Finanzierung, Karriere Zurück

Svenja Tikovsky: „Nicht alle haben die gleichen Rechte“

Svenja Tikovsky: „Nicht alle haben die gleichen Rechte“
Foto: © Martin Dziuba

Alle kennen sie, aber viele wissen nicht, wie sie funktioniert: die GEMA. Svenja Tikovsky hat den Durchblick und war auf der diesjährigen Most Wanted Berlin als Speakerin geladen. Zu ihren Aufgaben gehört unter anderem die Kommunikation zur Tantiemenverteilung, das Herzstück der GEMA. Wir wollten von ihr wissen: Wer verdient hier was und wie werden die Gelder verteilt?
 

INTERVIEW  Boris Messing

 

CCB Magazin: Hallo Svenja, du bist Gremien- und Kommunikationsmanagerin bei der GEMA und für die Tantiemenverteilung zuständig. Wenn du es in ein, zwei Sätzen zusammenfassen müsstest: Warum lohnt es sich für Musikerinnen und Musiker, Mitglied bei der GEMA zu sein?

Svenja Tikovsky: Ich würde sagen, es sind zwei Gründe. Einmal, weil es eine Solidargemeinschaft ist und man über die Vernetzungsmöglichkeiten andere Urheber*innen kennenlernen kann und gute Symbiosen zustande kommen können. Auf der anderen Seite kümmert sich die GEMA um eine faire Vergütung. Man bekommt bei uns auch Tantiemen für Nutzungen, die man sonst vermutlich nicht bekommen würde. Denn als Einzelperson jedem Stream auf YouTube oder Spotify hinterherzulaufen und eine Vergütung dafür zu verhandeln, ist ein Ding der Unmöglichkeit.

Die GEMA ist eine Verwertungsgesellschaft für Urheber aller Art. Es gibt prinzipiell eine Verpflichtung, die GEMA über gespielte oder gestreamte lizenzierte Songs zu informieren - und wir können das Geld rückwirkend einfordern

CCB Magazin:Die GEMA ist eine Verwertungsgesellschaft für Urheber aller Art, Songwriter, Bands, Komponisten, Produzenten, aber auch für Musikverlage. Im Wesentlichen basiert das Konzept darauf, für ihre Mitglieder Tantiemen einzutreiben. Wie kontrolliert und prüft die GEMA, welche Songs ihrer Mitglieder live, im Radio, Fernsehen oder über eine Streaming-Plattform gespielt werden?

Svenja Tikovsky:Eine gute Frage. Im Regelfall werden wir darüber informiert, wo welcher Song gespielt wird. Im Livebereich beispielsweise lizenzieren wir die Veranstaltung und im Nachgang wird uns dann die Setlist der gespielten Lieder übermittelt. Die Tantiemen dafür können wir dann direkt an die Urheber*innen weiterverteilen. Oder die Urheber*innen melden die Setlist selbst. Es kommt auch vor, dass wir die Veranstalter*innen an die Einreichung der Setlist erinnern müssen. Aber dadurch, dass die Hemmschwelle bei unserem Online-Meldeportal so niedrig ist, ist die Quote der Meldungen sehr hoch. Bei den Streaming Anbietern hat es relativ lange gedauert, bis sie uns ihre Klickzahlen melden wollten. Da ist Teil der Lizenzverhandlungen, die die GEMA für ihre Mitglieder führt. Schwieriger wird es beim Radio, im Fernsehen oder im Clubbereich. Dort bekommen wir die Nutzungsmeldungen mittlerweile über Monitoring-Verfahren.

CCB Magazin:Bedeutet das also, dass es, zum Beispiel im Radio, eine hohe Dunkelziffer von Nichtmeldungen gibt?

Svenja Tikovsky:Die Dunkelziffer ist nicht sehr hoch. Gerade im Livebereich wollen die Veranstalter*innen ja ihre Artists unterstützen. Es liegt in der Regel also nicht am Widerwillen, gespielte Musik zu melden, sondern an den Wegen, wie gemeldet wird. Im Radio ist die Dunkelziffer bei den allermeisten Sendern wegen des Monitorings-Verfahrens sehr gering.

CCB Magazin:Kann die GEMA denn dagegen vorgehen, wenn nicht gemeldet wird?

