Finanzierung
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Philipp Grefer hat 2018 das WISE-Festival auf den Weg gebracht, ein international renommiertes Format im Bereich Musik-Technologie, KI und Kreativwirtschaft, das in China populär wurde – am 19./20 Mai findet es zum zweiten Mal in Berlin statt und zum ersten Mal unter Vorzeichen eines Krieges mitten in Europa. Wie verändert die neue Weltsituation ein Festivalformat wie WISE? Stehen internationale Kooperationen und Vernetzungen auf dem Prüfstand? Ein Gespräch unter kaum vorhersehbaren Bedingungen.
CCB Magazin: Philipp, vor wenigen Wochen wären wir in das Interview ganz anders eingestiegen. Wir hätten die Programmpunkte deines Festivals besprochen, ein bisschen Interview-Schnick-Schnack hier, das übliche Festival-Geplänkel da. Jetzt haben wir mitten in Europa einen Angriffskrieg. WISE ist eines der renommiertesten internationalen Festivals im Bereich Musik-Technologie und fand in den letzten Jahren in China statt. Jetzt, wo sich China noch immer nicht eindeutig von Russland distanziert hat und überall vom Ende eines „Wandels durch Handel“ die Rede ist, wird das Festival jemals wieder in China stattfinden?
Philipp Grefer:Wenn China sich wieder öffnet, ja. Eine Entkopplung von China kann man sich sonst nur schwer vorstellen. China hat 1,3 Milliarden Menschen. Es ist die größte Volkswirtschaft der Welt. Zirka 60 Prozent der Weltbevölkerung leben in Asien mit 4,5 Milliarden Menschen. Unser Ziel ist es, Europa mit Asien und speziell auch mit China zu verknüpfen. Daran werden wir festhalten. Aber gleichzeitig werden wir WISE auch gegenüber anderen Weltregionen öffnen.
CCB Magazin: Wie verändert die gegenwärtige Weltspaltung ein Festivalformat wie deines?
Philipp Grefer: Es gibt natürlich geographische Verschiebungen. Internationale Kooperationen und Vernetzungen stehen allerdings nicht auf dem Prüfstand. Was man merkt, ist, dass durch die strenge Coronapolitik Chinas – man muss dort knapp drei Wochen in Quarantäne, bevor man ins Land einreisen darf – der Austausch in den letzten zwei Jahren extrem erschwert worden ist. Dafür zeigen sich andere, neue Vernetzungen. So wird es in diesem Jahr erstmals ein Panel über den afrikanischen Markt geben, der sich gerade extrem entwickelt – und in dem im Übrigen bereits chinesisch-investierte Streaming-Anbieter aktiv sind.
Der bevorstehende Paradigmenwechsel vom Web 2.0 zu Web 3.0 ist das zentrale Thema. Hier stehen wir noch ganz am Anfang. Es gibt aber eine neue Aufbruchstimmung wie bei der New Economy von vor 20 Jahren.
CCB Magazin: Jetzt kommen wir doch auf einzelne Festivalpunkte zu sprechen. Was sind die Highlights in diesem Jahr?
Philipp Grefer: Der bevorstehende Paradigmenwechsel vom Web 2.0 zu Web 3.0 wird einer der zentralen Themen sein – die ganze Diskussion um Metaverse, Non-Fungible Token (NFT), Blockchain-Komplex und seine Auswirkungen auf Musik-, Kunst und die Kreativindustrien. Hier sind wir noch ganz am Anfang und haben alle noch viel zu lernen. Es gibt aber eine neue Aufbruchstimmung wie bei der New Economy von vor 20 Jahren. Das ist hochspannend. Man muss sich nur vor den Blasen in Acht nehmen.
CCB Magazin: Ein Panel mit Journalist Marcus Bösch behandelt den Schwerpunkt, wie die neue Weltordnung den europäisch-chinesischen (Kultur-)Austausch prägt und verändert. TikTok beispielsweise wandelte sich durch den Krieg von einer Halli-Galli-Plattform zum Multiplikator politischer Botschaften. Erleben wir eine Politisierung durch die Digitalisierung?
Philipp Grefer: Ich würde sagen, TikTok war schon zuvor politisch, wenn auch nicht im jetzigen Ausmaß. Man denke aber nur an die letzte amerikanische Wahl, wo Trump TikTok verbieten wollte und Jugendliche über TikTok gegen Trump mobil gemacht haben. Und natürlich äußern sich derzeit alle politisch, weil der Ukraine-Krieg nun mal politische Stellungen verlangt. Ich sehe hier aber keine grundsätzliche Politisierung, eher eine konjunkturelle Erhitzung. Man muss auch sagen, dass die digitalen Infrastrukturen wie TikTok oder Instagram, die diese Phänomene verbreiten, bei den Chinesen oder den Amerikanern liegen. China hat die Pipelines gelegt, jetzt muss es nur noch irgendwann (positive) Inhalte liefern, die die Welt interessiert.
