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Jochen Küpper: "Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt"

Jochen Küpper: "Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt"
Photo: © Marc Brinkmeier

Jochen Küpper ist ein kultureller Tausendsassa. Viele kennen ihn wohl noch als Gründer des Stattbad Weddings, das 2015 schließen musste, andere von seinen zahlreichen Projekten: Mal gründet er mit anderen ein eigenes Unternehmen (wie die Modeplattform Sourcebook), mal eröffnet er ein neues Lokal (wie das Mirage Bistrot im Wedding). Auch aktuell kommt der Kulturumtriebige einfach nicht zur Ruhe: Er organisiert die erste Urban Art Week in Berlin vom 05. - 12. September. Wir haben uns mit dem Kulturmanager, der eigentlich aus Köln kommt, seit Jahren aber in Berlin Spuren hinterlässt, über die erste Urban Art Week und die Bedeutung einer solchen Woche für die Stadt unterhalten. 
 

INTERVIEW Jens Thomas 
 


CCB Magazin:  Hallo Jochen, in diesem Jahr findet zum ersten Mal die Urban Art Week statt. Noch eine Week in Berlin. Warum braucht man das?

Jochen Küpper:  Berlin ist eine bunt gemischte Kulturstadt, gerade Kunst im öffentlichen Raum ist ein wichtiger Teil davon. Man denke nur an die ehemalige Mauer, die neben ihrem Schrecken auch zur größten Galerie der Welt wurde. Daher finden wir eine Woche der Urban Art wichtig für Berlin. Das erste Mal trifft sich die Szene auch unter einem gemeinsamen Dach, parallel kommen erste Gespräche mit der Stadt beim Runden Tisch Urban Art in Gang. Wir wollen hier etwas bewegen. Es geht um die Frage, wie Kunst, politische und kommerzielle Interessen in der Szene zusammenfließen können oder sollten. Es geht aber auch um urbane Räume und wie wichtig sie für die Stadt sind, auch darum, ob künftig mehr Urban-Art-Projekte bei Förderprogrammen und Kunstformaten berücksichtigt werden müssten. Gerade in Berlin war und ist der Einfluss von Subkulturen immer wichtig.

CCB Magazin: Was genau passiert alles in dieser Woche?  

Jochen Küpper: Es gibt mehr als 150 Veranstaltungen in acht Tagen. Wir zeigen die vielen kleinen und großen Orte der Urban Art in Berlin, inzwischen sind 40 Orte über die ganze Stadt verteilt mit dabei. Neben Ausstellungen und Perfomances wird es auch Workshops geben, einerseits für die Szene selbst, um sich weiterzubilden, andererseits für die Besucher, um zum Beispiel selber Graffiti und den Umgang mit der Sprühdose zu erlernen. Darüber hinaus gibt es ein umfangreiches Filmprogramm im Centre Francais und zahlreiche Führungen von Akteuren des Netzwerks Street Art Berlin durch den Berliner Stadtraum. 

Es gibt mehr als 150 Veranstaltungen in acht Tagen. Wir zeigen die vielen kleinen und großen Orte der Urban Art in Berlin. Wir wollen einen Diskurs ermöglichen 

CCB Magazin: Aber mal ehrlich: Sollte man das rahmen und institutionalisieren, was für die Straße gedacht ist? Warum lässt man Urban Art nicht einfach wie und wo sie ist?

Jochen Küpper:Zunächst einmal institutionalisieren wir hier nicht die Kunstströmung, wir bitten auch keinen ins Museum. Mit dieser Frage muss sich eher das jüngste Museumsprojekt in Berlin – die Urban Nation – beschäftigen. Die Urban Nation versucht Urban Art im musealen Kontext zu zeigen. Wir sehen hier einen ganz anderen Mehrwert: Uns geht es um den Diskurs, und das Schöne ist ja: Selbst wenn Urban Art der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, ist sie kaum institutionalisierbar. Viele Künstler lassen sich in keine Galerie, in keinen Rahmen integrieren. Sie gehören auf die Straße und da belassen wir sie auch. Wir zeigen in dieser Woche aber auch die Orte der Urban Art in Berlin - Galerien, Institutionen und Projekträume. Und natürlich den Stadtraum! Und welche Kunst zeigt heute besser den Anspruch auf Freiheit der Kunst als die Urban Art? Ich wüsste keine. Gerade in den heutigen Zeiten, in denen der kommerzielle Druck im stärker zunimmt, kann die frei zugängliche Urban Art die Frage aufwerfen, wie wir in der Stadt in Zukunft leben wollen und ob wenigstens der öffentliche Stadtraum wieder stärker angeeignet werden muss. 

