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Irina Ilieva: "Die Zukunft kann kommen"

Irina Ilieva: "Die Zukunft kann kommen"
Photo: © Irina Ilieva

Wie finanziert man eine Galerie? Und das in Mitte? Irina Ilieva ist freie Architektin und Galeristin. 2002 hat sie aquabit - architektur | art | design gegründet und verbindet seitdem künstlerische Positionen, die sich im Experimentierfeld zwischen Architektur, Kunst und Neuen Medien bewegen. Seit acht Jahren liegt ihre Galerie in Mitte. Im Profil der Woche spricht sie über die Verbindung von Kunst und Architektur, die Zukunft von Galerien in der Stadt und über die Kraft von „Die Flitterwochen“ im Rahmen des Europäischen Monats der Fotografie.


CCB Magazin: Hallo Irina, wer bist du und was machst du?

Irina Ilieva: Hallo, ich bin Irina Ilieva, Architektin und Galeristin aus Berlin. Geboren wurde ich in Bulgarien und habe dort meine Kindheit verbracht. Nach Berlin kam ich kurz nach dem Mauerfall. Ich habe Architektur an der UACG in Sofia studiert und 2002 die Galerie aquabit in Berlin gegründet. aquabit verbindet Architektur, Kunst-Präsentationen und deren Kommunikation über (Web-)Design. In meiner Arbeit vereine ich langjährige Erfahrungen als Architektin mit der als Galeristin. Mein Ziel ist es, in einer so spannenden Stadt wie Berlin kreative Wahrnehmungen anzuregen. Dazu organisiere ich Ausstellungen, die auf mehreren Ebenen künstlerisch herausfordern. Als Architektin suche ich nach Lösungen, die eine andere Sicht auf den Alltag ermöglichen. 

Das Tolle an Kunst ist, dass grenzenloses Denken im begrenzten, physischen Raum ermöglicht wird

CCB Magazin:Mit was willst du „künstlerisch herausfordern“? Welche Lösungen sind das, nach denen du suchst?

Irina Ilieva:Als Galeristin und Kuratorin suche ich nach Raumlösungen und erstelle Konzepte, die den Raum thematisieren und so einen unerwarteten Blick auf Werke freigeben. Als Architektin integriere ich künstlerische Positionen in einer architektonischen Umgebung, um eine ideenreiche Sicht auf den Alltag zu ermöglichen, so zum Beispiel bei der Umgestaltung eines Hauseingangs in Berlin-Prenzlauer Berg. So entsteht ein eindeutiger Mehrwert für den Betrachter. 
 


CCB Magazin:Wie kann der künstlerische Ansatz den architektonischen Raum beeinflussen und umgekehrt?

Irina Ilieva:Das Tolle an Kunst ist, dass grenzenloses Denken im begrenzten, physischen Raum ermöglicht wird. Wenn sich die Architektur wiederum von diesem Denken inspirieren lässt, dann entstehen Räume, die unsere Sinne erweitern.

CCB Magazin:Kann das aber nicht auch zur Folge haben, dass Kunst das Architektonische aufwertet und diese Aufwertung eine Verteuerung von Wohnraum zur Folge hat?

Irina Ilieva:Natürlich kann Kunst das Architektonische aufwerten, ich glaube aber nicht, dass sie einen direkten Einfluss auf Verteuerungen hat. Mir geht es auch nicht nur um "Kunst am Bau". Ich denke, dass es vor allem wichtig ist, dass zwischen Künstlern und Architekten am Anfang eines Projekts eine Verbindung entsteht. Architekten sollten darum künstlerischer denken, Künstler können sich vom Architektonischen inspirieren lassen. Und wenn das Gebäude oder Objekt dadurch wertvoller wird, ist das zwar in erster Linie ein ideeller Wert, der uns im Endeffekt aber alle menschlicher macht.

Die Galerie aquabitArt ​von außen. Galerie aquabitArt, EX und HOPP ? refunctioning between Architecture and Art, 2015. Facade Installation: BORGMAN | LENK, Foto: © aquabit

CCB Magazin:Du hast in deiner Galerie aquabit bereits drei Ausstellungen zum Schwerpunkt Architektur versus Kunst organisiert. Wie bist du dazu gekommen, das Architektonische in die Galerie zu bringen?

