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Francesca Ferguson: „Berlin braucht eine intelligente Baukultur“

Francesca Ferguson: „Berlin braucht eine intelligente Baukultur“
Photo: © Philipp Rohner

Seit dem 11. Juni läuft in Berlin das neue Festival MAKE CITY, das „Festival für Architektur & Andersmachen“ für Platzmacher, Konzeptgestalter, Stadtneudenker, Umbaudirigenten und Kiezveränderer. Vor welchen Herausforderungen steht die Stadt Berlin? Was soll in Berlin alles „anders“ gemacht werden und vor allem wie und von wem? Ein Gespräch über neue Herausforderungen in Zeiten der Stadtgestaltung, über Möglichkeiten und Grenzen einer neuen Mitmach-Architektur und Wege für die Zukunft mit MAKE CITY-Kuratorin Francesca Ferguson.
 

INTERVIEW   JENS THOMAS

 

CCB Magazin: Hallo Frau Ferguson, Sie organisieren gerade das erste MAKE CITY-Festival in Berlin, „das Festival für Architektur & Andersmachen“. Was soll in Berlin von wem wie anders gemacht werden? 

Francesca Ferguson: In Berlin muss von vielen eine Menge „anders“ gemacht werden: Politik, Verwaltung, Stadtplaner und Architekten sind hier gefragt. Berlin ist eine Ausnahmestadt. Kaum eine Stadt in Europa hat so viele Freiflächen und Freiräume. Keine Stadt hat so viel kreatives Potenzial und zugleich so wenig Kapital – auch in Bezug auf potenzielle Investoren. Das heißt aber auch, dass Leute ohne Geld selbst aktiv werden müssen. Berlin braucht Prototypen für das Bauen der Zukunft, die viele Grenzen gleichzeitig sprengen, die ganze Berufsbilder und Prozesse in Frage stellen.

CCB Magazin: Was muss konkret wie in Frage gestellt werden?

Francesca Ferguson: Ich wohne nun schon seit dem Mauerfall in Berlin. Und für mich war Berlin immer einzigartig. Gerne würde ich erleben, dass Berlin einzigartig bleibt. Nur: Dafür müssen wir so ziemlich alles in Frage stellen. Die derzeitige Kapitalisierung und Verdrängung treibt die Stadt in den Ruin. Berlin als Stadt ist seit über zwei Jahrzehnten ein Ort der Hoffnung, dessen Weg nicht in der Verödung endet, die manche anderen Städte erlebt haben. Berlin war immer ein Ort, wo man Dinge anders machen konnte. Nun sind wir an einem ganz kritischen Punkt: Die Stadt erlebt große Investitionsschübe, Flächen werden an die Meist-Bietenden verkauft. Was wir aber brauchen ist ein Berliner Modell für eine andere Art der Stadtentwicklung, damit Kunst, Kultur und urbanes Leben hier auch in Zukunft eine Chance hat. 

Die derzeitige Kapitalisierung und Verdrängung treibt die Stadt in den Ruin

CCB Magazin: Erklären Sie uns doch mal dieses Berliner Modell für eine andere Art der Stadtentwicklung.

Francesca Ferguson: Dieses Modell ist eine Art pragmatische Allianz aus Kunst, Wissenschaft, Kultur, Wirtschaft und Politik; eine Allianz aus Stadtverwaltung, Aktivisten, Machern und Architekten, die wir ins Leben rufen müssen. Das heißt auch, dass Kultur, Wirtschaft und Stadtplanung in Berlin konsequent zusammen gedacht werden. Das ist aber noch nicht der Fall. Wir, und damit meine ich alle Beteiligten des Festivals – insgesamt 100 Partner – verstehen nicht, warum das Potenzial der Berliner Architektur als Teil der Kreativwirtschaft bis heute nicht erkannt und in die Stadtplanung mit einbezogen wird. Berlin ist so reich an Ideen, an guten Ideen. Diese Errungenschaften sollte man nutzen.

CCB Magazin: Und wie genau?

Francesca Ferguson: Indem man sich auf die Expertise von guten Architekten und Stadtplanern verlässt und sie ganz gezielt in die Stadtplanung mit einbezieht. Wir können einfach nicht mehr nur über die netten kleinen Interventionen im Bereich der Zwischennutzung für Kreative reden. Es geht jetzt in Berlin ums Große und Ganze. Wir brauchen den Austausch zwischen Architektur, Politik, Investoren und Bürgern. Nur so kann eine Kultur des Teilens und Gemeinschaffens als selbstverständlicher Teil der Stadtentwicklung entstehen. Klar ist doch: Nachdem der Berliner Senat im Sommer 2013 die Internationale Bauausstellung abgesagt hatte und die Diskussion um ein Volksbegehren der Initiative 100 Prozent Tempelhofer Feld in vollem Gange war, beteiligten sich wenig später weit mehr als eine Millionen Bürgerinnen und Bürger am Volksentscheid Tempelhofer Feld. Das ist doch ein Zeichen. Die Leute wollen mitbestimmen. Und man sollte sie mitbestimmen lassen.

Sieht so das Berlin der Zukunft aus? Zumindest ist das schon mal der neue Park am Gleisdreieck. Foto: © Julien Lanoo

Wir brauchen den Austausch zwischen Architektur, Politik, Investoren und Bürgern. Nur so kann eine Kultur des Teilens und Gemeinschaffens als selbstverständlicher Teil der Stadtentwicklung entstehen
 

CCB Magazin: Wo kommt Partizipation aber an Grenzen? Markus Miessen spricht in seinem Buch vom „Albtraum Partizipation“, von einer zunehmenden „Scheinsolidarität“. Partizipation" habe sich insbesondere in der Politik zur Standardausrede entwickelt, wenn es darum ginge, sich aus der Verantwortung zu ziehen. Der Kultursoziologe Thomas Wagner spricht von einer „Mitmachfalle“. Während auf der einen Seite Bürger zunehmend beteiligt würden, würden auf der anderen Seite die „realen Einflussmöglichkeiten der Bürger sowie von Parteien und Gewerkschaften effektiv beschnitten“.  Sehen Sie diese Gefahr auch?

