Finanzierung
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Es gibt Leute, die machen auf dicke Hose, und es gibt Leute, die wollen das „dünnste Portemonnaie aller Zeiten“ produzieren - Paprcuts.de aus Berlin-Kreuzberg wollen das, die erste Serie ihrer neuen Designlinie soll über Crowdfunding finanziert werden - das alles „unter fairen Produktions- und Arbeitsbedingungen“. Was meint „faire Produktions- und Arbeitsbedingungen“? Und lässt sich das über Crowdfunding realisieren? Wir haben mit Nils und Jakob von Paprcuts.de gesprochen.
CCB Magazin:Hallo Jakob & Nils, manche Leute freuen sich ja, wenn sie ein fettes Portemonnaie in der Tasche haben. Sind bei euch die fetten Jahre schon vorbei?
Nils:(lacht) Ich hoffe natürlich nicht, dass die fetten Jahre bei uns vorbei sind, wir haben auch wirklich gerne ganz viel Zaster in der Tasche. Doch man sitzt immer so schief und unbequem, wenn das Portemonnaie so dick ist. Mit unserem super dünnen Portemonnaie soll das kein Problem mehr sein. Da passt viel, aber auch wenig rein. Gleichzeitig ist es dünn wie Papier.
CCB Magazin:Kannst du beschreiben, wie das „dünnste Portemonnaie der Welt“ aussieht und was da alles (noch) reinpasst?
Nils:Wir planen zwei Modelle: das Portemonnaie in regular size und eines in big size: Regular size ist die bisherige Paprcuts-Größe. Erst ab einem Zwanni muss man die Scheine falten, dafür passt es wirklich in jede Hosentasche. Aufgeklappt ist es 6,9 cm mal 22 cm groß. In die Version big size bekommt man auch den alten Personalausweis und einen Fünfziger rein - natürlich mit Münzfach. Aufgeklappt ist es 7,8 cm mal 22 cm groß. Wir sagen: Geldscheine, Bank- und Businesskarten, ein Foto von der Ex, mehr brauchst Du im Grunde nicht und genau das macht die bunten Portemonnaies so praktisch. Der Geldbeutel ist aus reißfestem und wasserfestem Papier, federleicht, super dünn, dazu noch recycelbar, bedruckt und vernähbar und das alles unter fairen Arbeits- und Produktionsbedingungen produziert.
CCB Magazin:Was meinst du mit „fairen Arbeits- und Produktionsbedingungen“? Und wie stellt ihr das sicher?
Nils:Wir produzieren in sozialen Einrichtungen, die nach Tarifen bezahlt werden und faire Arbeitsbedingungen sichern: Eine Werkstatt für Beeinträchtigte und eine JVA. Solche Einrichtungen brauchen Aufträge von Marken wie uns, sonst funktioniert deren Businessmodell nicht. Genauso sind wir auf deren Arbeit angewiesen. Die Zusammenarbeit geht Hand in Hand. Aus ökologischer Sicht produzieren wir vor Ort, das Shipping einmal rund um die Welt fällt weg, so produzieren wir weniger CO2. Aus sozialer Sicht ist Nachhaltigkeit im Sinne von langfristig orientierter,fairer Bezahlung durch die Zusammenarbeit mit den sozialen Einrichtungen und anderen Produktionsorten gesichert.
CCB Magazin:Aber wie ist das mit euch? Ihr finanziert die erste Portemonnaies-Serie über Crowdfunding. Darüber lassen sich in den seltensten Fällen Arbeitsplätze sichern. Der Durchschnittswert pro Finanzierungsrunde für ein Projekt liegt bei 8.479 Euro, oft liegt es deutlich drunter, darüber können weder komplette Projekte finanziert noch Arbeitsplätze gesichert werden. Oftmals reicht es nur zur Finanzierung von Teilen des Projekts. Kann es so im Zuge des Crowdfundings überhaupt faire Produktionsbedingungen geben?
Nils:Das ist eine gute Frage, bezogen auf die einzelne Produktionsserie stimmt das wohl auch, bei uns geht es aber um die Marke Paprcuts als Ganze. Unsere Arbeitsplätze haben wir hier bei Paprcuts.de und uns als Agentur gibt es schon knapp drei Jahre. Wir finanzieren ja nur ein Produkt über das Crowdfunding. Wir sind ein kleines offline Startup und wir legen unsere Konzentration zu 100 Prozent auf unsere Produkte. Wir haben auch kein anderes Business nebenbei. Wir wollen bedächtig, aber stetig wachsen. Und wir glauben an unsere Philosophie. Wir produzieren regional und nachhaltig. Wir arbeiten seit Anfang an mit unseren Partnern zusammen, das wird auch in Zukunft so sein.
CCB Magazin:Was war der Grund, die erste Serie des Portemonnaies über eine Crowdfunding-Kampagne finanzieren zu wollen?
Jakob:Das Crowdfunding gibt uns einen Push, weiterhin unabhängig und eigenbestimmt produzieren zu können. Die Nachfrage nach unseren Produkten wird durch das Crowdfunding steigen, wir werden definitiv mehr Aufträge nach dieser Kampagne haben. Als komplett eigenfinanziertes offline Startup haben wir den Anspruch, intelligentes Produktdesign, außergewöhnliche & individuelle Gestaltung sowie regionale und nachhaltige Produktion zu verbinden. Am Standort Deutschland ist das allerdings nicht günstig. Wir müssen jede neue Designlinie in großer Auflage vorfinanzieren. Da wir neue Portemonnaies produzieren wollten, brauchen wir die Unterstützung der Crowd. Und Crowdfunding kann uns hier helfen, weil wir so eine Infrastruktur haben, über die Projekte mit gesellschaftlichem Mehrwert realisiert werden können, die sich sonst nicht realisieren ließen. Es handelt sich unserer Meinung nach auch um keinen Trend, der wieder verschwindet, sondern um eine langfristige strukturelle Veränderung zur Projekt-Finanzierung. Die Entscheidung, welche Projekte realisiert werden und welche nicht, trifft ja die Crowd, die sich entweder begeistern lässt oder kein Interesse zeigt.