Irina Ilieva:In meiner Arbeit als Galeristin haben mich immer schon Künstler fasziniert, die parallel zwei- und dreidimensional arbeiten, mit Fokus auf Malerei, Skulptur, zuletzt auch Fotografie und Installationen. Die Verbindung zwischen Kunst und Architektur ist mein Hauptanliegen, das interessiert mich. Es fasziniert mich einfach, wenn sich beide Disziplinen befruchten und dadurch etwas Neues entsteht. Der PLAZEBO Pavilion von Vanessa Enriquez und Jürgen MAYER.H zum Beispiel hatte in diesem Jahr in meiner Galerie viele Besucher, die vom Zusammenspiel visueller und akustischer Reize beeindruckt waren. Ich bin der festen Überzeugung, dass erst das Zusammenspiel vieler Disziplinen eine erfrischende Sichtweise auf unsere Umwelt ermöglicht, die uns dann bewusster leben und träumen lässt. Und wenn ich mit meiner Arbeit ein stückweit zu dieser Entwicklung beitragen kann, freue ich mich sehr!

CCB Magazin:Zu deinen Künstlern gehören Margaret Hunter und Peter Lindenberg aus dem Bereich Malerei und Skulptur, auch Sebastian Häger mit seinen Lichtcollagen genauso wie Lan Hungh aus dem Performance-Bereich oder die Möbeldesignerin Marina Braun. Auffällig ist die große Heterogenität deiner Auswahl. Nach welchen Kriterien wählst du deine Künstler aus? 

Irina Ilieva:Die Kunst muss mich einfach berühren, daher kann ich das pauschal nicht sagen. Die Persönlichkeit eines Künstlers ist dabei genauso wichtig für mich wie die Kunst an sich, denn wir sollten auch vertrauensvoll mehrere Jahre miteinander arbeiten können.  Die meisten meiner Künstler sind based in Berlin, aber nicht ausschließlich. Die inspirierende Überlagerung vieler Kulturen zeichnet letzten Endes meine Künstlerwahl aus. 
 

Die Galerie aquabitArt von innen. PLAZEBO, Affects between Architecture and Art, 2016. Installation Vanessa Enriquez und Jürgen MAYER.H. / Künstlergespräch. Foto: © aquabit 

CCB Magazin:Deine Galerie liegt in Mitte. Du bist dort seit 2008. Die Mieten sind in Mitte in den letzten Jahren immens gestiegen. Wie schwer ist es, dort eine Galerie zu halten?

Irina Ilieva:Einfach ist das nicht. Auch ich habe gerade wieder eine Mieterhöhung bekommen und rechne permanent damit, dass ich gehen muss. Aber das ist der Lauf der Zeit. Ich werde hier auch nicht ewig bleiben. Wenn das hier an diesem Ort zu Ende geht, entsteht an einem anderen etwas Neues. Was man als Galeristin ohnehin braucht ist Mut, Ausdauer und eine große Portion Eigensinn.

Als Galeristin brauchst Du Mut, Ausdauer und eine große Portion Eigensinn

CCB Magazin:Eine Studie des Instituts für Strategieentwicklung (IFSE) ergab, dass nur ein Viertel der Berliner Galerien aus eigenen Mitteln überlebensfähig ist. 15 Prozent der Berliner Galerien erzielen einen Jahresumsatz unter 17.500 Euro. 12 Prozent liegen in der Umsatzklasse zwischen 17.501 und 50.000 Euro. Wie ist das bei dir?

Irina Ilieva:Ich lebe von beidem, von meiner Arbeit als Architektin und als Galeristin, anders wäre das nicht möglich. Meinen Umsatz generiere ich über meine Architekturprojekte und Ausstellungskooperationen, aber natürlich auch über den Verkauf von Kunstwerken. So biete ich zum Beispiel ausgewählten Künstlern meine Galerie an, ich kuratiere ihre Arbeit und übernehme die gesamte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Seit drei Jahren habe ich zudem eine Galeriepartnerin. Wir teilen uns gemeinsam den Raum und wechseln uns in den Ausstellungen ab. Das halbiert nicht nur die Kosten, es verdoppelt auch den Spaß an der Arbeit.