Francesca Ferguson: Ja, diese Gefahr sehe ich. Was bislang in den Talks das Festival aber auch ganz deutlich wird: Partizipation ist keine einfache Sache. Partizipation bedeutet Aushandeln, mit vielen Beteiligten, die viele Ideen haben. Darum muss sich jeder Politiker, Stadtplaner und auch Architekt fragen: Was wollen die Leute eigentlich? Wie sind die Wohnbedürfnisse? Wie gehe ich darauf ein? Partizipation heißt auch Interesse bekunden, zuhören, nachfragen - und zum Schluss einen Kompromisse finden, der im Querschnitt der Beste für alle ist.

CCB Magazin: Ziehen Sie doch mal eine Bilanz: Wie läuft das Festival bislang? Welche Schwerpunkte wurden und werden gesetzt?

Francesca Ferguson: Was wir zusammengestellt haben und zeigen sind ungewöhnliche Wege, sind Baugruppen neuen Stils, ist Gemeinschaftswohnen in neuen Dimensionen, sind neue Typologien, neue Auseinandersetzung mit Ökologie, Ökonomie und Gesellschaft. Wir zeigen, wo und wie sich Grenzen zwischen Rückzug und Gemeinschaft, zwischen öffentlichem und privatem Raum, zwischen Politik und Bürgern radikal verschieben. Wie sich die Trennung zwischen Arbeiten und Wohnen, zwischen innen und außen, zwischen Erdgeschoss und Gehsteig regelrecht auflösen. Baugrund wird von Grund auf umgedacht, das produzierende Gewerbe zurück in die Stadtmitte geholt. Mit der Urban Gardening-Kultur rückt das Land in die Stadt. Mit einem Projekt wie der Bauhütte werden Grenzen zwischen den Beteiligten aufgelöst. Entsprechend sind Menschen und Macher mit dabei, die gemeinsam die unterschiedlichsten Ebenen des Andersmachens repräsentieren: Architektinnen und Architekten mit Projekten aus der ganzen Welt und die Architektenkammer als ihr oberster Verband und großer Unterstützer, Planer, Politik, Stiftungen wie die Heinrich-Böll-Stiftung, die uns unterstützt, Kulturinstitute vieler Länder und damit anderer Großstädte wie Prag, Rom oder Istanbul, Verlage und Agenturen etc. Entscheidend ist, dass wir zwar im Kern eine Fachdiskussion führen, die notwendig ist, aber interdisziplinär: Wir beziehen Soziologen, Philosophen, Künstlerinnen und Künstler, Naturwissenschaftler, Aktivisten und die Stadtgesellschaft ein. Einige Beiträge kommen auch von Studierenden. Andere Angebote richten sich gezielt an Kinder und Jugendliche oder Familien. Der Begriff der „Urban Commons“ ist einer der roten Fäden im MAKE CITY-Programm.

Auf der Pressekonferenz zu MAKE CITY: Kuratorin Francesca Ferguson. Foto: MAKE CITY.

CCB Magazin: Was aber bleibt am Ende hängen? Gibt es eine Art Masterplan für die Stadt Berlin, den man im Rahmen des Festivals erarbeitet?

Francesca Ferguson: Oh ja, …Masterplan, das wäre was. Wir haben das Festival innerhalb der letzten fünf Monate organsiert und alle Partner zusammengetrommelt. Das war ein wirklicher Kraftakt. Jetzt geht es erst mal darum, das Festival bis zum Ende zum Erfolg zu führen und zu einer Institution werden zu lassen. Für den Anschluss haben wir noch keinen genauen Masterplan, aber: wir werden Evaluierungsgespräche führen und womöglich entsteht ein Manifest. Wenngleich es dabei nicht darum geht, nur zu fordern, vielmehr suchen wir den Dialog. Ich würde mir auch wünschen, dass in den nächsten Jahren noch mehr Vertreter aus der Politik anwesend sind. Die Idee ist, eine Biennale zu schaffen, also ein Festival, das alle zwei Jahre stattfindet. Der Prototyp ist schon mal gelungen und konnte ganz sicher das Interesse und den Bedarf an der Auseinandersetzung nachweisen.

CCB Magazin: Frau Ferguson, wenn Sie in die Zukunft blicken: Wie sollte Berlin in Zukunft auf keinen Fall sein?

Berlin braucht auf keinen Fall einen plakativen Wohnungsbau!

Francesca Ferguson: Was Berlin auf keinen Fall braucht, ist einen plakativen Wohnungsbau für sechs Euro pro qm, der auch so aussieht - das ist das, was Staatssekretär für Bauen und Wohnen, Prof. Dr.-Ing. Engelbert Lütke Daldrup, anvisiert. Vielmehr brauchen wir einen Anspruch an intelligente Baukultur in Berlin, die Chancen eröffnet, indem sie dem Allgemeinwohl dient und bezahlbares Wohnen in Berlin ermöglicht.  

CCB Magazin: Frau Ferguson, vielen Dank für dieses Gespräch und viel Erfolg mit MAKE CITY. 
 


Alle Infos zum Festival Make City gibt es hier: http://makecity.berlin

Category: Innovation & Vision

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