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Michael Freundt: "Das ist hier alles richtig Arbeit"

Michael Freundt: "Das ist hier alles richtig Arbeit"
Photo: © Dachverband Tanz

Ende letzten Jahres waren wir in Kooperation mit dem Performing Arts Programm des LAFT Berlin und dem Dachverband Tanz Deutschland auf dem "International Meeting of Independent Performing Arts Producers" in Barcelona/Terrassa. In Teil 2 unserer Nachberichterstattung sprechen wir mit Michael Freundt, dem Geschäftsführer des Dachverband Tanz: Wie ist es um die Arbeitssituation von Produzenten und Produktionsleitern im Bereich der Darstellenden Künste bestellt? Welche Förder- und Finanzierungswege braucht es? Ist Crowdfunding vielleicht sogar ein probates Mittel der Projektfinanzierung? 
 

INTERVIEW Jens Thomas
 


CCB Magazin: Hallo Michael, Ende September 2018 fand das "International Meeting of Independent Performing Arts Producers" in Barcelona und Terrassa statt. Es ging vor allem um die Situation von Produzenten und Produktionsleitern im Bereich der Darstellenden Künste. Wie würdest du das Aufgabengebiet und Arbeitsfeld der Produzenten und Produktionsleitern jemandem erklären, der oder die davon noch nie etwas gehört hat? 

Michael Freundt: Für Tanz und Theater braucht es ja nicht nur tolle Performer und Performerinnen und eine Regisseurin oder einen Choreografen als kreativen Kopf. Es braucht eine Bühne, Probenzeiten, ausreichend Geld, Werbung, Verträge für die Beteiligten und Streicheleinheiten für die künstlerischen Seelen – so rund sechs Wochen lang. Und genau das – und vieles mehr – machen Produzenten und Produzentinnen, Produktionsleiter und Produktionsleiterinnen. Was sie meist nicht machen (können!) ist wie Hollywood-Produzenten ihr eigenes Geld in Produktionen investieren. Aber sie schreiben meist die Anträge, um mit Fördermitteln die Projekte überhaupt von der künstlerischen Vision zur Realität zu bringen. 

Tanz- und Theaterproben sind ein Fulltime-Job. Dafür braucht es nicht nur tolle Performer und Performerinnen und eine Regisseurin oder einen Choreografen als kreativen Kopf. Es braucht eine Bühne, Probenzeiten, ausreichend Geld, Werbung, Verträge für die Beteiligten und Streicheleinheiten für die künstlerischen Seelen

CCB Magazin: Warum braucht es dafür die Producer und Produktionsleiter? Warum machen das die freien Darstellenden Künstler nicht einfach selbst? 

Michael Freundt:Nicht wenige machen das tatsächlich selbst, am Rande der Proben. Und meist sind die Künstler und Künstlerinnen auch Produzenten in dem Sinne, dass sie die Empfänger der Fördermittel für ihre Projekte sind. Wie so oft in der arbeitsteiligen Gesellschaft zeigt sich aber, dass Professionalisierung auch bedeutet, sich auf das zu konzentrieren, was Mann/Frau am besten kann. Und Tanz- und Theaterproben sind ein Fulltime-Job, die gesamte Organisation drum herum auch. Die Verständigung über künstlerische Prozesse ist ein anderes als die Sprache der Kulturverwaltung, das Zusammenspiel anders als das Zahlenspiel der Buchungskonten. 

CCB Magazin: Deutlich wurde auf dem Meeting in Barcelona, dass überhaupt nicht klar ist, welche Stellung den Producern und Produktionsleitern zukommt: Sind sie wie ein Label? Oder eine Art der Kuration? Oder doch nur bloße Vermarkter? Weder gibt es eine klare Berufsbezeichnung noch eine entsprechende Förderstruktur. Was sind die Gründe dafür? 

Michael Freundt:Welche Rolle Producern und Produktionsleitern in künstlerischen Projekten zukommt, ist sehr unterschiedlich. Das hängt vom konkreten Bedarf der Künstler ab, aber auch von den Spezialisierungen der Produzenten und Produzentinnen. Manche begleiten die Projekte von Anfang an, andere betreuen nur die Proben oder das Touring oder die Buchhaltung oder oder. Und dann sind die Wertschätzung und der professionelle Dialog auch unterschiedlich. Gerade junge Produktionsleiter werden oft nur als Dienstleister gesehen, während erfahrene Produktionsleiter auf Augenhöhe mit den Künstlern agieren und für ihren kreativen Input geschätzt werden. Hinzu kommen die Förder-Strukturen in den Freien Darstellenden Künsten, die von Land zu Land sehr unterschiedlich sind und auch den Beruf der Produzenten prägen.

CCB Magazin: Das heißt? 