CCB Magazin:Was ist das Besondere an deiner Arbeit als Galeristin?

Irina Ilieva:Die Kombination vieler Disziplinen und Kenntnisse macht meinen Beruf so besonders. Als Galeristin komme ich mit den unterschiedlichsten Menschen in Kontakt und lerne ihre Arbeiten und Persönlichkeiten kennen. In meiner Rolle braucht man viel Menschenkenntnis, damit die Zusammenarbeit mit Kunden, Künstlern und Sammlern erfolgreich funktioniert. Als Architektin und Galeristin übe ich sowieso mehrere Berufe gleichzeitig aus, die aber sehr viel gemeinsam haben. Gefragt ist Professionalität, Disziplin, Motivation, Diplomatie, analytisches Denken und Einfühlungsvermögen. Und zum Schluss ist das Feiern über einen Ausstellungserfolg ein Muss!

CCB Magazin:Du bist aus Berlin. In der Stadt gibt es Schätzungen zufolge um die 400 Galerien. Was bedeutet Berlin für dich als Lebens- und Standort?

Irina Ilieva:Ich habe die gesamte Entwicklung der Stadt der letzten Jahre und Jahrzehnte in Berlin mitverfolgt und erlebt. Berlin hat sich sehr verändert, die Verteuerung ist ein Problem, vor allem für die Kunst in der Stadt. Zugleich fällt es mir schwer, mir einen anderen Ort zum Leben vorzustellen. Die einzigartige Mischung unterschiedlicher Kulturen macht aus dieser Stadt einen kreativen Humus für Ideen, der einzigartig ist. Mit meiner Arbeit fühle ich mich hier immer noch bestens aufgehoben.

In diesem Jahr Teil des Europäischen Monats der Fotografie. aquabitArt stellt mit Verleger Peter Marron Fotoauszüge aus dem Fotobuch „The Honeymoon/Die Flitterwochen“ vor.​ Château de Versailles, aus der Reihe The Honeymoon. Foto: © Peter Marron, Zettabyte.

CCB Magazin:Wenn du einen Wunsch hättest: Wie sollte Berlin in Zukunft gestaltet werden?

Irina Ilieva:Neue Lebensmodelle mit kleinen und flexiblen Wohneinheiten sollten in Berlin entstehen, sodass die Verdichtung der Stadt nicht zur Verdrängung führt. Auch sollten Grünflächen in Berlin erhalten bleiben. Und die Förderung von Kunst sollte höchste Priorität haben!

Die Förderung von Kunst sollte in Berlin höchste Priorität haben!

CCB Magazin:Irina, was planst du in der Zukunft?

Irina Ilieva:In den nächsten Tagen startet der Europäische Monat der Fotografie, in diesem Jahr bin ich mit meiner Galerie Teil davon und sehr froh darüber. Zusammen mit Verleger Peter Marron stelle ich Fotoauszüge aus dem Fotobuch „The Honeymoon/Die Flitterwochen“ in meiner Galerie aus. „Die Flitterwochen“ ist eine Rätselgeschichte, es sind Fotografien eines uns unbekannten Paares in einem vergessenen Zeitalter. Aufgenommen wurden sie in den 1960er Jahren auf Schauplätzen vom Ostblock über die Karibik bis hin zu den USA und Europa. Sie zeigen uns eine Welt der Freude und Unbeschwertheit. Und in naher Zukunft plane ich die nächste Ausstellung, die Architektur und Kunst thematisiert, sowie auch einige Kunstprojekte in  und außerhalb der Galerie. Auch ein Einfamilienhaus ist in Planung. Nach einer erfolgreichen Kunstinstallation in der Altstadt von Prag in diesem Sommer, die sich der Barockarchitektur eines Palastes gewidmet hat, reizt mich in Zukunft eine weitere Auseinandersetzung mit der unvollendeten Schönheit dieser Stadt. In Berlin, mit seinem rohen Charme, befinden sich ebenfalls genug Orte, die entdeckt werden wollen. Ich bleibe neugierig! Die Zukunft kann kommen.

CCB Magazin:  Irina,  viel Erfolg dabei, und danke für das Gespräch. 

Irina Ilieva: Ich danke euch!


Profil von Irina Ilieva auf Creative City Berlin

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