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Wolfgang Georgsdorf: „Geruch ist ein ungehobener Schatz“

Wolfgang Georgsdorf: „Geruch ist ein ungehobener Schatz“
Photo: © Wolfgang Georgsdorf

Heute im Profil der Woche (Teil 9): Wolfgang Georgsdorf, freischaffender Künstler, Forscher und Erfinder. Wolfgang Georgsdorf lebt seit 24 Jahren in Berlin, ursprünglich kommt er aus Österreich. Er hat SMELLER 2.0 entwickelt, ein Universalgeruchsprojektor, und repräsentiert die von ihm so genannte Kunstsparte OSMODRAMA. Was hat es damit auf sich? Wir sprachen mit ihm.


CCB Magazin: Hallo Wolfgang, erzähl mal, wer bist du und was machst du?

Wolfgang Georgsdorf: Hallo, ich bin Wolfgang Georgsdorf, freischaffender Künstler, Forscher und Erfinder aus Berlin. Ich zeichne, schreibe, forsche, forme und mache Musik – unter anderem bin ich seit 2010 als Dirigent und Geiger im Berlin Improvisers Orchestra tätig, einem sehr lebendigen Klangforschungskörper. Ich arbeite in verbundenen Feldern von Künsten und Wissenschaften. Seit einigen Jahren ist eines der Arbeitsfelder, die sich konkret daraus entwickeln, eine Art Gravitationszentrum meiner laufenden Arbeit geworden: SMELLER 2.0, ein Universalgeruchsprojektor, ein neuartiges Instrument und Medium, das ich erfunden und mit einem großartigen interdisziplinären Team entwickelt habe. Ziel war es, ein neues Feld der Kunst ins Leben zu rufen, das mir seit Jahrzehnten vorschwebt: OSMODRAMA.

CCB Magazin: Was genau ist OSMODRAMA und wie funktioniert der Universalgeruchsprojektor SMELLER 2.0?

Wolfgang Georgsdorf: OSMODRAMA ist die zeitbasierte Kunst komplexer und präziser Sequenzen von Gerüchen und Düften, allein und in Verbindung mit allen anderen uns bekannten Feldern der Kunst und Kommunikation. Die mächtige Geruchsorgel SMELLER 2.0 kann Gerüche und Düfte verschiedenster Zeiten und Räume für kollektives Erleben in einen Saal so einströmen lassen, dass wir mit jedem Atemzug einen neuen Geruch erleben, ohne dass dieser sich mit dem vorhergehenden oder nachfolgenden vermischt. Und wir können die Abfolgen am Computer editieren und speichern.

CCB Magazin: Wann hast du SMELLER 2.0 entwickelt?

Wolfgang Georgsdorf: SMELLER 1.0 hatte ich bereits 1996 gebaut und in einem Museum ausgestellt. Damals hatte ich auch schon SMELLER 2.0 formuliert. Mir fehlten aber die Mittel. 2012, nach Anfrage des OK-Centrums für Gegenwartskunst in Linz, habe ich dann mit einem interdisziplinären Team von Experten aus den Gebieten Strömungstechnik, Parfümistik, Design, Architektur, Elektronik, Mechatronik, Chemie, Physik, Mathematik und der Unterstützung fantastischer Unternehmen und Gewerke SMELLER 2.0 gebaut. Nach seiner Premiere hatten wir Smeller 2.0 über vier Monate lang seiner öffentlichen Erprobung mit fast 80.000 Besuchern unterzogen. Ohne Pannen und mit Riesenerkenntnissen! Nun werden Smeller und Osmodrama endlich nach Berlin kommen: In einem eigenen FESTIVAL OSMODRAMA BERLIN vom 15. Juli bis 18. September 2016 im Radialsystem V an der Spree, mit der Schering Stiftung als einem der Hauptförderer.

Ich will mit meiner Arbeit das unübersehbar weite Spektrum an künstlerischen wie wissenschaftlichen Forschungsprojekten vom Zaun brechen

CCB Magazin: Wie kam es dazu, sich solchen Feldern zu widmen?