Michael Freundt:Hierzulande verbindet sich Förderung entweder mit den Künstlern oder mit den Produktionsorten. Beiden traut man zu, dass aus Steuergeldern Kunst wird. Die einen haben die Ideen, die anderen die Bühne. Producern glaubt man nicht wirklich, dass sie eigentlich beides haben: Ideen und Produktionsräume. Sie sind nicht Besitzer von Theaterhäusern und künstlerischen Angestellten, aber in ihrer jahrelangen Arbeit haben sie in alle Richtungen stabile Kontakte entwickelt. Sie sind die Schnittstelle zwischen Künstlern und Künstlerinninnen, zwischen Produktionshäusern und Förderern. Daher sollte man auch überlegen, welche Formen der Förderung diese fluiden Produktionsstrukturen für die freien Darstellenden Künste entwickelt werden können. 

CCB Magazin: In anderen Ländern wie Belgien gibt es bereits Förderprogramme für Produzenten und Produktionsleiter. Was läuft da besser? 

Michael Freundt:In Ländern wie Belgien, Frankreich oder den Niederlanden wird nicht nur die Produktion von Tanz und Theater gefördert, sondern in starkem Maße auch die Aufführungen und das Touring, also die Distribution. Dann sind auch erfahrene Produzenten und Produzentinnen notwendig, um die Stücke auf Tour zu bringen – und das spiegelt sich auch in der Förderung wieder. Außerdem wird erkannt, dass Produktionsbüros eine große Rolle für den künstlerischen Nachwuchs spielen können. In Belgien zielt die Förderung für Produktionsbüros zum Beispiel auch darauf, dass sie vor allem junge Künstler unterstützen. Andere Länder haben einfach erkannt, dass für künstlerische Entwicklungen auch Strukturen notwendig sind, in denen Produzenten verlässlich die Künstler begleiten. 

In Ländern wie Belgien, Frankreich oder den Niederlanden wird nicht nur die Produktion von Tanz und Theater gefördert, sondern in starkem Maße auch die Aufführungen und das Touring, also die Distribution

CCB Magazin: Ein Thema, das auf dem Meeting gar nicht zur Sprache kam, ist Crowdfunding. Ist Crowdfunding nicht gerade eine Option, um Auftritte oder ähnliches zu finanzieren? Das Publikum ist bei den darstellenden Künsten oft sehr speziell, wenn nicht gar exklusiv. Kann man nicht über Crowdfunding – unabhängig von zusätzlichen finanziellen Mitteln – sein Publikum erweitern?  

Michael Freundt:Für eine einzelne Produktion sollte man diesen Weg sicherlich stärker in den Blick nehmen. Aber ob dies über mehrere Produktionen hinweg funktionieren kann, scheint mir fraglich. Wären dann nicht die Produzenten im Modus der Dauer-Kampagne? 

CCB Magazin: Naja, Anschlussfrage: Viele stehen dem Crowdfunding einfach skeptisch gegenüber. Es heißt, dass darüber keine langfristige Planung möglich ist, was ja oft stimmt. Viele haben aber auch Angst, dass die Kampagne misslingen könnte und das ein schlechtes Licht auf das Projekt wirft. Sind Darstellende Künstler nicht risikofreudig genug? 

Michael Freundt:Nein, Crowdfunding ist ja richtig Arbeit, das passiert nicht einfach nebenbei, und wer mag sich schon viel Arbeit machen und dann scheitern? Auch hier wäre deshalb Arbeitsteilung gut. Wenn Produzent und Produzentinnen einen Teil ihrer Arbeit dem Crowdfunding widmen könnten, dann müssten die Künstler das mögliche Scheitern zumindest nicht persönlich nehmen. Trotzdem bleibt fraglich, ob sich Produzenten und Produzentinnen ihren ganzen anderen Aufgaben auch noch regelmäßig mit Crowdfunding beschäftigen können.

Crowdfunding ist richtig Arbeit, das passiert nicht einfach nebenbei. Und wer mag sich schon viel Arbeit machen und dann scheitern?

CCB Magazin: Zum Schluss: Welche Förder- und Finanzierungstrukturen brauchen Produktionsleiter und Künstler der Darstellenden Künste jetzt und in der Zukunft? 

Michael Freundt:Sie brauchen faire Honorare oberhalb der Untergrenze und eine Förderung, die eine Perspektive für professionelle Entwicklung über mehrere Jahre gibt, also eine Förderung, die sowohl die künstlerische Arbeit als auch die notwendigen Strukturen dahinter, inklusive der Arbeit der Produzenten, angemessen unterstützt.


Michael Freundt ist Geschäftsführer des Dachverband Tanz Deutschland

Das "International Meeting of Independent Performing Arts Producers" fand Ende 2018 September in Barcelona und Terrassa statt und war eine gemeinsame Veranstaltung des Dachverband Tanz Deutschland und dem Performing Arts Programm Berlin des LAFT Berlin in Kooperation mit dem Katalanischen Institut für Kulturwirtschaft (ICEC) – Catalan Arts!. Creative City Berlin war als Partner mit vor Ort und berichtete über das Ereignis
 

Category: Specials

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