CCB Magazin: Eines der zentralen Fragen im Zusammenhang von Digitalisierung und Creative Industries der letzten Jahre war stets, wie viel Wachstum die Kultur und Kreativwirtschaft verträgt und ob sie zum Schluss nicht selbst unter die Räder kommt – weil die globalisierten Marktriesen zunehmend den Markt dominieren. Stellt sich diese Frage nun komplett neu? Geht es jetzt erst einmal darum, Demokratie(en) zu sichern?
Philipp Grefer: Generell sehen wir einen Informationskampf zwischen verschiedenen Ländern und Systemen. Dieser Informationskampf wird mit Inhalten und der ihr zur Verfügung stehenden Infrastruktur, siehe oben, ausgetragen. Interessanterweise hat gerade Russland gar keine eigene Informationsinfrastruktur aufgebaut. Jedenfalls hat es keine eigenen internationalen Social-Media-Channels. Wobei man natürlich das Investment von Yuri Milner in Twitter und Facebook immer noch kritisch hinterfragen muss. Trotzdem hat Russland es geschickt verstanden, auf westlichen Medien zu surfen und Desinformation zu streuen und damit sogar den Ausgang des US-Wahlkampfes beeinflusst. Will man also die Demokratie sichern, muss man die Inhalte und die o.g. Pipelines kontrollieren können. Außerdem muss die Demokratie an sich attraktiv bleiben. Sonst ist der Rest nur Gehirnwäsche.
Generell sehen wir einen Informationskampf zwischen verschiedenen Ländern und Systemen. Dieser Informationskampf wird mit Inhalten und der ihr zur Verfügung stehenden Infrastruktur ausgetragen
CCB Magazin: Ein weiterer Schwerpunkt liegt in diesem Jahr auf der Klimakrise. Was hat sie mit Musik und Technologisierung zu tun?
Philipp Grefer: Jede Industrie, und da ist die Musikindustrie nicht ausgenommen, muss schauen, wie sie ihren Co2-Abdruck verringern kann. Gerade DJs sind Vielflieger, dazu gibt es Studien, über die wir bei WISE sprechen werden. Während der Pandemie wurden verschiedene Streamingansätze ausprobiert. Sie können das Live-Erlebnis nicht ersetzen. Die Technik könnte sich aber in Zukunft aber so weit entwickeln, dass sie das Live-Erlebnis irgendwann neu erfahrbar macht und sogar in Konkurrenz zum Live-Event tritt. Wenn das passiert, wird womöglich weniger gereist und geflogen, was einen deutlich geringeren Co2-Abdruck zur Folge haben kann. Derzeit sind aber alle erst mal froh, dass überhaupt wieder Festivals stattfinden. Vermutlich wird langfristig kein Weg daran vorbeigehen, dass wir Co2-neutral fliegen können.
CCB Magazin: Ein anderer Schwerpunkt bei WISE liegt darauf, wie sich in den letzten zwei Jahren die Art und Weise, wie die Musikbranche grenzüberschreitende Geschäfte abwickeln muss, verändert hat. Wie hat Corona den internationalen Musikmarkt beeinflusst?
Philipp Grefer: Dass Musiker nicht touren konnten und somit nicht nur keine Livegagen bekamen, sondern die Merchandise-Verkäufe zurückgegangen sind, hat die ganze Branche hart getroffen. Zudem sind die Verlagstantiemen aus den Live-Veranstaltungen eingebrochen. Tendenziell sind die Labels und Verlage dabei noch deutlich besser weggekommen als die Live-Branche und die Künstler*innen. Nun erleben wir ein Stück weit den Weg zurück in die Normalität, mit all den Problemen, die wir bereits kannten. Der Fachkräftemangel ist eklatant und die Kosten für Live-Produktionen und Dienstleistungen sind enorm gestiegen. Das alles wird die Branche weiter verändern.
CCB Magazin: Philipp, was ist dein langfristiges Ziel mit WISE? Wie willst du WISE weiter verändern und voranbringen?
Philipp Grefer: WISE hat bisher auf zwei Kontinenten in insgesamt sechs Städten und im Metaverse stattgefunden. Wir haben die Kreativen und verschiedenste Innovatoren zusammengeführt. Insgesamt haben wir so über die letzten fünf Jahre gut 3.000 extrem interessante Menschen miteinander grenzüberschreitend verknüpft. Dieses Netzwerk der WISE-Community wollen wir weiterwachsen lassen – global, weltweit. Ich freue mich darauf.
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