Wolfgang Georgsdorf: Geruch hat mich aus mehreren Gründen schon immer fasziniert: Erstens ist es ein weitgehend unerforschtes Feld der Kunst, vor allem der zeitbasierten Künste. Zweitens bietet es eine schillernde Vielfalt von Korrelationen mit anderen künstlerischen und wissenschaftlichen Disziplinen. Drittens ist es ein in der Kunst und Kommunikation ungehobener Schatz und ein mächtiges poetisches Kraftwerk. Meine Großeltern, bei denen ich als Kind lebte, hatten mir alles erlaubt, um meine Neugierde zu stillen. Sie hatten mir ihre ausgemusterten Medikamente zum Spielen gegeben, mit der Maßgabe, sie nicht einzunehmen. Aber ich durfte daran riechen. So hatte ich einen Malkasten unsichtbarer Bilder. 

CCB Magazin: Was willst du mit deiner Arbeit erreichen?

Wolfgang Georgsdorf: Ich möchte eine Kunst in unserer Gesellschaft praktisch wie theoretisch verwirklicht wissen, die es bisher noch nicht gab. Und über diese Kunst sollen wir einen Riesenunterschied haben und Dinge tun können, mit denen wir in vielerlei Hinsicht eine nie dagewesene Tiefe künstlerischen Ausdrucks erreichen können. Damit meine ich chemische Kommunikation: Moleküle, die zu Gefühlen werden. Duftbasiertes Erzählen. Ich will das unübersehbar weite Spektrum an künstlerischen wie wissenschaftlichen Forschungsprojekten vom Zaun brechen, die mittels Smeller 2.0 – X an all den Fragen andocken können. Vor allem will ich damit ein Kapitel multisensorischer Darbietungen und Aufführungen eröffnen, deren Qualität und Möglichkeiten sich die meisten von uns erst vorstellen können, wenn sie es einmal erlebt haben. Osmodrama und das kollektive Erleben zeitbasierter Geruchskunst und -kommunikation soll kulturelle Wirklichkeit werden.

OSMODRAMA : Erzählen mit Geruchssequenzen - Das Festival 2016, Foto: © Osmodrama.

CCB Magazin: In welchen Bereichen könnte Geruchskunst in Zukunft eine Rolle spielen?

Wolfgang Georgsdorf:Wir werden die Verbindung mit den anderen Medien erleben können, Film und Geruch in bis dahin nicht erlebbaren Darbietungsformen, Musik und Geruch, Sound und Geruch, Literatur und Geruch, Tanz und Geruch, um nur die wichtigsten zu nennen. Wir werden auch wirksame therapeutische Ansätze sehen, mit denen wir nicht gerechnet haben. Zeitbasierte chemische Kommunikation ist ein Feld, das wir kaum kennen, und deshalb auch erst mit Gestaltungsmodellen beginnen. Osmodrama bringt diese künstlerisch auf den Punkt und es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir die Wirkung in der Gesellschaft deutlicher spüren können. Hoffentlich eine Frage von nicht allzu langer Zeit. Das Osmodrama Festival in Berlin 2016 soll einen überzeugenden Anfang machen.

CCB Magazin: Stichwort Berlin, du lebst schon sehr lange in der Stadt: Was bedeutet Berlin für dich als Lebens- und Standort?

Wolfgang Georgsdorf: Ja, nach 24 Jahren in Berlin bin ich schon fast aus Berlin. Aber ich bin ursprünglich aus Österreich. Und gleich nach der Wende war Berlin mehr ein Gelände als eine kompakte Stadt. Das war toll. Mich hat die Heterogenität hier angezogen. Dass nicht alles aus einem Guss war, wie in Wien, der Stadt, in der ich bis dahin gelebt hatte. Oder Linz, der Stadt, in der ich aufgewachsen bin. Von den vielen Städten, in denen ich gelebt und gearbeitet hatte, war Berlin ein großes Versprechen, eine Stadt, die sich nicht auf ihre relativ kurze Vergangenheit berufen kann und deshalb entschiedener nach vorn schaut. Eine Stadt, in der nicht schon alles in festen Händen ist, in der viele Menschen frisch ankommen und “das Gelände” schätzen und die, mit der Freude, hier zu sein, die Ärmel hochkrempeln und Ideen in einem Klima schöpferischen Treibens zu verwirklichen beginnen.