Kunst ist ihm über den Kopf gewachsen, findet er aber gut: Jochen Küpper, Kulturmanager, Visionär, Berlinliebhaber, Weddingverteidiger. Foto: © Marc Brinkmeier
 

CCB Magazin: Ein Vorwurf lautet, dass Street Art und Urban Art sich nicht nur Räume aneignen und  konsumkritische Fragen aufwerfen, sondern selbst konsumistisch sind. Kulturanthropologisch wird Street Art immer wieder in Anlehnung an Jean Baudrillard erklärt. Jean Baudrillard folgerte 1978 in seinem Buch „Kool Killer“, dass durch Graffiti erstmals die Medien in ihrer Form attackiert wurden, da sie der medialen Informationsschwemme lediglich „symbolische Matrikel“, also „nichts“, entgegenstellten. Graffiti hätten keinen Inhalt, keine Botschaft. Ist eine solche These aufgrund der zunehmenden Verzahnung von Kunst und Werbewelt, von Subversion und Karrieresprungbrett nicht völlig überholt?  

Jochen Küpper: Das finde ich nicht. Natürlich kann man darüber streiten, ob sich das ins Gegenteil verkehrt, wenn das Subversive der Vermarktung dient. Stars der Szene wie Banksy oder Blek le Rat verkaufen ihre Kunstwerke inzwischen wie geschnittenes Brot. Die Frage nach der Verbindung von Kunst und Kommerz wird in der Urban-Art-Szene auch immer schon kritisch diskutiert. Vielen geht es aber darum, den Stadtraum zu erobern, anstatt gut zu verkaufen. Und ich finde nicht, dass die Kritik heute nur darin zu finden ist, dass Botschaften „keinen Inhalt“ haben, wie das Jean Baudrillard folgerte. Streetart und viele der Kunstwerke hinterlassen im öffentlichen Raum klare Botschaften. Oft auch politische. Und in Zeiten, in denen mit der AfD in Deutschland und mit Trump in den USA ein neuer rechter Populismus aufkeimt, finde ich eine Kunstströmung, die sich politisch äußert, besonders wichtig. 

Streetart und viele der Kunstwerke hinterlassen im öffentlichen Raum klare Botschaften. Oft auch politische. 

CCB Magazin: Aber ist das nicht ein vorgeschobenes Argument zu behaupten, das sei politisch? Warum engagiert man sich dann nicht in einer Partei, Organisation oder in einer NGO? 

Jochen Küpper:Das eine schließt das andere ja nicht aus. Ich selber bin seit einem Jahr Gastmitglied in der SPD und schaue mir die Parteiarbeit genau an. Aber die Parteiarbeit ist etwas völlig anderes, das interessiert viele der Künstler nicht. Den meisten geht es um Kunst im öffentlichen Raum und den Kern ihrer Botschaften. Und es geht hier nicht nur um die dominierende Werbewelt, die den öffentlichen Raum erfasst. Es geht auch um den Raum als Lebensraum an sich, um die Kunst und die Straße in deiner Nachbarschaft. Das ist dann auch eine politische Frage. Darum freuen wir uns, inzwischen mit der Stadt selber, auch mit vielen alteingesessenen Institutionen wie dem Berufsverband bildender Künstler (BBK), der Koalition der Freien Szene oder Orten wie dem ZK/U in Kontakt zu sein und unsere Fragen und Bedürfnisse mit ihnen diskutieren zu können. Ein Ziel ist es, mit diesen Partnern längerfristig im Gespräch zu bleiben und sie stärker für Urban Art und unser Format die Urban Art Week begeistern zu können.

CCB Magazin: Wie finanziert ihr die Urban Art Week?

Jochen Küpper: Wir machen das überwiegend ehrenamtlich, wir sind ein Team von fünf Leuten. Ich habe vor zwei Jahren den Preis „smart urban pioneers“ gewonnen, das Geld setze ich jetzt für die Urban Art Week ein. Zudem hilft uns Streetart Berlin aus, ansonsten hätten wir das alles nicht stemmen können. Aktuell planen wir auch über die Führungen und einen Katalogverkauf noch etwas Geld einzunehmen. Das Geld wollen wir dann reinvestieren in unseren neu gegründeten Verein Urban Art e.V. Zuvor hatten wir uns noch um eine öffentliche Förderung bemüht, die haben wir leider nicht bekommen. Was wir aber geschafft haben ist, dass einzelne Programmpunkte wie das Filmprogramm nun vom Berliner Kultursenat unterstützt werden. Seit diesem Jahr gibt es in der Förderlandschaft des Senats auch erstmals die Sparte Urban Art. Ein klares Signal, wie ich finde. Und ein erster Erfolg unserer Arbeit.