CCB Magazin:Wie lassen sich die Leute begeistern? Auf was kommt es bei der Kampagne an?
Jakob:Klare Botschaften sind wichtig. Der gesellschaftliche Mehrwert des Projekts muss klar kommuniziert werden - und das natürlich auf eine möglichst kreative Art und Weise. So war es uns wichtig, nicht wie bei einem Charity-Projekt um Hilfe zu bitten. Wir sind kein Charity-Projekt. Vielmehr wollen wir Begeisterung für etwas Neues, Schönes und Praktisches versprühen, damit jeder dabei sein möchte. Wie bei einer guten Party. Wir wollen mit den Nutzern arbeiten und die entscheiden auch über die Designs, die in Produktion gehen. Bei uns gibt es auch keinen Perk, der nur als Spende funktioniert. Bei jedem Perk erhält der Unterstützer eine mehr als faire Gegenleistung! Als unfassbar starkes Medium hat sich bisher Facebook etabliert. Die Reichweite, die dort generiert werden kann, ist sehr hilfreich. Enorm wichtig waren auch Videos und tolle Fotos. Gerade für unsere Design-Geldbeutel sind die visuellen Elemente des Projekts von zentraler Bedeutung. Wichtig ist es, permanent interessante Inhalte nach dem Big Bang zu kommunizieren. Damit sollte man auch schon früh anfangen.
CCB Magazin:Ihr habt als Plattform Indiegogo für die Kampagne gewählt. Warum?
Jakob:Wir haben uns lange damit beschäftigt, welche Plattform für uns die richtige ist. Im Fokus standen von Beginn an die „Big Three“ - Kickstarter, Indiegogo, Startnext. Diese Plattformen haben das höchste Reichweitenpotential und eine ausgereifte Bedienbarkeit. Gegen Kickstarter haben wir uns aber sehr früh entschieden, weil Kickstarter nur Projekte für eine kleine Auswahl an Ländern zulässt. Das sind in erster Linie englischsprachige Länder, was auch Implikationen auf die ganze Plattformnavigation hat. Um diese Beschränkung zu umgehen, wird oft eine Briefkastenfirma in einem Land eröffnet - das passt jedoch nicht zu unserem Verständnis von Transparenz. Man steht auch bei jedem Crowdfunding-Projekt vor der Entscheidung, welches Publikum anvisiert werden soll. Wir haben uns für Deutschland als vorrangiges Zielpublikum entschieden, da hier ein unglaubliches Marktpotential für unsere Geldbeutel vorhanden ist. Zugleich wollten wir aber die Tür nicht für das internationale Publikum verschließen. Da Startnext dann auch noch sehr wenige Möglichkeiten zur Gestaltung der Projektseite zuließ, war die Entscheidung für Indiegogo unausweichlich. Erst recht, da Indiegogo seit ein paar Monaten einen starken Fokus auf Deutschland legt und auch in Berlin sitzt. Die Navigation ist überwiegend auf Deutsch verfügbar und auch die Zahlmethoden passen zum deutschen Markt. Auch die Betreuung ist klasse, selbst wenn es bei Indiegogo noch Verbesserungspotential gibt. Zum Beispiel ist es bei der Projektwährung Euro nicht möglich, per Kreditkarte zu unterstützen.
CCB Magazin:Indiegogo bietet es aber an, einen flexiblen Zielbetrag zu wählen. Das heißt, man bekommt das Geld ausgezahlt, selbst wenn die Zielsumme nicht erreicht wird, wenngleich sich dadurch die Provision erhöht. Ihr habt euch für einen "fixen Zielbetrag" von 12.000 Euro entschieden. Warum das?
Jakob:Bei unserem Projekt ist es klar, dass die Produktion aus wirtschaftlicher Sicht erst ab einer gewissen Bestellmenge sinnvoll ist. Da wir Crowdfunding auch als Möglichkeit zur Marktvalidierung sehen, war es unausweichlich, nur bei Erreichen des Fundingziels in dieser Höhe die vorgestellten Designs produzieren zu lassen.
CCB Magazin:Was könnt ihr alles über die 12.000 Euro abdecken?
Nils:Mit dieser Summe können wir den teuren Druck, alle Werkzeuge zur Bearbeitung der Portemonnaies, die kompletten Produktionskosten unserer Dienstleister sowie die Vorabkosten für Video und PR abdecken. Ein kleiner Lohn bleibt da auch noch übrig, der für zwei Monate unsere Strapazen von Haare raufen bis zum Freudentaumel unter akutem Schlafmangel leicht entschädigt.
CCB Magazin:Wie geht es mit euch nach dem Funding weiter?
Nils:Die Zielsumme haben wir bereits erreicht. Die Frage wird eher sein: Wie schaffen wir es, das alles zu produzieren? Aber keine Angst, auch das kriegen wir hin. Die JVA und auch alle anderen Beteiligten stehen schon bereit und warten nur auf das große Go. Wir sind auch erst am Anfang mit unserer Marke. Jetzt produzieren wir erst einmal das dünnste Portemonnaie aller Zeiten. Bei einem könnt ihr euch sicher sein: die dünnen Jahre fangen erst an!
CCB Magazin:Nils und Jakob, viel Erfolg bei allem.
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