CCB Magazin: Die Stadt hat sich in den letzten 24 Jahren jedoch stark verändert.

Wolfgang Georgsdorf:Das stimmt, aber all das ist Berlin immer noch für mich. Auch, wenn es rapide den Weg allen Gewinndenkens geht, und sich von einer Stadt der Ideen in eine Renditestadt zu verwandeln begonnen hat: Essen und Wohnen kosten wenig und das erhält uns Dinge, die mir als Standort wichtig sind: Heterogenität, freikünstlerisches Schaffen, Experimentierfreudigkeit, kosmpolitischer Geist. Und Berlin hat – für mich das größte von allem – ein umwerfend schönes und dünn besiedeltes Umland, sehr schnell erreichbare Naturräume und Rückzugsgebiete, von denen andere Metropolen nur träumen können. Hier habe ich auch meine zweite Wirkstätte und Atelier samt Labor mitten im Wald, in absoluter Stille.

Ich wünsche mir in Berlin künftig eine Vielfalt, die mehr intelligent als gierig ist

CCB Magazin: Wenn du einen Wunsch hättest: Wie sollte Berlin in Zukunft gestaltet werden?

Wolfgang Georgsdorf: Ich würde uns und unserer Stadt Berlin wünschen, dass sie die Stadt der Menschen bleibt, die in ihr wohnen und nicht eine Stadt der Investoren, die ihre Renditen letztlich auf Kosten des schlecht bezahlten kreativen – echten – Kapitals der Stadt systemgerecht maximieren müssen. Kreativität und Geldverdienen widersprechen sich nicht, aber es gibt Grenzen. Ich wünschte, dass Zuzug und Aufmischung weiterhin eine Stadt der Vielfalt aus Berlin machen. Und das Schönste wäre eine Vielfalt, die künftig mehr intelligent als gierig ist. Schaffung und Erhalt günstiger Wohnungen und Ateliers sollte ein Teil der Gestaltung sein. Bildungsfreiheit, und Programme, die die Umsetzung wirklich guter Ideen unbürokratisch zu fördern vermögen, damit diese Ideen produktiv werden können. Empathie sollte ein großes Motiv in dieser Stadt werden und dann auch bleiben.

CCB Magazin: Wolfgang, was planst du in der Zukunft?

Wolfgang Georgsdorf: Oh, diese Frage ist die weitführenste, weil ich so viel plane, dass ich vieles eindampfen muss, um die Umsetzung der Pläne noch zu erleben. Ich möchte die Bücher schreiben, die ich angelegt und zum Teil schon begonnen habe. Zuvorderst das Buch “Osmodrama”. Ich möchte meine bildnerischen Arbeiten, die sich gerade im Zusammenhang mit Osmodrama entwickeln, weiter vorantreiben und im größeren Rahmen ausstellen. Ich möchte Smeller 2.0 fest in Berlin verankern und ein künstlerisches und wissenschaftliches Forschungsprogramm auflegen, das teilweise mit den Einkünften aus Darbietungen des Smeller mitfinanziert wird. Ich möchte die nächste Generation Smeller (3.0 +) bauen und in verschiedenen Städten der Welt gleichzeitig installiert sehen, um auch die von uns schon getestete Internetübertragung von Gerüchen in brauchbarer Weise praktizieren zu können. Ich möchte meine Arbeitsstätte im nördlichen Spreewald ausbauen und weiter zu einer Begegnungsstätte für Künstler, Wissenschaftler und Gewerke entwickeln. Ich möchte den Obstgarten und den Wald in diesem denkmalgeschützten Dreiseithof weiter zu einer Permakultur entwickeln. Ich will den Kinofilm vollenden, den ich mit unvergleichlichen Bildern begonnen habe und weitere geplante folgen lassen, vor allem mit Geruch. Es gibt viel zu pflanzen. Aber das meiste sind ja Bäume, die man in diesem Leben pflanzt, weil vor allem auch kommende Generationen damit ihre Freude haben sollen.

CCB Magazin: Wolfgang, vielen Dank für dieses Gespräch. 


Profil von Wolfgang Georgsdorf auf Creative City Berlin 

Weitere Informationen unter:

georgsdorf.com
osmodrama.com
smeller.net

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