CCB Magazin: Die Lager im Urban-Art-Kontext sind, wie in anderen Kunst- und Kulturgattungen auch, seit Jahren verstritten wenn nicht gar verfeindet. Wie schwer war es, die verschiedenen Gruppen zu erreichen und zu vereinen? Wie groß war auch der Widerstand gegen so eine 'Week'?

Jochen Küpper: Inzwischen haben sich einige Verfestigungen etwas gelöst. Ich verspüre aktuell wieder ein größeres Miteinander. Viele haben einfach verstanden, dass es einfacher ist zusammenzuarbeiten, als immer nur die eigene Position zu verteidigen. Auch auf politischer Ebene verändert sich langsam der Blick auf die Urban Art. Als wir vor zwei Jahren im Abgeordnetenhaus vorgesprochen haben, hat sich tatsächlich die bisher stets Urban-Art-ablehnende CDU erstmals positiv zu unserem Kunstverständnis und unseren Bemühungen geäußert. Das war ein Anfang, aber der Weg ist noch lang. Und es ist auch ok, dass man sich oft nicht einig wird. Kunst braucht Reibung. Das gilt für Urban Art mit seinen Ursprüngen aus dem Graffiti-Writing umso mehr.

Urban Art ist und bleibt ein Konfliktherd. Alles andere wäre auch denkbar langweilig

CCB Magazin: Die Hochphase von Street Art war in Berlin um das Jahr 2003, als die erste Backjumps-Ausstellung stattfand und zahlreiche Künstler in der Stadt waren. Auf mich wirkt eine solche Week, als käme sie 15 Jahre zu spät. Ist die Zeit von Street und Urban Art in Berlin nicht  längst vorbei? 

Jochen Küpper: Nein, genau jetzt ist der richtige Zeitpunkt, wo wieder etwas Neues entstehen kann. In der Graffiti- und Streetart-Szene gab es immer Wellen, die Ausstellung Backjumps im Jahr 2003 war unheimlich wichtig für die Szene und hatte wichtige Künstler in die Stadt geholt. Einige von ihnen leben und arbeiten heute in Berlin, sie haben die Entwicklung von Urban Art in Berlin maßgeblich mitgeprägt. Wir sind jetzt aber an einem ganz anderen Punkt. Es geht vor allem um wichtige infrastrukturelle Fragen: Wie verstehen wir uns selbst als Szene? Wollen wir mehr geschützte Räume oder wollen wir wieder stärker in den Untergrund? Wie können wir Künstlern in Berlin nachhaltig Arbeitsräume sichern? Wie können die vielen Projekträume und Galerien besser vernetzt werden? Wie kann man auch das Gespräch mit der Politik und Verwaltung auf Augenhöhe führen? Und wollen wir Förderungen erhalten oder wieder zurück in die Anonymität?

CCB Magazin: Viele Street Artisten wollen schon darum anonym bleiben, weil sie sich mit dem, was sie tun, in der Illegalität bewegen.

Jochen Küpper: Auch das muss man verstehen, und auch das hat eine Berechtigung, genauso wie man Menschen verstehen muss, die sich nicht für Graffiti und Street Art begeistern können. Auch der Umgang mit Eigentum und das Recht auf die eigene Stadt muss weiter diskutiert werden. Urban Art ist und bleibt ein Konfliktherd. Alles andere wäre auch denkbar langweilig. Urban Art schafft es aber wie kaum eine andere Kunstrichtung, sich öffentliche Räume zu erschließen. Die Akteure sind mutig, das ist wertvoll für uns aber auch für eine Stadt wie Berlin.

Ist das Kunst oder ist der bald weg? Foto: © Boris Niehaus, Urban Affairs 2008
 

CCB Magazin: Welche Zukunft hat urbane Kunst in Berlin? Und welche Impulse geht von einer Urban Art Week aus?

Jochen Küpper: Die Stadt entwickelt sich rasant, der Stadtraum verteuert sich, die Raumfrage ist neben der Frage zur nachhaltigen und kulturellen Förderung die zentrale in Berlin. Die Urban Art rückt die Nutzung des öffentlichen Raums in den Fokus. Es geht aber auch darum, wie wir uns selber als Szene sehen und verstehen und welche Unterstützung wir selber wollen, um uns weiterzuentwickeln. Die URBAN ART WEEK ist hier ein neues Format der Vernetzung. Es ist eine Form des Dialogs, den wir weiter anschieben wollen.


Profil von Jochen Küpper auf Creative City Berlin

Alle Infos zur Urban Art Week: www.urbanartweek.de

Category: Specials

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