nachhaltige Mode die Masse anspricht, nur so kann sich auch etwas verändern. Aktuell hat Adidas zum Beispiel einen cradle-to-cradle-Schuh Trash from the Ocean auf den Markt gebracht, der wurde aus Fischernetzen hergestellt, die aus dem Meer stammen. Der sieht total gut aus! Das ist doch super. Und selbst H&M, die immer wieder kritisiert werden, weil sie nicht fair und umweltfreundlich produzieren, steigt mittlerweile auf grüne Biobaumwolle um. 

CCB Magazin:Experten wie Manfred Santen von Greenpeace kritisieren aber, dass große Hersteller wie H&M mit Umweltfreundlichkeit werben, zugleich aber die Regeln für die Verwendung von Chemikalien meist lückenhaft bleiben. Inwiefern besteht so die Gefahr des Greenwashings, wenn Großkonzerne nebenbei mal einen grünen Schuh auf den Markt bringen oder ein bisschen auf Biobaumwolle umsteigen?  

Natacha:Diese Gefahr besteht natürlich immer, darum ist Transparenz auch so wichtig. Es sind aber vor allem auch die Konsumenten gefragt, sie können einen grünen Markt ja einfordern. Wenn irgendwann nur noch grüne Produkte gekauft werden, werden Großkonzerne auch immer mehr auf grüne Produktion umstellen.

CCB Magazin:Du hast Dein Studium kürzlich abgeschlossen. Im letzten Jahr warst du Teil des Greenshowrooms im Rahmen der Berlin Fashion Week, jetzt bist du mit deiner Abschluss-Modekollektion URBEON für den Bundespreis EcoDesign nominiert. Was ist das Besondere an deiner Kollektion? 

Natacha:Meine Kollektion habe ich als Master-Projekt in Zusammenarbeit mit der Outdoor-Firma Peak Performance erstellt. Die Kollektion besteht aus zwei Looks  - 2 Jacken, Hosen, Shorts und einer Weste. Das Besondere an meiner Kleidung ist, dass sie 100-prozentig recyclingfähig ist, weil sie aus einem einzigen Stoff besteht, sie besteht zu 100 Prozent aus Monomaterial. Und ich habe darauf geachtet, dass sie umweltschonend und sozial gerecht produziert wurde. 

CCB Magazin:Was willst du nun machen, ein eigenes Label gründen? 

Natacha:Nein, ich denke nicht. Jedenfalls nicht jetzt. Ich möchte erst einmal als Beraterin arbeiten. Mein Ziel ist es, in eine Modefirma einzusteigen, um sie intern zum Thema Nachhaltigkeit beraten zu können. Auch eine Mitarbeit in Organisationen wie Greenpeace kann ich mir vorstellen. Vor allem Greenpeace ist im Bereich der Textilindustrie unheimlich aktiv, das finde ich toll. Aktuell fasziniert mich zum Beispiel die Detox-Kampagne: 30 internationale Modemarken und Discounter wie Lidl und Penny haben sich bereits gegenüber Greenpeace verpflichtet, bis zum Jahr 2020 alle Risiko-Chemikalien aus ihrer Produktion zu entfernen. Das entspricht etwa 15 Prozent der globalen Textilproduktion. In diese Richtung müssen wir gehen. 

Wir müssen künftig die Unternehmen in die Pflicht nehmen, die noch nicht so weit sind

CCB Magazin:Natacha, wo steht die grüne Modeindustrie in 10 Jahren? 

Natacha:Ich denke, dass vor allem große Konzerne immer mehr auf grüne Mode umsteigen werden, wenn auch nur in Teilen. Kleine Labels werden es dagegen weiterhin schwer haben, von ihrer Produktion auch leben zu können - die Konkurrenz ist groß. Rund 2000 Absolventen verlassen jedes Jahr die deutschen Modeschulen, allein in Berlin bilden jedes Jahr 10 Modeschulen 1.000 Absolventen aus - und es gibt schon jetzt sehr viele gute nachhaltige Labels. Wichtig ist, dass wir künftig die Unternehmen in die Pflicht nehmen, die noch nicht so weit sind. Schön wäre es doch, wenn Nachhaltigkeit irgendwann einmal zur Selbstverständlichkeit wird. Das wäre ein großer Wunsch von mir. 

CCB Magazin:Natacha, vielen Dank für dieses Gespräch und viel Erfolg! 

Category: When I moved to Berlin

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