Svenja Tikovsky:Ja, es gibt prinzipiell eine Verpflichtung, die GEMA über gespielte oder gestreamte lizenzierte Songs zu informieren, und wir können das Geld auch rückwirkend einfordern. Bei Versäumnissen schicken wir eine Mahnung.

CCB Magazin:Die Tantiemen werden in einem komplexen Verfahren mithilfe eines Verteilungsplans errechnet. Wie funktioniert das genau? Wie viel Prozent von den Tantiemen nimmt die GEMA für ihre Dienstleistung?

Svenja Tikovsky:Wir haben im Prinzip drei Fälle der Verteilung: Die Direktverteilung, Kollektivverteilung und die Zuschlagsverteilung. Ein Beispiel: Wir vergeben eine Lizenz für eine Live-Veranstaltung, die Veranstaltenden schicken uns die Setlist der gespielten Songs zu: wir können die Einnahmen direkt – nach Abzug der Verwaltungspauschale – an die Urheber*innen weiterschieben. Dann haben wir den zweiten Fall. Ich erwähnte gerade das Radio, dort verteilen wir die Einnahmen kollektiv. Da wissen wir einerseits, wie viele Einnahmen wir haben und wir wissen aus den Programmen, welche Werke genutzt wurden. Was wir nicht wissen: Welche konkrete Einnahmesumme zu welchem konkreten Werk gehört. Für solche Fälle gibt es komplizierte Formeln in unserem Verteilungsplan, wie das Geld dann trotzdem fair verteilt werden kann. Zum Beispiel berücksichtigen wir im Fernsehen wie die Musik eingesetzt wird, ob als Hintergrundmusik oder ob eine Band in einer Show live auftritt. Bestimmte Werke können auch im Rahmen der kulturellen Förderung höher gewichtet werden als andere. Der dritte Fall ist der Zuschlag, oder auch analoge Verteilung. Hier wissen wir zwar, wie viele Lizenzeinnahmen wir haben, aber wir haben keine Liste mit genutzten Werken. Deshalb verteilen wir die Einnahmen analog zu anderen Verteilungen, wie bspw. im Radio oder im Live-Bereich. In allen Verteilungen ziehe wir dann noch den Kostensatz ab, den man jahresaktuell im Geschäftsbericht nachlesen kann, 2023 lag er bei ca. 15 Prozent.

Hat Philosophie studiert und ist heute Gremien- und Kommunikationsmanagerin bei der GEMA: Svenja Tikovsky. Foto: Svenja Tikovsky

CCB Magazin: Aber wer entscheidet, was kulturell förderwürdig ist? Was ist das für ein Punktesystem?

Svenja Tikovsky: Auf Werksebene können bestimmte Werke durch ein Punktesystem höher gewichtet werden, zum Beispiel aufgrund der Besetzung oder weil es sich um sogenannte E-Musik handelt. Darüber entscheidet ein Gremium der Mitgliedschaft.

CCB Magazin: Lässt sich als Texter oder Komponistin klar einsehen, wie die GEMA die Tantiemen eintreibt?

Svenja Tikovsky: Ja, in unserem Onlineportal kann man das ziemlich genau nachverfolgen. Da sieht man dann graphisch, in welchem Bereich man am meisten oder am wenigsten Tantiemen einnimmt. Wie genau wir zu den Tantiemen kommen, steht dort nicht, das muss man in unserem leider nicht so übersichtlichen Verteilungsplan nachschauen.

CCB Magazin: Gesetzt den Fall, ein Song ist von mehreren Artists komponiert – wie wird das von der GEMA bewertet und verwertet?

Svenja Tikovsky: Im Verteilungsplan ist genau geregelt, wer wieviel bekommt. Sagen wir ein Lied wurde beispielsweise von einem Urheber komponiert und den Text dazu hat aber eine andere Urheberin verfasst. Dann werden die Tantiemen beispielsweise im Live-Bereich zu zwei Dritteln und einem Drittel aufgeteilt. Es sei denn, die beiden haben untereinander etwas anderes ausgehandelt. Für alle möglichen Varianten gibt es klare Regeln für die Aufteilung der Tantiemen, auch für die Beteiligung der Verlage.

CCB Magazin: Kann man eigentlich ohne die GEMA einen Plattenvertrag mit einem Major Label abschließen?

Svenja Tikovsky: Prinzipiell ist das möglich. Ich denke aber, dass man bei einem Major-Label um eine GEMA-Mitgliedschaft nicht vorbeikommt. Es lohnt sich einfach finanziell zu sehr, als dass man nicht beitreten würde.

CCB Magazin: Wenn man aber dennoch kein Mitglied ist und ein eigener Song im Radio gespielt oder bei Spotify gestreamt wird, bekommt die GEMA trotzdem Geld. Ist das nicht unfair? Was passiert mit diesem Geld, das doch zu einem Teil diesen Musikern zustünde?

Svenja Tikovsky: Bei der GEMA liegen so viele Lizenzen und Rechte, dass sie sozusagen das Weltrepertoire an Musik vertritt. Wir sind weltweit mit ähnlichen ausländischen Verwertungsgesellschaften verbunden und vertreten deren Musikrechte im deutschen Raum, wobei wir die Tantiemen natürlich an die weiterleiten. Die Einnahmen aus dem Radio werden kollektiv verteilt, das heißt also, dass bestimmten Werken keine bestimmte Summe zugeordnet wird. Die gesamten Einnahmen werden dann wiederum auf die gespielten Werke größtenteils gleichmäßig verteilt. Bei Spotify wiederum gibt es festgelegte Streamwerte. Wir bekommen also genau das Geld des gespielten GEMA Repertoires, das wir dann verteilen. Wer davon profitieren möchte, muss einfach GEMA Mitglied werden.

CCB Magazin: Viele haben ein negatives Bild von der GEMA und sehen sie fälschlicherweise als eine Art von Eintreiber von Zwangsgebühren. Woher kommt dieses Bild?

Svenja Tikovsky: Das ist oft eine Frage der Perspektive. In der Regel sind es nicht die Urheber*innen, die die GEMA schlecht finden, sondern die Nutzer*innen der Musik, beispielsweise Veranstalter*innen von Festivals. Die ärgern sich dann, dass sie für die Lizenzen zahlen müssen. Musik ist so allgegenwärtig, dass wir ihren Wert gar nicht mehr wahrnehmen, einfach nicht mehr darüber nachdenken, dass es ja jemand gegeben haben muss, der die Musik komponiert hat. Ja, und dann könnte die GEMA natürlich besser in der Imagepflege sein.

Die GEMA hat so viele Lizenzen und Rechte, dass sie sozusagen das Weltrepertoire an Musik vertritt. Sie ist weltweit mit ähnlichen Verwertungsgesellschaften verbunden und vertritt deren Musikrechte im deutschen Raum

CCB Magazin: Wie kommt man in die GEMA und was kostet eine Mitgliedschaft? Haben alle Mitglieder die gleichen Rechte und Privilegien? Wie sieht es beispielsweise mit Mitbestimmungsrechten aus?

Svenja Tikovsky:In die GEMA können prinzipiell alle, die Musik komponieren, Songtexte schreiben oder Musik verlegen. Eine Mitgliedschaft kostet für Urheber*innen derzeit fünfzig Euro im Jahr. Wir sind ein Verein, das heißt, nicht alle haben die gleichen Rechte, es gibt eine Vereinsstruktur aus ordentlichen und nichtordentlichen Mitgliedern. Letztere ist die breite Basis, während die ordentlichen Mitglieder direkte Mitbestimmungsrechte haben. Die nichtordentlichen Mitglieder können jedoch indirekt Einfluss auf Entscheidungsfindungen nehmen, beispielsweise über die Delegiertenwahl auf der Mitgliederversammlung. Prinzipiell gilt bei der GEMA aber immer: Unsere Mitglieder stehen im Mittelpunkt, egal ob ordentlich oder nichtordentlich.

CCB Magazin:Svenja, zum Schluss, du hast Philosophie studiert und arbeitest seit 2022 für die GEMA. Was hat dich dorthin geführt?

Svenja Tikovsky:Meine damalige Nachbarin war bei der GEMA und hatte so viel Gutes über sie erzählt, dass ich mich da einfach beworben habe. Und dann hat es auch gleich geklappt. Ich betreue derzeit drei Gremien, die vor allem mit dem Verteilungsplan zu tun haben und koordiniere viele Sitzungen. Zusätzlich bin ich auch in viele Kommunikationsthemen zu Verteilungsthemen eingebunden. Wir sind eine Abteilung, die sehr cross-funktional ist. Ja, und manchmal kommen eben auch Anfragen wie die, ob ich nicht als Speakerin bei der Most Wanted auftreten will. Dann mache ich das auch gern.


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